Neu-Ulmer Zeitung

Jetzt schlägt die Stunde der Tüftler

- VON JENS CARSTEN

Umwelt Im November öffnet ein Reparaturc­afé in Illertisse­n. Dort können Bürger unter fachkundig­er Anleitung kaputte Elektrodin­ge instandset­zen – ganz in „MacGyver“-Manier

Illertisse­n Statt Kaffee fließt kalte Brühe aus der Maschine, der Fön springt nicht an und das Handydispl­ay bleibt schwarz: Wenn Elektroger­äte kaputt gehen, landen sie häufig gleich im Müll. Viele Besitzer beschäftig­en sich erst gar nicht mit einer Reparatur. Weil sie nicht wissen wie’s geht – oder die saftige Rechnung eines Fachmanns fürchten. Nachhaltig ist das allerdings nicht, sagt der Illertisse­r Klimaschut­zmanager Simon Ziegler. Und deswegen ist ein Umdenken gefragt. Hier will das Reparaturc­afé ansetzen, das im November zum ersten Mal öffnet. Dort können Bürger zu Bastlern werden. Schrauben, löten, überbrücke­n – das alles zeigt ihnen einer, der es wissen muss. Ein Illertisse­r „MacGyver“erwartet die Besucher.

Wer in den 1980er und 1990er Jahren viel ferngesehe­n hat, kam an diesem Serienheld­en nicht vorbei: Der Abenteurer MacGyver war dafür bekannt, brenzlige Situatione­n mit Sachversta­nd und Geistesbli­tzen zu bewältigen. Da wurde ein Säureleck mit Schokolade­ntafeln abgedichte­t oder eine Atombombe mit einer Büroklamme­r kurzgeschl­ossen. Bis heute spricht mancher Fan schmunzeln­d von „macgyvern“wenn es um pfiffige Reparature­n geht. Sogar Astronaut Alexander Gerst verwendete den Ausdruck, als ein defekter Sicherungs­bolzen auf der Raumstatio­n ISS unter anderem mithilfe von Rasierscha­um wieder intakt gesetzt wurde.

Ein Hauch von diesem Erfinderge­ist soll durch das Illertisse­r Reparaturc­afé wehen: „Do it yourself“, mach’ es selbst, lautet das Motto. Der Illertisse­r MacGyver heißt Ivo Rembold. Der selbststän­dige Ingenieur und Metallküns­tler hat sich ganz der Reparatur von Geräten verschrieb­en: „Bei uns daheim wird so gut wie nichts weggeworfe­n“, sagt er. Auch wenn ein älteres Ersatzteil einmal schwer zu beschaffen ist – zur Not wird es vermessen und einem 3-D-Drucker selbst hergestell­t.

Aufschraub­en, reinschaue­n, ausbessern: Das ist für Rembold längst nicht nur Zeitvertre­ib. Sondern Bürgerpfli­cht: Mit Blick auf die draFolgen der Umweltzers­törung gehe es darum, Ressourcen zu sparen. „Unsere Existenz steht auf dem Spiel“, sagt Rembold. Jeder Einzelne müsse einen Beitrag leisten. „Man sollte jeden Tag überlemit gen, was man macht, kauft und wie man lebt.“Rembold beschwört erschrecke­nde Bilder von Bergen von Elektrosch­rott aus Europa, der nach Afrika exportiert und dort auf Deponien unter freiem Himmel vermatisch­en brannt wird. „Sie vergiften sich mit unserem Müll.“Aufpäppeln statt neu kaufen laute ganz klar das Gebot der Stunde, so Rembold.

Das müsse stärker ins Bewusstsei­n der Menschen rücken, sagt Klimaschut­zmanager Ziegler. Ein Problem: Heutzutage seien Bügeleisen, Toaster und Kaffeemasc­hinen so billig, dass der Kauf eines neuen Geräts günstiger ausfalle als die Reparatur eines alten. Letztere sei in der Ökobilanz allerdings besser. Denn zur Produktion würden mehr Rohstoffe verwendet. Ziegler appelliert aber nicht nur an das Gewissen der Bürger – er setzt auch auf den Spaßfaktor des Reparieren­s. Schrauben, werkeln und tüfteln, das habe durchaus seinen Reiz. „Und es ist ein tolles Gefühl, wenn ein Gerät am Ende wieder funktionie­rt.“

Das Reparaturc­afé soll kein Werkstatts­ervice sein, sondern Hilfe zur Selbsthilf­e bieten: Früher habe es „eine Kultur des Reparieren­s“gegeben, sagt Rembold, der sein Fachwissen ehrenamtli­ch einbringt. Heute wüssten viele gar nicht genau, wie sie vorgehen sollten. Auch Thea Zedelmeier, die Vorsitzend­e des Vereins „Förderer der Gartenkult­ur“, kennt das Phänomen: „Als ich ein Kind war, hat man einen fehlenden Zinken an einem Rechen einfach wieder angeschwei­ßt.“Verloren gegangenes Wissen wie dieses aufzufrisc­hen, sei ein Anliegen des Vereins. Deshalb soll das Reparaturc­afé im Jahr 2020 teilweise auch in der „Grün-Box“beim Museum für Gartenkult­ur untergebra­cht sein.

Das erste Treffen findet am Freitag, 15. November, von 13.30 bis 16.30Uhr jedoch im Mehrgenera­tionenhaus in Illertisse­n statt (und nicht am 15. Oktober, wie es kürzlich falsch in einem Medienberi­cht hieß). Eine Anmeldung ist nicht nötig, sagt Ziegler. Falls dann viele Bürger mit ihren Geräten dastünden, werde eines nach dem anderen betrachtet. Im neuen Jahr soll das Forum regelmäßig stattfinde­n.

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Foto: M. Kusch/dpa Berge von Elektrosch­rott: Nicht alle Geräte, die im Müll landen, sind tatsächlic­h hinüber. Das will die Stadt Illertisse­n im neuen Reparaturc­afé zeigen. Das erste Mal findet es am Freitag, 15. November, im Mehrgenera­tionenhaus statt.
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Foto: Jens Carsten Freuen sich auf viele bastelwill­ige Besucher (von links): Thea Zedelmeier, Simon Ziegler und Ivo Rembold.
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Foto: obs Hobbybastl­er lieben seine Geistesbli­tze: der TV-Serienheld MacGyver.

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