Christus ist dem Himmel wieder näher
Stadtpfarrkirche
Die neue Figur hat ihren Platz in der Kreuzigungsgruppe auf St. Johann Baptist in Neu-Ulm eingenommen
Neu-Ulm Bei den groß angelegten Renovierungsarbeiten der Neu-Ulmer Stadtpfarrkirche St. Johann Baptist läuft der Endspurt: Seit Januar ist die Kirche komplett geschlossen, doch an Weihnachten sollen wieder Gottesdienste darin stattfinden. Einen spektakulären Teil der Arbeiten konnten die Besucher der Neu-Ulmer Innenstadt gestern beobachten: Die neue Christusfigur nahm ihren Platz auf dem Kirchendach ein. Damit liegen die Arbeiten im Zeitplan, wie der zuständige Architekt Wolfgang Heisler berichtet, der außerdem einen Aufruf an die Bürger hat.
Der Austausch der Figur war aus Sicherheitsgründen notwendig geworden – denn sie war ziemlich marode. Schnell war klar: Wird nicht alsbald gehandelt, können Teile der Figur abbrechen – und dann von der Spitze der St. Johann Baptist Kirche 28 Meter in die Tiefe fallen. Wie berichtet, sind die Mängel an der Christusfigur während der Renovierungsarbeiten im August 2017 entdeckt worden. Kurze Zeit später musste die Statue dann ihren Platz auf dem Kirchendach verlassen – in sechs Einzelteile zerlegt. Schließlich ist die Christusfigur mit insgesamt sechs Tonnen nicht gerade ein Leichtgewicht.
Das hat sie mit dem neuen Exemplar gemein – auch diese wiegt um die sechs Tonnen. Bei der neuen Figur werden vier Teile übereinander gestapelt, insgesamt 40000 Euro kostet das gute Stück. Im Gegensatz zu ihrem Vorgänger ist sie jedoch nicht aus Beton, sondern aus Muschelkalk, wie die beiden anderen Figuren der Kreuzigungsgruppe. Eigentlich sollte die neue Christusstatue bereits vor etwa zwei Monaten ihren Platz hoch oben einnehmen, doch dieser sowie ein weiterer Termin mussten verschoben werden, an der Figur war noch nicht alles so wie geplant. Langsam drängte die Zeit – schließlich wird am Freitag kommender Woche der mittelalterliche Weihnachtsmarkt, der auch den Vorplatz der Stadtpfarrkirche einnimmt, eröffnet.
Umso mehr freut sich Architekt Heisler, dass jetzt alles zeitlich hinhaut. Nur das Gerüst muss während des Weihnachtsmarkts noch stehen bleiben. Bis zum ersten Gottesdienst nach der Renovierung – der Kindermette an Heiligabend – wird es aber abgebaut sein. Und auch ansonsten liege man voll im Zeitplan, so Heisler. Was mit der früheren Christusfigur passiert ist derweil noch unklar: Stadtpfarrer Karl Klein wolle auf die Stadt zugehen, ob sich für die
vielleicht ein Platz im öffentlichen Raum findet, sagt Heisler.
Im Inneren des Sakralbaus hat sich ebenfalls eine Wandlung vollzogen: Es gibt ein neues, ausgeklügeltes Lichtkonzept mit passenden Leuchten, die rußverschmutzten Wände, Pfeiler und das Gewölbe wurden mit einem speziellen LatexWasser-Gemisch gereinigt, zudem wurde die Heizung ausgetauscht. Am Dach der Auferstehungskapelle wurde die ursprüngliche Form der Dachdeckung rekonstruiert, am Seitenschiff des Hauptdachs ebenfalls zahlreiche neue Ziegel gesetzt und die hölzerne Dachkonstruktion repariert. Derzeit findet eine Grundreinigung im Innern der Kirche statt. Rund 4,2 Millionen Euro wird die Generalüberholung des Gotteshauses insgesamt kosten. Mit rund 400000 Euro wird die Kirchengemeinde von der JuliusRohm-Stiftung in der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) unterstützt.
Während der Renovierungsarbeiten blieben auch Überraschungen nicht aus: So entdeckten die ArbeiStatue ter, dass die linke sowie rechte Nische an der Westwand unter der Empore beide ursprünglich – also 1926 – zitronengelb gestrichen waren. Die rechte Nische soll deshalb erneut zitronengelb erstrahlen, und außerdem eine moderne Figur des Heiligen Antonius beherbergen, die die Bildhauerin Carola Heine aus Krumbach herstellt. Die linke Nische bleibt weiß.
Eine weitere überraschende Nachricht hat Architekt Heisler und sein Team nach eine der Baustellenführungen durch die Neu-Ulmer
Stadtpfarrkirche erreicht: Ein Bürger meldete sich, in dessen Familienbesitz sich insgesamt fünf der früheren Kreuzwegstationen von 1926 – Reliefs aus Terrakotta – befinden. „Seine Eltern waren Kirchgänger und haben 1945 insgesamt sieben davon aus der zerstörten Kirche mitgenommen“, sagt Heisler. Drei davon gaben die Eltern an den Bürger sowie seine beiden Brüder, die anderen beiden wurden im Elternhaus aufbewahrt. Mit einer richteten die Eltern eine Art Herrgottswinkel im Esszimmer ein. Die weiteren beiden Exemplare wurden verschenkt, der Bürger wisse aber, wo sie sich befinden.
Für Architekt Heisler ein Glücksfall – könnten doch so die früheren Stücke wieder ihren Platz an den Wänden der Seitenschiffe in der Neu-Ulmer Stadtpfarrkirche finden. Heisler hat bereits Rücksprache mit dem Denkmalamt aufgenommen, und das ist der Ansicht, dass man neue und alte Kreuzwegstationen nicht mischen sollte. Die alten Exemplare könnten also nur aufgehängt werden, wenn die allermeisten
Statue hätte eigentlich schon stehen sollen
Gleich mehrere Überraschungen
der insgesamt 14 Reliefs vorhanden seien. Deshalb bittet Heisler die Bürger zu schauen, ob sich in ihrem Besitz weitere der Stationen – oder andere Stücke aus St. Johann Baptist – befinden.
Angst, dass man die Stücke auf jeden Fall an die Kirche abtreten muss, brauche niemand zu haben, so Heisler. So habe der ehemalige Stadtpfarrer Mattes schon im Falle der sieben Kreuzwegstationen erklärt, dass diese ja eine persönliche Bedeutung für die Familie hatten. „Niemand will denen das wegnehmen“, betont Heisler. Wenn die Familie beispielsweise doch zwei der Kreuzwegstationen behalten wolle oder sowieso nicht genügend der Stationen auftauchen, sei es auch eine Möglichkeit, dass drei Exemplare beispielsweise im verglasten Windfang des Gotteshauses einen Platz finden – mit einer Erläuterung wie im Museum. „Wir sind froh, wenn sich jemand meldet, auch wenn man die Stücke behalten möchte. Sie sind schließlich auch Zeitzeugen.“
Klar ist in jedem Fall: Bis Weihnachten werden die Reliefs von 1926 nicht wieder in St. Johann Baptist einziehen. „Dafür reicht uns das Zeitfenster nicht“, sagt Heisler. Deshalb werden die bisherigen Kreuzwegstationen aufgehangen. Diese sind von 1950 und wurden von Ludwig Ade gefertigt. Ihre Befestigung an den Wänden soll deshalb sicher, aber auch reversibel sein, erklärt Heisler. So könne man sie auch wieder austauschen.