Die haben einen Schuss
Vor sieben Tagen, liebe Leserinnen und Leser, stand hier an dieser Stelle: „Was für eine Woche!“Das ließe sich genauso wieder schreiben, vielleicht sogar mit zwei Ausrufezeichen am Ende.
Wir Journalisten müssen zum ersten Mal, so wie viele andere auch, auf Heimarbeit umsatteln. Das fällt nicht leicht in einem Beruf, der sehr stark von der direkten Begegnung lebt. Telefongespräche können den Kontakt von Angesicht zu Angesicht nur bedingt ersetzen. Aber das ist in dieser Situation egal, wir müssen uns damit arrangieren. Das scheint aber anderen ausgesprochen schwerzufallen. Man muss sich das mal vorstellen:
Junge und vielleicht nicht mehr ganz so junge Menschen trafen sich zu Corona-Partys, weil sie ja angeblich nichts zu befürchten haben. Die Risikogruppe, das sind ja die anderen, die Älteren. Doch dass sie sich möglicherweise anstecken und das Virus an andere weitergeben, die gesundheitlich nicht so robust sind, kümmert sie offenbar nicht.
Dazu hat der Ulmer Oberbürgermeister Gunter Czisch diese Woche in aller Deutlichkeit das Richtige gesagt: Sie haben wohl den Schuss nicht gehört. Er hätte auch sagen können: Die haben wohl einen Schuss. Keiner will wirklich Ausgangsbeschränkungen, doch auch mit solchem Verhalten wurden sie geradezu provoziert: Bayern hat jetzt ernst gemacht und Ulm sogleich nachgezogen.
Bisher handeln die Politikerinnen und Politiker in Deutschland vernünftig, es gibt keinen Überbietungswettbewerb der Hardliner. Auch im Landkreis wird die Krise allem Anschein nach mit Augenmaß, aber dem nötigen Ernst gemanagt. Natürlich weiß niemand, ob wir Notfallkrankenhäuser im Claretinerkolleg in Weißenhorn oder dem leer stehenden Hotel Golden Tulip in Neu-Ulm tatsächlich brauchen. Momentan sieht es nicht so aus, aber wir befinden uns ja erst am Anfang der Pandemie. Da ist es gut zu wissen, dass hier vorausschauend gehandelt wurde.
An dieser Stelle muss auch einfach eine Lanze für die Politiker gebrochen werden, die von immer mehr Menschen gerne als inkompetent, ahnungslos und machtbesessen gebrandmarkt werden. Nein, der politische Betrieb in Deutschland und auch im Landkreis ist besser, als ihn manche Wohnzimmerstrategen gerne machen.
Was sich gerade schön zeigt: In der Krise ist Solidarität für viele nicht nur ein Wort. Immer mehr Menschen helfen jetzt anderen, organisieren Nachbarschaftshilfen. Das ist fantastisch!