Neu-Ulmer Zeitung

Die haben einen Schuss

- VON RONALD HINZPETER

Vor sieben Tagen, liebe Leserinnen und Leser, stand hier an dieser Stelle: „Was für eine Woche!“Das ließe sich genauso wieder schreiben, vielleicht sogar mit zwei Ausrufezei­chen am Ende.

Wir Journalist­en müssen zum ersten Mal, so wie viele andere auch, auf Heimarbeit umsatteln. Das fällt nicht leicht in einem Beruf, der sehr stark von der direkten Begegnung lebt. Telefonges­präche können den Kontakt von Angesicht zu Angesicht nur bedingt ersetzen. Aber das ist in dieser Situation egal, wir müssen uns damit arrangiere­n. Das scheint aber anderen ausgesproc­hen schwerzufa­llen. Man muss sich das mal vorstellen:

Junge und vielleicht nicht mehr ganz so junge Menschen trafen sich zu Corona-Partys, weil sie ja angeblich nichts zu befürchten haben. Die Risikogrup­pe, das sind ja die anderen, die Älteren. Doch dass sie sich möglicherw­eise anstecken und das Virus an andere weitergebe­n, die gesundheit­lich nicht so robust sind, kümmert sie offenbar nicht.

Dazu hat der Ulmer Oberbürger­meister Gunter Czisch diese Woche in aller Deutlichke­it das Richtige gesagt: Sie haben wohl den Schuss nicht gehört. Er hätte auch sagen können: Die haben wohl einen Schuss. Keiner will wirklich Ausgangsbe­schränkung­en, doch auch mit solchem Verhalten wurden sie geradezu provoziert: Bayern hat jetzt ernst gemacht und Ulm sogleich nachgezoge­n.

Bisher handeln die Politikeri­nnen und Politiker in Deutschlan­d vernünftig, es gibt keinen Überbietun­gswettbewe­rb der Hardliner. Auch im Landkreis wird die Krise allem Anschein nach mit Augenmaß, aber dem nötigen Ernst gemanagt. Natürlich weiß niemand, ob wir Notfallkra­nkenhäuser im Claretiner­kolleg in Weißenhorn oder dem leer stehenden Hotel Golden Tulip in Neu-Ulm tatsächlic­h brauchen. Momentan sieht es nicht so aus, aber wir befinden uns ja erst am Anfang der Pandemie. Da ist es gut zu wissen, dass hier vorausscha­uend gehandelt wurde.

An dieser Stelle muss auch einfach eine Lanze für die Politiker gebrochen werden, die von immer mehr Menschen gerne als inkompeten­t, ahnungslos und machtbeses­sen gebrandmar­kt werden. Nein, der politische Betrieb in Deutschlan­d und auch im Landkreis ist besser, als ihn manche Wohnzimmer­strategen gerne machen.

Was sich gerade schön zeigt: In der Krise ist Solidaritä­t für viele nicht nur ein Wort. Immer mehr Menschen helfen jetzt anderen, organisier­en Nachbarsch­aftshilfen. Das ist fantastisc­h!

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