Odyssee zurück vom Kilimandscharo
Corona Michael Lämmle aus Illerzell ist in Tansania auf Weltreise, als ihn die Informationen
über die Krise erreichen. Abgesagte Flüge, Grenzen zu: Der Heimweg ist abenteuerlich
Illerzell Als in Deutschland das öffentliche Leben nach und nach abebbte, Veranstaltungen abgesagt und die Grenzen geschlossen wurden, war Michael Lämmle auf dem Kilimandscharo. Eine Woche lang machte der 24-Jährige aus Illerzell eine Tour zu dem beeindruckenden Gipfel, der mit 5895 Meter das höchste Bergmassiv in Afrika stellt. „Congratulations – Glückwunsch“: Auf einem Foto posiert er glücklich vor dem Schild, das den höchsten Punkt markiert.
Lämmle befand sich mitten in seiner Weltreise. Der 24-Jährige hatte dafür seinen Job als Bankkaufmann bei der Sparkasse gekündigt und sein Auto verkauft. Nach dem Ende seines BWL-Studiums am Wochenende, zusätzlich zu seiner Arbeit, erschien ihm der Zeitpunkt perfekt. Aufgebrochen im Dezember hatte er zunächst Namibia bereist. Weiter ging es mit Südafrika und Mosambik. Er hatte keine Route geplant, beschloss aber vorläufig, Südostasien zu umgehen, wegen der Corona-Ausbreitung in China.
Als er am Freitag, 13. März, wieder vom Kilimandscharo zurück in die Zivilisation kam, checkte er die Nachrichten. Bereits zu diesem Zeitpunkt bahnte sich die Verbreitung von Covid-19 in Europa an. Lämmle sah auf Facebook Fotos von leer geräumten Toilettenpapier-Regalen. Doch der Illerzeller ließ sich zunächst nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe gedacht, das ist Deutschland. Deutschland wird das schon in den Griff kriegen“, erzählt Lämmle im Telefongespräch mit unserer Redaktion.
Die folgende Entwicklung und die enormen Auswirkungen wären für Lämmle trotzdem nicht absehbar gewesen. So entschied sich der Illerzeller, seine Reise fortzusetzen. Der nächste Ausflug: eine Safari im Serengeti-Nationalpark. Doch ein Anruf von seinem Vater durchbrach Lämmles Reise und die bis dahin vorherrschende Sorglosigkeit. „Er hat gesagt, ich soll heimkommen“, sagt der 24-Jährige.
Es folgten zwei E-Mails der deutschen Botschaft, einmal mit der
Empfehlung, Tansania möglicht bald zu verlassen, dann verschärft mit dem Hinweis, sich umgehend mit den Fluggesellschaften in Verbindung zu setzen, da mit hoher Wahrscheinlichkeit bald die Grenzen geschlossen werden könnten.
Tansania gehört nicht zu den Ländern, in denen Rückholaktionen für Deutsche geplant sind, das heißt: Die Reisenden mussten und müssen noch immer auf eigene Faust zurück nach Deutschland, sonst stecken sie fest. Er buchte sofort einen Flug von Daressalam in Tansania nach München. Dieser wurde kurz darauf storniert und die Strecke komplett gestrichen. Nun brach Angst bei ihm und seiner Familie aus. Seine Eltern riefen im Auswärtigen Amt an und fragten, wie ihr Sohn nach Hause kommen könnte. Sie erhielten die Antwort, Touristen müssten sich selbst um ihre Rückreise kümmern, das Auswärtige Amt wäre kein Reisebüro.
Lämmle fand mit Glück einen alternativen Flug am Mittwochmorgen um 6.30 Uhr. Bei seiner Safari hatte er drei Engländer getroffen, die zurück nach London flogen. Er schloss sich an. „Ich wollte einfach den erstbesten Flug nach Europa“, erzählt Lämmle, „und hab den letzten Platz im Flieger bekommen“. Dafür zahlte er einen deutlich höheren Preis, doch das war ihm egal: Hauptsache zurück nach Deutschland. In einer Nachricht schrieb er an unsere Zeitung: „Ich will einfach heim ins schöne Bayern!“
Der Tag vor der Abreise war laut Lämmle der schlimmste. „Das war einfach der Horror, ich hab kaum geschlafen“, erinnert sich der Illerzeller. „Ich hatte wirklich Angst, dass etwas nicht klappt und ich in Afrika festsitze.“Bei den vielen Zwischenstationen des Fluges keine Unmöglichkeit: vom Kilimanjaro Airport aus nach Sansibar, von dort nach Daressalam, anschließend nach Addis Abeba in Äthiopien, danach nach London und von dort aus schließlich nach Stuttgart. Insgesamt 35 Stunden.
Doch es klappte. Von überfüllten Flughäfen mit hektischen Heimkehrern in Addis Abeba, dem Drehkreuz von Südafrika, über London erreichte er schließlich Stuttgart. Außerhalb von Afrika, erzählt er, gab es keine Kontrollen oder Fiebermessungen an den Zwischenstopps. Einmal wurde er gefragt, ob es ihm gut gehe. Mit ihm saßen etwa 30 Passagiere im Flugzeug nach Stuttgart. Als er landete, war der Flughafen wie ausgestorben. „So etwas habe ich noch nie gesehen“, sagt Lämmle.
Die Situation in Deutschland empfindet er als surreal. „So schönes Wetter, draußen zwitschern die Vögel“, sagt der Illerzeller. Und trotzdem eine große Krise. Da sei das Beenden seiner Reise das kleinste Problem.
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