Wenn Klopapier zur Mangelware wird
Corona Toilettenhygiene beschäftigt derzeit alle: Vom Supermarktkunden über den Amateurkicker. Wie sogar Bäcker in das Geschäft mit den begehrten Rollen einsteigen
Landkreis Es ist noch gar nicht so lang her, da dienten Bilder von leeren Supermarktregalen in deutschen Medien lediglich dazu, Nachrichten aus fernen, hyperinflationsgeplagten Ländern – wie etwa Venezuela – zu illustrieren. Oder aus den USA, wenn sich die Einwohner von Florida wieder einmal für einen aufziehenden Hurrikan rüsten. Dass solche Bilder auch für uns auf absehbare Zeit zur Realität gehören, war noch Anfang Februar nahezu undenkbar.
Und doch haben wir uns mittlerweile auch in unserem Supermarkt um die Ecke an diesen Anblick gewöhnt. Nudeln, Mehl und vor allem Toilettenpapier: Statt gefühlt 20 verschiedene Sorten eines jeden Produkts herrscht immer wieder gähnende Leere. Oder wie kürzlich in einer Rewe-Filiale in der Region: Drei kleine Päckchen „Deluxe Toilettenpapier“, 5-lagig, sechs mal 129 Blatt lagen dort, wo sich ansonsten meterhoch XXL-Packs günstigen Recycling-Klopapiers stapeln. Der Bundesverband des deutschen Lebensmittelhandels meldet dazu, der Umsatz mit Toilettenpapier in Deutschland sei von Februar auf März um 700 Prozent gestiegen.
Welche Probleme – außer kein Klopapier mehr zu Hause zu haben – diese Hamsterkäufe noch nach sich ziehen können, haben kürzlich die Pumpenwerke in Neu-Ulm festgestellt. In der Abteilung Stadtentwässerung und Wasserversorgung sorgt man sich um die Kanalisation. Einigen Bürgern ist wohl tatsächlich schon das Toilettenpapier ausgegangen. Sie mussten auf Feucht-, Kosmetikoder Küchenpapier ausweichen. Zumindest wurden solche Hygieneprodukte vermehrt in der Kanalisation gefunden, teilte die Stadtverwaltung mit. Zum Problem werden sie, weil sie – anders als normales Klopapier – in Wasser nicht zerfallen.
Im Süden des Landkreises habe man vermehrtes Vorkommen von Küchenpapier und Ähnlichem in den vergangenen Tagen und Wochen noch nicht feststellen können, sagt Helmut Gschwind, Geschäftsleiter des Abwasserzweckverbands Mittleres Illertal. Er kennt das Problem mit dem feuchten Toilettenpapier aber bestens. Auch zu NichtKrisenzeiten kommt es immer wieder vor, dass sich Küchenkrepp und Kosmetiktücher in den Abwasserkanälen zu extrem stabilen Klumpen verdrehen, die die Pumpen verstopfen können. Im schlimmsten Fall müssen die Geräte ausgetauscht werden, im weniger schlimmen Fall nur aufwendig wieder frei gemacht werden. Was normalerweise ärgerlicher Mehraufwand und Kostenfaktor ist, würde nun zum Problem werden: Denn auch das Team des Abwasserzweckverbands arbeitet wegen der Corona-Krise derzeit im Notbetrieb. Zusätzliche, eigentlich vermeidbare Arbeit sei daher kaum zu stemmen.
Trotz leerer Regale versprechen Händler und Klopapierhersteller, dass es ausreichend Toilettenpapier gibt. So sei auch im Aldi-Zentrallager in Altenstadt stets einiges auf Lager. Man versuche, mit verschiedenen Maßnahmen der gesteigerten Nachfrage Herr zu werden. Laut Pressestelle wurden die Lieferintervalle angepasst, die Logistikzentren hätten ihre Warenannahmezeiten erweitert und Bestellungen bei Lieferanten wurden vorgezogen. Außerdem gelten in vielen Aldi-Filialen – wie in den Geschäften anderer Discounter und Supermärkte – mittlerweile Abgabebeschränkungen. Die zuverlässigste Klopapierquelle in Neu-Ulm: Der MetroGroßmarkt. Allerdings dürfen hier nur Gewerbetreibende einkaufen.
Gerade im Internet zieht der Hype ums Toilettenpapier weite Kreise: Hunderte Scherzbilder und -videos kursieren. Unzählige Profi- und Amateurfußballer haben sich schon an der Klopapierchallenge beteiligt, bei der es darum geht, möglichst lange und kunstvoll mit einer der derzeit so begehrten Rollen zu jonglieren. Auch bei den Ulmer Spatzen ist der Trend beispielsweise angekommen.
Und sogar Bäcker beteiligen sich an dem Thema: Da gehen derzeit klorollenförmige Torten weg wie ansonsten die sprichwörtlichen warmen Semmeln. In Neu-Ulm sind solche Kuchen zum Beispiel bei der Bäckerei Dreihäupl erhältlich.