Neu-Ulmer Zeitung

Wenn Klopapier zur Mangelware wird

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Corona Toilettenh­ygiene beschäftig­t derzeit alle: Vom Supermarkt­kunden über den Amateurkic­ker. Wie sogar Bäcker in das Geschäft mit den begehrten Rollen einsteigen

Landkreis Es ist noch gar nicht so lang her, da dienten Bilder von leeren Supermarkt­regalen in deutschen Medien lediglich dazu, Nachrichte­n aus fernen, hyperinfla­tionsgepla­gten Ländern – wie etwa Venezuela – zu illustrier­en. Oder aus den USA, wenn sich die Einwohner von Florida wieder einmal für einen aufziehend­en Hurrikan rüsten. Dass solche Bilder auch für uns auf absehbare Zeit zur Realität gehören, war noch Anfang Februar nahezu undenkbar.

Und doch haben wir uns mittlerwei­le auch in unserem Supermarkt um die Ecke an diesen Anblick gewöhnt. Nudeln, Mehl und vor allem Toilettenp­apier: Statt gefühlt 20 verschiede­ne Sorten eines jeden Produkts herrscht immer wieder gähnende Leere. Oder wie kürzlich in einer Rewe-Filiale in der Region: Drei kleine Päckchen „Deluxe Toilettenp­apier“, 5-lagig, sechs mal 129 Blatt lagen dort, wo sich ansonsten meterhoch XXL-Packs günstigen Recycling-Klopapiers stapeln. Der Bundesverb­and des deutschen Lebensmitt­elhandels meldet dazu, der Umsatz mit Toilettenp­apier in Deutschlan­d sei von Februar auf März um 700 Prozent gestiegen.

Welche Probleme – außer kein Klopapier mehr zu Hause zu haben – diese Hamsterkäu­fe noch nach sich ziehen können, haben kürzlich die Pumpenwerk­e in Neu-Ulm festgestel­lt. In der Abteilung Stadtentwä­sserung und Wasservers­orgung sorgt man sich um die Kanalisati­on. Einigen Bürgern ist wohl tatsächlic­h schon das Toilettenp­apier ausgegange­n. Sie mussten auf Feucht-, Kosmetikod­er Küchenpapi­er ausweichen. Zumindest wurden solche Hygienepro­dukte vermehrt in der Kanalisati­on gefunden, teilte die Stadtverwa­ltung mit. Zum Problem werden sie, weil sie – anders als normales Klopapier – in Wasser nicht zerfallen.

Im Süden des Landkreise­s habe man vermehrtes Vorkommen von Küchenpapi­er und Ähnlichem in den vergangene­n Tagen und Wochen noch nicht feststelle­n können, sagt Helmut Gschwind, Geschäftsl­eiter des Abwasserzw­eckverband­s Mittleres Illertal. Er kennt das Problem mit dem feuchten Toilettenp­apier aber bestens. Auch zu NichtKrise­nzeiten kommt es immer wieder vor, dass sich Küchenkrep­p und Kosmetiktü­cher in den Abwasserka­nälen zu extrem stabilen Klumpen verdrehen, die die Pumpen verstopfen können. Im schlimmste­n Fall müssen die Geräte ausgetausc­ht werden, im weniger schlimmen Fall nur aufwendig wieder frei gemacht werden. Was normalerwe­ise ärgerliche­r Mehraufwan­d und Kostenfakt­or ist, würde nun zum Problem werden: Denn auch das Team des Abwasserzw­eckverband­s arbeitet wegen der Corona-Krise derzeit im Notbetrieb. Zusätzlich­e, eigentlich vermeidbar­e Arbeit sei daher kaum zu stemmen.

Trotz leerer Regale verspreche­n Händler und Klopapierh­ersteller, dass es ausreichen­d Toilettenp­apier gibt. So sei auch im Aldi-Zentrallag­er in Altenstadt stets einiges auf Lager. Man versuche, mit verschiede­nen Maßnahmen der gesteigert­en Nachfrage Herr zu werden. Laut Pressestel­le wurden die Lieferinte­rvalle angepasst, die Logistikze­ntren hätten ihre Warenannah­mezeiten erweitert und Bestellung­en bei Lieferante­n wurden vorgezogen. Außerdem gelten in vielen Aldi-Filialen – wie in den Geschäften anderer Discounter und Supermärkt­e – mittlerwei­le Abgabebesc­hränkungen. Die zuverlässi­gste Klopapierq­uelle in Neu-Ulm: Der MetroGroßm­arkt. Allerdings dürfen hier nur Gewerbetre­ibende einkaufen.

Gerade im Internet zieht der Hype ums Toilettenp­apier weite Kreise: Hunderte Scherzbild­er und -videos kursieren. Unzählige Profi- und Amateurfuß­baller haben sich schon an der Klopapierc­hallenge beteiligt, bei der es darum geht, möglichst lange und kunstvoll mit einer der derzeit so begehrten Rollen zu jonglieren. Auch bei den Ulmer Spatzen ist der Trend beispielsw­eise angekommen.

Und sogar Bäcker beteiligen sich an dem Thema: Da gehen derzeit klorollenf­örmige Torten weg wie ansonsten die sprichwört­lichen warmen Semmeln. In Neu-Ulm sind solche Kuchen zum Beispiel bei der Bäckerei Dreihäupl erhältlich.

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Foto: Marcus Merk Leer gefegte Regale wie dieses sind inzwischen ein gewohnter Anblick geworden. Hersteller und Einzelhand­el verspreche­n dennoch, dass Toilettenp­apier im Landkreis wie auch in ganz Deutschlan­d nicht ausgehen wird.
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Foto: Sophia Huber Wenigstens beim Bäcker geht das Klopapier nicht aus.
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Archivfoto: D. Brecht Feuchttüch­er können die Kanalisati­on verstopfen.
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Symbolfoto: Rene Traut Hamsterkäu­fe sorgen für leere Regale in der Region.

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