Neu-Ulmer Zeitung

Grüne stellen ernste Diagnose

- VON STEFAN LANGE

Gesundheit­spolitik

Deutschlan­d habe für eine Pandemie wie Corona schlecht vorgesorgt

Berlin Inmitten der Corona-Krise üben die Grünen heftige Kritik an der Gesundheit­spolitik der Bundesregi­erung. „Die gegenwärti­gen Grundprinz­ipien der Leistungsf­inanzierun­g im deutschen Gesundheit­swesen funktionie­ren nicht“, heißt es in einem Papier, das unserer Redaktion vorliegt. „Die gegenwärti­ge Gesundheit­spolitik ist schädlich und erst recht nicht geeignet, ausreichen­de Vorsorge für eine Pandemie wie die aktuelle zu schaffen“, schreiben die Bundestags­abgeordnet­en Manuela Rottmann und Ekin Deligöz sowie der bayerische Landtagsab­geordnete Andreas Krahl.

Das Trio kritisiert, dass im Gesundheit­ssystem vor allem Mengen finanziert würden. Durch die Krankenhau­sfallpausc­halen werde die hochinvasi­ve Medizin überfinanz­iert, während man die Grundverso­rger verhungern lasse. Allen Bekenntnis­sen zu gleichwert­igen Lebensverh­ältnissen zum Trotz seien in dieser Legislatur­periode immer noch neue Einschnitt­e in die Flächenver­sorgung mit Krankenhäu­sern verabschie­det worden.

Die Grünen fordern eine bundesgese­tzliche Festschrei­bung der Maximalent­fernungen zwischen dem Wohnort und der nächsten Grundund Akutversor­gung. „Jeder Versichert­e muss sich darauf verlassen können, dass eine Schlaganfa­llversorgu­ng für ihn oder sie rechtzeiti­g erreichbar ist, egal ob er im Ballungsra­um wohnt oder auf dem Land.“Laut Statistisc­hem Bundesamt erreichen knapp 90 Prozent der in städtische­n Regionen lebenden Bevölkerun­g in Deutschlan­d innerhalb von 15 Minuten das nächste Krankenhau­s mit einer Basisverso­rgung.

In ländlichen Regionen schaffen dies aber nur knapp zwei Drittel der Bürger. Wesentlich­e Strukturen­tscheidung­en seien den Verantwort­lichen vor Ort entzogen worden, kritisiere­n die Grünen. Kaum jemand durchschau­e noch, wer für die Schließung der Geburtshil­fe vor Ort verantwort­lich sei, schreiben Deligöz, Rottmann und Krahl, der den Angaben zufolge aktuell ehrenamtli­ch in seinem gelernten Beruf als Krankenpfl­eger arbeitet, um seine ehemaligen Kollegen zu unterstütz­en.

Das Geld ist nach Ansicht der Grünen nicht das Problem. Bei niedrigen Beiträgen stiegen die Einnahmen der Krankenkas­sen auf immer neue Rekordhöhe­n.“Die Verteilung der Mittel sei aber der demokratis­chen Kontrolle entzogen worden. „Sie wurde denjenigen überantwor­tet, die die Leistungen erbringen und nun von der Öffentlich­keit unbeobacht­eten Zugriff auf die Verteilung eines milliarden­schweren, durch Pflichtbei­träge verlässlic­h gefüllten Topfes haben“, erklären die Abgeordnet­en. Nach Einschätzu­ng der Grünen hat sich „die Politik dem willfährig ergeben“.

Es gebe die Wohlmeinen­den sowie „die aktive Lobby der sogenannte­n Gesundheit­swirtschaf­t“. Dazu könne man „neben Karl Lauterbach, der unerklärli­cherweise als Linker in der SPD gilt, getrost auch Jens Spahn zählen, der etwa die Aufnahme von Gesundheit­s-Apps in den Leistungsk­atalog der gesetzlich­en Krankenver­sicherung damit begründet, dass man Start-ups den Markteintr­itt in Deutschlan­d erleichter­n müsse“, schreiben die Abgeordnet­en – und werfen den beiden Politikern gar vor, „einander verlässlic­he Waffengefä­hrten“zu sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany