Wer rettet Fabricé das Leben?
Schicksal Ein Säugling leidet an einer seltenen und bösartigen Form von Blutkrebs, die nur durch fremde Stammzellen geheilt werden kann. Seine Familie wendet sich jetzt an die Öffentlichkeit
Kissendorf Der zehn Monate alte Fabricé aus Kissendorf ist ein Sonnenschein, der gegenüber seinen Eltern und seinen zwei sieben und drei Jahre alten Schwestern nicht mit Kuscheleinheiten geizt. Er spielt gern mit seinen Geschwistern und hat für alles und jeden ein Lächeln parat.
Doch das Familienglück wird getrübt. Fabricé ist seit der Geburt kränklich, leidet an Lungenentzündungen, bekommt Antibiotika, hat bereits mehrere Krankenhausaufenthalte hinter sich. Seine weißen Blutkörperchen sind auffällig, sodass er zeitweise beatmet wird. Danach scheint alles wieder gut zu sein und er darf nach Hause. Doch sein Zustand verschlechtert sich wieder, die Eltern holen die Meinung eines zweiten Arztes ein. Dieser schickt sie sofort in die Onkologie, wo Fabricé untersucht wird. Die Diagnose erfolgt am 2. April und ist ein Schlag ins Gesicht: Fabricé leidet an einer bösartigen und seltenen Form von Blutkrebs. Juvenile myelomonozytäre Leukämie, kurz JMML – von einer Million Kinder erkranken nur eines bis neun an dieser Form von Leukämie, betroffen sind Säuglinge und Kleinkinder, häufig Buben.
Die Diagnose stellt das Leben der jungen Familie völlig auf den Kopf. „An diesem Tag konnten wir nichts anderes tun als zu weinen und das auch nicht vor unseren beiden Mädels zurückhalten. Die Diagnose war ein unvergleichbarer Schock“, erzählt Fabricés Mutter.
Gegen JMML hilft weder Chemonoch Radiotherapie. „Das Einzige, was Fabricé retten kann, ist eine Stammzellspende“, erklärt Fabricés Tante und Patin Rebecca aus Nersingen. Aus diesem Grund wendet sich die Mutter an die Deutsche Knochenmarkspenderdatei DKMS und veröffentlicht einen Spendenaufruf. Patin Rebecca stellt die Geschichte des kleinen Fabricé in Form einer Bildergeschichte in ihren Status in Whatsapp und schickt den Spendenaufruf und den Link zur Registrierung bei der DKMS und an all ihre Kontakte. Dazu die Bitte, beides weiter zu verbreiten.
„Das Schlimmste für mich persönlich ist, dass ich kaum etwas tun kann“, schreibt sie in der Nachricht, die sie an ihre Bekannten schickt. „Ich kann den Menschen, die ich kenne, unsere Geschichte erzählen und sie motivieren, sie für uns zu teilen und sich registrieren zu lassen.“
Und so bringt Rebecca den Stein ins Rollen. Die Resonanz auf den Aufruf sei unbeschreiblich gewesen „Es war unglaublich, es ist viel mehr passiert, als wir erwartet hatten.“Bekannte sprachen ihre Anteilnahme aus und teilten ihr mit, dass sie den Aufruf in den sozialen Netzwerken weitergeleitet hätten. Auch in Österreich, England und den USA ist die Geschichte von Fabricé bereits angekommen.
„Mir ist das Ganze erst so richtig bewusst geworden, als die Geschichte öffentlich war“, sagt die Nersingerin. „Vorher war die Diagnose nur in der Familie bekannt – auf einmal öffentlich darüber zu sprechen hat sich angefühlt, als würde mich ein Lkw überfahren.“Um ihrem Bruder und seiner Frau die Möglichkeit zu geben, sich um Fabricé und die beiden Töchter zu kümmern, hat Rebecca die Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Neben all ihren Bekannten hat sie auch Fernseh- und Radiosender kontaktiert. „Wir brauchen Partner an unserer Seite, auf die wir zählen können. Menschen, die bereit sind, sich für andere einzusetzen. Die Reichweite ist alles, was zählt.“
Im Moment ist Fabricé im Krankenhaus, wo er heute operiert wird. Es wird ein Katheter für die Medikamententherapie gesetzt und sein Immunsystem heruntergefahren. „Es geht ihm noch einigermaßen gut“, erzählt seine Patin. „Aber es kann jeden Tag schlechter werden, und wenn es so weit ist, wird es auch nicht mehr besser.“Wegen der Corona-Pandemie könne sie ihren Neffen zwar leider nur über Videoanrufe sehen. „Aber er ist immer noch so fröhlich – einfach ein kleiner Wonneproppen.“
Fabricé kann nur überleben, wenn es irgendwo auf der Welt einen Menschen mit nahezu gleichen Gewebemerkmalen gibt, der zur Stammzellspende bereit ist. Und um Fabricé bei der Suche nach einem passenden Spender zu unterstützen, rufen seine Familie und die Gemeinde Bibertal gemeinsam mit der DKMS dazu auf, sich als potenzieller Stammzellspender zu registrieren. „Es ist es auf jeden Fall wert, einen gesunden Teil von sich an jemanden zu geben, der ohne diese Stammzellen nicht überleben kann“, sagt Vater René. „Schließlich kann diese Krankheit jeden treffen.“
Aktuell gibt es wegen der Corona-Pandemie keine Typisierung vor Ort, doch auch online gibt es die Möglichkeit, sich registrieren zu lassen. Wer gesund und zwischen 17 und 55 Jahre alt ist, kann sich auf der Internetseite der DKMS ein kostenloses Registrierungsset bestellen. Daraufhin bekommt man ein Päckchen mit drei Wattestäbchen zugeschickt. Mit diesen Stäbchen nimmt man an der Wangeninnenseite Abstriche und sendet diese wieder an die DKMS zurück. Das Zurückschicken werde immer wieder vergessen, sei jedoch wichtig, betont Olesia Schweizer von der DKMS. „Eine Bestellung ist noch keine Registrierung.“Die Proben werden im Labor ausgewertet. „So lässt sich anhand der Gewebemerkmale bestimmen, ob man als Spender infrage kommt“, erklärt Schweizer. Stimmen genug Merkmale überein, wird zur Sicherheit noch einmal Blut abgenommen.
„Ich weiß, dass irgendwo da draußen ein passender Spender für Fabricé ist“, ist Rebecca überzeugt. Fabricés Mutter schreibt: „Auch wenn mit der Diagnose für uns eine Welt zusammengebrochen ist, schöpfen wir Kraft aus der Stärke unserer Kinder und dem positiven Denken, dass alles gut wird.“
Die Familie möchte nicht beim vollen Namen genannt werden.
So können Sie helfen
Die DKMS hat unter dem Namen „Wonneproppen sucht Helden!“eine eigene Registrierungsaktion für Fabricé ins Leben gerufen.
Unter www.dkms.de/fabrice-kaempft kann man ein Registrierungsset bestellen.