Neu-Ulmer Zeitung

Gemeinscha­ft mit beschränkt­er Haftung

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Europäisch­e Union

Die EU-Staaten bewilligen ein milliarden­schweres Hilfspaket – Euro-Bonds spielen keine Rolle mehr

zuerst Frankreich und Spanien und am Dienstagab­end auch Italien von den Forderunge­n nach Coronaoder Eurobonds abgerückt waren, entspannte sich die Lage. Giuseppe Conte, Chef der Regierung in Rom, hatte lediglich noch gefordert, dass jeder neue Plan „die Charakteri­stika beinhalten muss, die wir fordern“. Konkret: Italien will (inklusive Eigenantei­l) 78 Milliarden Euro als Anschub für seine Wirtschaft haben. Außerdem meldeten Frankreich, Spanien, Griechenla­nd und Portugal Forderunge­n an, während Schweden, die Niederland­e und Österreich zurückhalt­end bleiben. Deutschlan­d betonte nur, man erwarte einen Erfolg, der allen nütze.

Zwei Vorschläge lagen auf dem Tisch, beide muss die Kommission nun prüfen. Da ist zunächst der von Frankreich angeregte Wiederaufb­au-Fonds, strikt befristet und finanziert aus gemeinsame­n Anleihen, jedoch ohne gegenseiti­ge Haftung. Die favorisier­te Lösung kam jedoch aus dem Hause Von der Leyen und stellt eine Kombinatio­n aus diversen Komponente­n dar. Sie sprach am Abend von einem Auftrag des EU-Gipfels, „neue innovative Finanzinst­rumente einzusetze­n“. Ausgangspu­nkt des Von-derLeyen-Modells ist der mehrjährig­e Finanzrahm­en für die Jahre 2021 bis 2027, für den es vor der Krise Zusagen

über eine Billion Euro gab. Die Mitgliedst­aaten sollen einen deutlich höheren als den bisher geplanten Beitrag für die Gemeinscha­ftskasse zusagen, aber nicht die ganze Summe bezahlen. Der Rest würde von der Kommission als Bürgschaft hinterlegt. Die Verwaltung könnte damit am Finanzmark­t etliche hundert Milliarden Euro wegen der Rücklage zu günstigen Zinsen aufnehmen und an die Mitgliedst­aaten verteilen. Damit müsste kein Staat für die Schulden des anderen einstehen, was die EU-Verträge ohnehin nicht zulassen. Die Gemeinscha­ft wäre auch künftig, ganz nach dem Geschmack der Kanzlerin, ein Klub mit beschränkt­er Haftung.

Doch es bleiben zahlreiche Probleme – wie beispielsw­eise die Frage, nach welchem Schlüssel die Gelder aufgeteilt werden und ob sie nur als Darlehen oder als Geschenk gelten sollen. Die besonders von der Krise betroffene­n Mitglieder Spanien, Italien und Griechenla­nd lehnen rückzahlba­re Kredite ab. Die Nordlichte­r wollen keine Präsente verteilen. Anderersei­ts wissen sie aber auch: Sollten Rom, Athen und Madrid irgendwann mit ihrer Staatsvers­chuldung bei fast 200 Prozent der Jahreswirt­schaftslei­stung liegen, könnten sie die Darlehen ohnehin nicht mehr bedienen. Also kann man ihnen gleich Zuschüsse geben. Nach der gestrigen VideoGipfe­l-Konferenz wird man im Hause Von der Leyen zu rechnen beginnen. Wie viel Geld wird überhaupt gebraucht? 500 Milliarden, eine Billion oder sogar 1,5 Billionen? Bundeskanz­lerin Angela Merkel warnte nach der Videokonfe­renz davor, sich schon jetzt auf eine konkrete Summe festzulege­n: „Wir wissen ja noch gar nicht, wie sich der Tourismus entwickelt? Oder wie viele neue Autos gekauft werden?“

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Foto: dpa Ursula von der Leyen hofft auf mehr Geld für die EU.

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