Der Mann, der frischen Wind in die Oper brachte
Nachruf
Sir Peter Jonas führte als Intendant die Bayerische Staatsoper in eine künstlerisch neue Zeit
München Einen Moment lang galt die Aufmerksamkeit an diesem Abend letzten Juli im Münchner Prinzregententheater nicht der „Agrippina“-Premiere, sondern dieser dünnen, langen Gestalt, nach der sich viele Köpfe wendeten: Sir Peter Jonas war noch einmal zu den Opernfestspielen gekommen. Wie hätte es anders sein sollen: München und Händel – ohne Sir Peter wäre das gar nicht stimmig gewesen.
Denn das hat sich eingegraben ins Bewusstsein nicht nur der Münchner, sondern der internationalen Musiktheaterszene: Die HändelRenaissance an der Bayerischen
Staatsoper in den 1990er Jahren, zustande gebracht von eben diesem Mann aus London, in dem sich britische Coolness und Leidenschaft für die Klassik so unvergleichlich mischten. Nachdem die Staatsoper bis dahin in Würden dämmerte über der Pflege ihrer Hausgötter Mozart, Wagner und Strauss, ploppte dank Jonas nun das zuvor sträflich vernachlässigte Barockopern-Repertoire auf die Bühne. In frischen, frechen, bisweilen skurrilen Inszenierungen, die Jonas Regisseuren wie David Alden, Richard Jones oder David Pountney übertrug, mit denen er zuvor schon in England zusammengearbeitet hatte. Und siehe da, mit dem neuen szenischen Wind wehte auch ein neues Publikum ins Auditorium des Nationaltheaters, jünger, auch lässiger, wie Jonas selbst – für das bis dahin als gehoben konservativ geltende Haus nachgerade eine Revolution.
Sir Peter – Queen Elizabeth II. erhob ihn 1999 in den Adelsstand – hatte beruflich nur wenige Stationen zu verzeichnen. Georg Solti hatte ihn 1973 für Betriebsaufgaben zum Chicago Symphony Orchestra geholt, elf Jahre später wurde er Direktor der National Opera in London, wo er sich seinen Ruf erwarb als Mann der Innovation. 1993 wechselte er an die Bayerische Staatsoper, die er als Intendant bis 2006 leitete. Dem Haus blieb er auch nach seinem Ausscheiden herzlich verbunden, immer wieder schaute er zu Premieren vorbei und lobte, wo er nur konnte, den Rang der Münchner Oper.
Schon seit seinen jungen Jahren war Jonas vom Krebs geplagt, dessen Zumutungen er mit stoischer Geduld, ja sogar mit Humor ertrug. Die Krankheit hat ihn nicht abgehalten von einem großen persönlichen Projekt, das er nach Ende seinem Berufsleben in Angriff nahm und noch zu Ende bringen konnte: der Durchwanderung Europas zu Fuß von Schottland bis nach Sizilien. Am Mittwoch ist Peter Jonas 73-jährig dem langen Kampf gegen den Krebs erlegen.