Die Ruderinnen von Venedig
Corona-Pandemie In der italienischen Lagunenstadt ist es so still wie lange nicht. An Land wie auf den Kanälen. Wie ein paar Frauen dort ihren Mitbürgern in Quarantäne-Zeiten helfen
Venedig Voga klingt ein bisschen wie Yoga. Und ganz daneben liegt man nicht, wenn man die Fortbewegung auf dem traditionellen venezianischen Ruderboot, das mit der Gondel verwandt ist, mit Entspannungsübungen vergleicht. Vor allem in diesen Tagen. Die Touristenmetropole Venedig ist menschenleer. Und weil so wenige Motorboote unterwegs sind, die den Grund der Kanäle aufwühlen, ist das Wasser kristallklar. Fische sind zu sehen und sogar Quallen. Normalerweise müssen die Ruderer auf die vielen Wassertaxis und den von ihnen verursachten Wellengang achtgeben. Jetzt haben die Liebhaber der ältesten Fortbewegungsart Venedigs die Lagunenstadt für sich – und für den Warentransport.
Denn dafür benutzen Elena Almansi und fünf Freundinnen ihre Boote in diesen Krisenzeiten: Sie liefern Lebensmittel in der durch die Quarantäne abgeschotteten Stadt aus. „Es klingt komisch angesichts des Corona-Notstandes, aber für uns geht gerade ein Traum in Erfüllung“, sagt die 27-jährige Almansi. Noch gilt die Ausgangssperre in Italien, und auch Freizeitbeschäftigungen wie Rudern sind untersagt. Was jedoch nicht für Almansi und ihre
Freundinnen gilt. Die verbinden schließlich ihre Voga-Leidenschaft mit dem Dienst an der Allgemeinheit. Zumal sie gerade ohnehin mit Voga-Kursen für Touristen für 40 Euro die Stunde kein Geld verdienen können.
Seit ein paar Wochen fahren sie nun schon für drei Betriebe vom Festland Lebensmittel in der Lagunenstadt aus. Auch sechs Restaurants machen von ihren Botendiensten Gebrauch und lassen Gerichte ausliefern. „Wir helfen den HerstelDann
Seit zwei Monaten kämpft Italien nun bereits mit der Corona-Pandemie. Ab 4. Mai sollen jetzt die Sperrmaßnahmen im ganzen Land gelockert werden. Zunächst sollen 2,8 Millionen Italiener an ihre Arbeitsplätze zurückkehren dürfen. Auch Spaziergänge in Parks oder Sport auf der Straße soll dann wieder möglich sein.
Ministerpräsident Giuseppe Conte warnt allerdings davor, zu rasch zur Normalität zurückzukehren. „Ich wünschte, ich könnte sagen: Wir öffnen alles wieder. Sofort“, schrieb er vor kurzem. Italien riskiere damit aber,
die Fortschritte im Kampf gegen Corona wieder einzubüßen.
lern, wir helfen den Kunden und kommen dabei auch auf unsere Kosten“, fasst es Jane Caporal zusammen. Die Engländerin gründete 2009 den Ruderinnenklub „Row Venice“. Ein Signal, gewissermaßen, in einer Stadt, deren RuderSzene sich fest in Männerhand befindet. Vom Geschäft mit den Gondeln ganz zu schweigen.
Und so treffen sich die Frauen mit ihren drei Booten jetzt also morgens an der Piazzale Roma am Canal Grande und laden die Ware ein.
Seit Ende Februar gab es in Italien rund 25 000 Covid-19-Tote. Der Anstieg der Neuinfektionen geht inzwischen deutlich zurück. Am Mittwoch wurden 3370 gemeldet. Das entspricht einem Anstieg von rund einem Prozent. Insgesamt wurden
187 000 Menschen positiv auf SarsCoV-2 getestet, etwa 55 000 sind genesen. Bei Neuansteckungen liegt die besonders betroffene Lombardei weiter vorne. Hier werden täglich gut 1000 Neuansteckungen registriert.
Ermutigende Signale kommen aus den norditalienischen Krankenhäusern:
Dort hat sich die Lage auf den Intensivstationen entspannt. (jmm)
rudern sie los. Ein so seltsames wie beglückendes Erlebnis, ein aufs andere Mal. Selten hätten sie das Eintauchen ihrer Ruder ins Wasser so deutlich vernommen wie in diesen Tagen, erzählen sie. „Gestern sind wir unter der Seufzerbrücke hindurchgefahren“, schwärmt Elena Almansi. Unter normalen Umständen ist das wegen des Verkehrs undenkbar. Sogar am Bacino Orseolo hinter dem Markusplatz legten sie an. Dort drängeln sich üblicherweise die Gondeln und die Touristen. Almansi ist eine „campionessa“, also eine Voga-Meisterin, die sich in der vielleicht 3000 Ruderer umfassenden Szene einen Namen gemacht hat. „So leer wie jetzt war die Stadt vor 200 Jahren zuletzt“, sagt sie.
In der Tat: Venedig ist wie in Watte gepackt. Von den mehr als 25 Millionen Touristen, die die Stadt pro Jahr regelrecht überschwemmen, keine Spur. Nur noch die rund 55000 Venezianer sind hier. Auch wenn sie für die nötigsten Verrichtungen das Haus verlassen dürfen, lernen sie ihr Zuhause gerade auf eine ganz neue Art und Weise kennen. Zu Land und zu Wasser. „Es wäre schön, wenn etwas von diesem entschleunigten Venedig auch nach der Quarantäne übrig bleibt“, sagt die Ruderin Jane Caporal.
Die Corona-Lage in Italien entspannt sich allmählich