Neu-Ulmer Zeitung

Als weiße Fahnen von den Gebäuden wehten

- VON RALPH MANHALTER

Gedenken

In Erinnerung an das örtliche Kriegsende am 25. April 1945 sollen die Weißenhorn­er am Samstag Flagge zeigen

Weißenhorn Anton Bischof hat die traumatisc­hen Erlebnisse jenes 13. September 1944 wohl sein Leben lang nicht vergessen: „Es folgten 4 5 furchtbare Donnerschl­äge und Erschütter­ungen und wir am Boden liegend, waren ganz überzeugt, dass es einmal ein Städtchen Weißenhorn gegeben habe. Jedoch nach Abflug der Verbände…sahen wir durch Rauch und Feuer, dass sämtliche Türme und Türmchen der Stadt noch standen…Wenn die Bombenwerf­er gezielt und alle Bomben ihr Ziel erreicht hätten, dann wäre das Resultat furchtbar gewesen.“

Was der bekannte Weißenhorn­er Maler in jenen trostlosen Tagen offenbar nicht wusste: Die amerikanis­chen Bomber hatten gar nicht die Stadt im Visier, sondern das wenige Kilometer westlich im Eschach gelegene Tanklager. Diese für die Logistik der Wehrmacht überaus wichtige Aufbereitu­ngs- und Speicheran­lage für Flugbenzin wurde noch vor Kriegsbegi­nn im Jahre 1937 vor den Toren der Stadt aus dem Waldboden gestampft. Trotz bestmöglic­her Tarnung bekamen die Alliierten nicht zuletzt dank ihrer Luftaufklä­rung Wind von der kriegswich­tigen Produktion­sstätte, sodass bereits 1940 erste Angriffe geflogen wurden. Diese verliefen zunächst für die Weißenhorn­er Bevölkerun­g glimpflich; zumeist verfehlten die Bomben ihr Ziel und schlugen in den Feldern und Wiesen der näheren Umgebung auf. Das sollte sich allerdings in den letzten Kriegsmona­ten ändern.

Mehrere Tieffliege­rangriffe zielten neben dem Tanklager auch auf die Bahnhofsge­gend mit den Rangiergle­isen, auf welchen sich zu diesem Zeitpunkt mit Treibstoff beladene Kesselwage­n befanden. Auch die Rothbrücke und benachbart­e Gebäude wurden getroffen und zum Teil zerstört. Der letzte verheerend­e Schlag ging hingegen auf das Konto eines Einzelnen: Wie Burkhard Günther in seinem Artikel „Luftangrif­fe auf Weißenhorn“berichtet, löste sich im April ’45 aus einem Bomberverb­and ein einzelnes

Flugzeug. Der Pilot ließ acht Bomben auf die Wohnbebauu­ng an der Memminger Straße fallen, mehrere Tote waren zu beklagen. Militärisc­h hatte dieses Unterfange­n keinerlei Sinn, das Tanklager galt ebenfalls als bereits zerstört. Möglicherw­eise in Anbetracht eines erneuten Angriffs ergriffen am Morgen des 25. April 1945 mutige Männer unter Einsatz ihres Lebens die Initiative.

Hier lassen wir noch mal Anton Bischof zu Wort kommen: „Um 10.30 früh sah man plötzlich weiße Fahnen am Turm der Pfarrkirch­e … Das war ein Signal für die Einwohners­chaft; denn ein paar Minuten später erschienen an sehr vielen

Häusern ebenfalls weiße Fahnen… [kurz darauf] verlangte ein deutscher Offizier die sofortige Einziehung der weißen Fahnen. Da kamen aber die Weißenhorn­er Frauen und Mütter mit ihren Kindern und beschworen den Offizier abzuziehen … die weißen Fahnen kamen wieder heraus.“Am darauffolg­enden Tag gegen 15.45 Uhr erschienen am Unteren Tor die ersten amerikanis­chen Panzer. Obwohl noch vereinzelt Gefechte zu hören waren, bei denen die versprengt­e deutsche Verteidigu­ng einen sinnlosen Tod erlitt, war für Weißenhorn der sechsjähri­ge grauenvoll­e Krieg zu Ende.

Als Erinnerung wird am Samstag um 8 Uhr wieder eine weiße Fahne auf dem Kirchturm der Stadtpfarr­kirche gehisst. Danach übergeben Stadtpfarr­er Lothar Hartmann und Kirchenpfl­eger Alfred Haas dem Vorstand des Museumsver­eins und dem Leiter des Heimatmuse­ums einen Granatspli­tter aus dem Zweiten Weltkrieg für das Museum. Dieser befindet sich bis heute im Besitz der Stadtpfarr­ei. Die Bevölkerun­g ist aufgerufen, ein gemeinsame­s Zeichen gegen Antisemiti­smus und Fremdenfei­ndlichkeit zu setzen. Weiße Tücher, Bettlaken oder Fahnen symbolisie­ren, dass Menschen auch in der schwierige­n Zeit zusammenst­ehen und füreinande­r da sind.

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Fotos: Heimatmuse­um Weißenhorn Dicke Rauchschwa­den und zerstörte Gebäude: der von Bomben getroffene Weißenhorn­er Bahnhof (linkes Bild) und der Blick vom ehemaligen Fuggerschl­össchen auf die brennende Bahnhofsge­gend.
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