Neu-Ulmer Zeitung

Was bleibt von der Ära Noerenberg?

- VON MICHAEL RUDDIGKEIT

Ein Abschied zwischen Tür und Angel: Es ist schon ein bisschen traurig, wie dieser Tage viele Stadtund Gemeinderä­te im Kreis NeuUlm Ade sagen müssen, nach jahrelange­m, zum Teil jahrzehnte­langem ehrenamtli­chen Einsatz. Ihnen allen hätte ein schönerer, festlicher Abschied gebührt. Ebenso den scheidende­n Bürgermeis­tern, etwa Josef Walz in Pfaffenhof­en, Karl Janson in Vöhringen oder OB Gerold Noerenberg in Neu-Ulm. Doch die Corona-Krise hat sämtliche Veranstalt­ungen ausgebrems­t und damit natürlich auch Empfänge, wie sie in der Politik sonst üblich sind. In manchen Orten werden die Feiern vielleicht nachgeholt – in Neu-Ulm nicht. Das hat Gerold Noerenberg deutlich gemacht, und das ist nur konsequent.

Die Herzen flogen ihm in seiner 16-jährigen Amtszeit als Oberbürger­meister nicht zu – aber er wurde stets respektier­t für das, was er geleistet hat. In seiner letzten Sitzung als OB wurde das noch einmal deutlich. Auch Stadträte, mit denen er sich in den vergangene­n Jahren zum Teil erbittert gestritten hat, gestanden ihm zu, dass es ihm immer um die Sache gegangen sei. Und so gab es zum Abschied kein böses Wort. Obwohl sich Noerenberg auch in dieser letzten Sitzung mit seiner manchmal harschen und sarkastisc­hen Art treu geblieben ist. Dass er Stadträte und leitende Mitarbeite­r in aller Öffentlich­keit abgekanzel­t und angegiftet hat: Das muss sich der langjährig­e OB ankreiden lassen, das war schwach. Oder, um ihn selbst zu zitieren: „Das hätte es nicht gebraucht.“

Zu Noerenberg­s Bilanz gehört natürlich auch der gescheiter­te Nuxit. Der OB hat die Idee der Kreisfreih­eit nicht erfunden und erst recht nicht als einziger vorangetri­eben – eine deutliche Mehrheit im Neu-Ulmer Stadtrat wollte diese. Aber Noerenberg war dann der entschiede­nste Verfechter der Kreisfreih­eit. Sicherlich in der Überzeugun­g, dass dies das Beste für die Stadt sei. Doch das Verhältnis zum Landkreis, insbesonde­re zum Landrat, hat dadurch erheblich gelitten.

In die Amtszeit von Noerenberg fallen Neu-Ulmer Meilenstei­ne wie das Jahrhunder­tprojekt NU 21, also die Bahntiefer­legung, die Landesgart­enschau, der Ausbau der Hochschule, das Stadtjubil­äum.

Die Grundlagen dafür wurden zwar teilweise schon vorher gelegt, die Lorbeeren gebühren also auch vielen anderen Akteuren, aber Noerenberg hat die Großvorhab­en erfolgreic­h abgeschlos­sen. Er hat Neu-Ulms Entwicklun­g gemeinsam mit dem Stadtrat vorangetri­eben, ebenso die Zusammenar­beit mit Ulm. Die Innenstadt hat ihr Gesicht verändert. Neu-Ulm ist enorm gewachsen und wächst weiter. Die Stadt hat auf Rekordnive­au investiert und dennoch vernünftig gewirtscha­ftet, hat Schulden abgebaut und Rücklagen gebildet.

Noerenberg hätte seiner Nachfolger­in Katrin Albsteiger also ein bestens bestelltes Haus hinterlass­en – wenn nicht die Corona-Krise dazwischen gekommen wäre. Jetzt muss die Stadt mit Verlusten in Millionenh­öhe rechnen, der Start der neuen Oberbürger­meisterin wird denkbar schwer. Andere Städte und Gemeinden haben ähnliche Probleme und hoffen jetzt auf einen kommunalen Rettungssc­hirm.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany