Wie Gänserich Welax das Kriegsende erleichterte
Kurt A. Detzer, Augsburg
Im Mai 1945 war ich neun Jahre alt und erlebte das Kriegsende auf einem Moosbauernhof in Eschenried. Dort marschierten am 29. April 1945 amerikanische Panzertruppen durch: Ich erinnere mich genau, wie ein Jeep mit vier farbigen Soldaten in Kampfuniform in den Hof einfuhr. Die Bauerntochter Rosi – damals 17 – schrieb später: „Meine Eltern und wir vier Kinder waren auf dem Anwesen in Eschenried, als die Amerikaner anrückten. Die Soldaten kamen in unseren Hof, baumlange Kerle. Einer verlangte Eier. Meine Mutter holte einen Korb voll…“In meiner Erinnerung ging der Soldat mit in den Speis und nahm alle vorhandenen Eier mit. Auf dem Bauernhof konnten wir auf Dauer nicht bleiben. Aber wir hatten keine Wohnung und keine Möbel mehr.
Als provisorische Unterkunft über den Sommer diente uns ein Holzhäuschen in einem Gartengrundstück am Rande der Stadt. Das war ein idealer Ort, um Gemüse zu pflanzen, etwas Obst von den vorhandenen Bäumen zu ernten und auch einige Tiere, die wir aus Eschenried erhielten, zumindest kurzzeitig zu halten, darunter zwei Schafe und ein Huhn.
Letzteres schenkte uns – meine Mutter wollte es gar nicht glauben – tatsächlich jeden Tag ein Ei. Und da war Welax. Mein Vater hatte ihn, den jungen Gänserich, auf dem
Fahrrad von Eschenried mitgebracht. Ganz wie Konrad Lorenz es später beschrieb, erwählte er mich zu seinem Herdenbruder und wurde so zu meinem besten Freund in jener Zeit: Wir rannten durch das große Grundstück und planschten mit viel Geschrei im kleinen Wasserbecken.
Mein Vater – der wie durch ein Wunder der Kriegsgefangenschaft entging – war in dieser Zeit nicht untätig. Das Wichtigste war, für den ersten Winter nach dem Krieg wieder eine Wohnung herzurichten. Das Gartenhäuschen war so gut wie nicht beheizbar und darüber hinaus zu eng. In Schwabing, meinem eigentlichen Zuhause, war bei einem Luftangriff der größte Teil unseres Hauses weggesprengt worden. Die SpenglerWerkstatt meines Vaters im Keller war unversehrt geblieben, ebenso wie all die Materialien, die ein Handwerker damals auf Lager hielt. Dies waren unschätzbare Werte für Kompensationsgeschäfte und insbesondere auch für neue Arbeit für meinen Vater.
Dort, wo die Mauern noch standen, errichtete mein Vater ein Provisorium, in dem wir den Winter 1945/46 verbrachten. Der Wiederaufbau begann nicht – wie vielfach behauptet – als Stunde null, sondern unter Verwendung alter Fundamente, Leitungen, Mauerreste, Ziegeln und was man sonst noch „organisieren“konnte.