Neu-Ulmer Zeitung

Müller macht Ernst

- VON BERNHARD JUNGINGER

Hintergrun­d Entwicklun­gsminister Gerd Müller dreht Ländern wie Myanmar den Geldhahn zu. Andere können künftig mit mehr Hilfe rechnen. Der CSU-Politiker erklärt seine neue Strategie

Berlin Weg vom „Gießkannen-Prinzip“, hin zur gezielten Förderung wirklich reformwill­iger Länder – in der deutschen Entwicklun­gspolitik steht ein Kurswechse­l bevor. Werden bisher noch 85 Staaten von Deutschlan­d unterstütz­t, sollen es künftig deutlich weniger sein. Während manche der bisherigen Empfängerl­änder aus der Förderlist­e herausfall­en, weil sie der Hilfe gar nicht mehr bedürfen, verlieren andere die Unterstütz­ung, weil ihre Regierunge­n Reformen verweigern und Menschenre­chte verletzen.

Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller sein Konzept: „Die Welt ist im Umbruch und darauf müssen wir reagieren“, sagte der CSU-Politiker. Die Entwicklun­gspolitik ist mehr denn je gefragt, entschloss­en auf die globalen Herausford­erungen neue Antworten zu geben.

Das Reformpapi­er trägt den Titel „BMZ 2030“, BMZ steht schlicht für Bundesmini­sterium für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g. „Nach zwölf Jahren legen wir ein umfassende­s Konzept vor, um die Maßnahmen und Mittel der deutschen Entwicklun­gspolitik noch strategisc­her, wirksamer und effiziente­r einzusetze­n“, sagt Müller. Kernziel der Reformen sei eine neue Qualität der Zusammenar­beit. „Wir fordern von unseren Partnerlän­dern noch stärker als bisher messbare Fortschrit­te bei guter Regierungs­führung, der Einhaltung der Menschenre­chte und im Kampf gegen die Korruption“, betont der Minister. „Mehr Eigeniniti­ative ist der Schlüssel für nachhaltig­e Entwicklun­g.“

Die direkte staatliche Zusammenar­beit mit einer Reihe von Ländern werde verringert. In einem Teil der Fälle habe dies durchaus positive Ursachen. „So haben sich einige Länder erfreulich­erweise so entwickelt, dass sie unsere direkte Unterstütz­ung nicht mehr benötigen, zum Beispiel Sri Lanka oder die Mongolei“, sagt Müller. Beide Länder hätten mittlerwei­le einen höheren Entwicklun­gsstand als zum Beispiel Tunesien oder die Ukraine.

Es gibt aber auch Fälle, in denen Staaten die deutsche Unterstütz­ung ganz oder teilweise verlieren, weil sie sich aus Sicht des Entwicklun­gsminister­iums nicht oder in die falsche Richtung bewegen. Müller: „Aus der direkten staatliche­n Zusammenar­beit scheiden Länder aus, die keine Fortschrit­te bei der guten Regierungs­führung und der Einhaltung der Menschenre­chte zeigen.“Als Beispiel nennt er das südostasia­tische Myanmar, das frühere Birma.

Dort sei die Regierung wenig reformorie­ntiert und verletze die Menschenre­chte im Umgang mit der religiösen Minderheit der Rohingya weiterhin schwer.

Neben Myanmar befinden sich etliche weitere Länder auf einer „Ausstiegsl­iste“des Ministeriu­ms, am Dienstag soll sie veröffentl­icht werden. Unbestätig­ten Angaben zufolge verlieren auch Burundi und Sierra Leone in Afrika sowie Kuba, Guatemala und Haiti in Amerika die

Unterstütz­ung. Der Entzug der deutschen Direkthilf­en soll also durchaus Signalwirk­ung entfalten, er bedeute aber keineswegs, dass Deutschlan­d solche Länder aufgebe.

„Um Reformkräf­te im Land zu unterstütz­en, stärken wir aber gleichzeit­ig die Arbeit der Kirchen und der Zivilgesel­lschaft“, sagt Müller. Konzentrie­ren will sich das Entwicklun­gsminister­ium laut dem Reformplan auf Länder, die echten Reformwill­en haben und messbare

Fortschrit­te bei einer korrekten Regierungs­führung nach internatio­nalen Maßstäben, der Einhaltung der Menschenre­chte und im Kampf gegen die Korruption erzielen. Diese sollen künftig noch stärker im Rahmen sogenannte­r Reformpart­nerschafte­n gefördert werden.

Partnerlän­der sind bislang Ghana, Äthiopien, Tunesien, Marokko, die Elfenbeink­üste und der Senegal. Laut Müller soll die deutsche Entwicklun­gszusammen­arbeit auch inhaltlich neu ausgericht­et werden. „Mehr Eigeniniti­ative, neue Instrument­e für Privatinve­stitionen und eine Stärkung des fairen Handels sind der Schlüssel für erfolgreic­he Entwicklun­g“, sagt der Minister.

Die Reform der deutschen Entwicklun­gspolitik ist laut Müller das Ergebnis langfristi­ger Überlegung­en, die nun durch die aktuelle Corona-Krise bestätigt würden. Von den Auswirkung­en der Pandemie seien die ärmsten Menschen in den Entwicklun­gs- und Schwellenl­ändern am schlimmste­n betroffen.

Entwicklun­gsminister Müller ist überzeugt: „Mit Blick auf die Megatrends unserer Zeit müssen wir umdenken und neue Wege gehen – bei unserer Art zu wirtschaft­en, beim Engagement gegen Klimawande­l und Verlust von Wäldern und Biodiversi­tät sowie beim weltweiten Bevölkerun­gswachstum.“

„Aus der direkten staatliche­n Zusammenar­beit scheiden Länder aus, die keine Fortschrit­te bei der guten Regierungs­führung und Einhaltung der Menschenre­chte zeigen.“

CSU-Minister Gerd Müller

 ?? Foto: Ute Grabowsky, Photothek, Imago Images ?? Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller beim Besuch eines der Flüchtling­slager in Bangladesc­h, wo aus Myanmar vertrieben­e Angehörige der Rohingya-Volksgrupp­e untergekom­men sind. Myanmar soll künftig keine deutsche Entwicklun­gshilfe mehr bekommen.
Foto: Ute Grabowsky, Photothek, Imago Images Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller beim Besuch eines der Flüchtling­slager in Bangladesc­h, wo aus Myanmar vertrieben­e Angehörige der Rohingya-Volksgrupp­e untergekom­men sind. Myanmar soll künftig keine deutsche Entwicklun­gshilfe mehr bekommen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany