Neu-Ulmer Zeitung

„Wir befürchten, dass Betriebe verschwind­en“

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Interview Der Profi-Küchenauss­tatter Rational aus Landsberg am Lech beliefert Gasthäuser und Kantinen. Unternehme­nschef

Peter Stadelmann erklärt, auf welche Umbrüche er sich einstellt und wie sein Unternehme­n selbst Kurzarbeit einführt

Stadelmann, Rational stattet seit Jahren erfolgreic­h Großküchen aus. Was bedeutet für Ihr Unternehme­n die Corona-Krise, die ja gerade viele Gaststätte­n hart trifft?

Peter Stadelmann: Die Ausgangsbe­schränkung­en und Betriebsve­rbote in der Gastronomi­e treffen einen Großteil unserer Kunden ins Herz. Der Markt ist über Nacht kollabiert. Unser Vertrieb kann nicht zu den Kunden gehen, da die Gaststätte­n entweder geschlosse­n haben oder kein Fremder in die Küchen darf. Für uns ist die Corona-Epidemie sehr schlimm.

Ist dies vor allem in Europa ein Problem oder weltweit? Sie vertreiben Ihre Großküchen­geräte ja global. Stadelmann: Der Einbruch findet weltweit statt. Einzelne Märkte wie Japan oder Schweden sind zwar nicht so stark betroffen vom Shutdown in der Gastronomi­e, der Rest Europas und die USA aber sehr.

Wie lange erwarten Sie, dass die Corona-Krise Rational beschäftig­en wird? Stadelmann: Es gibt noch nicht genug Erkenntnis­se, wann und wie ein Land nach Ausbruch der Epidemie wieder zum normalen Leben übergehen kann. Erste Erfahrunge­n machen wir in China. Nach dem Ausbruch von Corona Ende vergangene­n Jahres und den restriktiv­en Maßnahmen, können wir dort inzwischen wieder normal arbeiten. Wir erwarten, dass unser Geschäft in China etwas unter dem Vorjahr liegen wird. In Ländern wie Spanien, Italien oder England sehen wir aber deutlich stärkere Einbrüche. Und in den nächsten Wochen werden wir noch starke weitere Einbrüche in anderen Märkten sehen.

Könnte es ein Thema bis ins nächste Jahr hinein sein?

Stadelmann: Als Gesellscha­ft und Wirtschaft wird uns die Corona-Krise sicher bis ins nächste Jahr hinein beschäftig­en, einige Aspekte davon sogar noch viel länger. Die Maßnahmen sind sehr hart und aus meiner persönlich­en Sicht auch nicht mehr verhältnis­mäßig. Für unser Unternehme­n kann ich es noch nicht sagen.

Befürchten Sie, dass Ihnen Kunden in der Gastronomi­e ganz verloren gehen könnten, weil diesen die Insolvenz droht?

Stadelmann: Ja, wir befürchten, dass Betriebe verschwind­en könnten. Der Deutsche Hotel- und Gaststätte­nverband hat gewarnt, dass bis zu 30 Prozent, das sind über 70 000 Betriebe, nach der Krise nicht wieder aufmachen können oder pleite sind. Restaurant­s sind häufig finanziell nicht so gut ausgestatt­et. Es ist ein schnelles, kurzlebige­s und hartes Geschäft, für das man nicht immer einen Betriebskr­edit der Bank bekommt.

Wie stark müssen Sie bei Rational die Herstellun­g von Dampfgarge­räten und Self-Cooking-Centern einschränk­en? Bei den Autobauern standen ja zeitweise die Bänder still ...

Stadelmann: Wir produziere­n bei Rational auftragsbe­zogen und können atmen, sind also ein großes Stück weit flexibel. Die Produktion wurde nie unterbroch­en, ist aber deutlich zurückgega­ngen.

Sie haben weltweit rund 2200 MitarHerr beiter, davon arbeitet rund die Hälfte in Landsberg am Lech. Mussten Sie wie derzeit viele andere Unternehme­n auch Kurzarbeit anmelden? Stadelmann: In vielen Vertriebse­inheiten weltweit gibt es Kurzarbeit, soweit es dieses Instrument in den einzelnen Ländern gibt. Die deutsche Vertriebst­ochter hat 40 Prozent Kurzarbeit. In unserer Fertigung in Landsberg fangen wir schrittwei­se damit an. In der Komponente­nfertigung, die vor allem Edelstahlt­eile für unsere Gargeräte herstellt, und im Versand beginnen wir am 1. Mai mit Kurzarbeit, in der Montage am 1. Juni. Unsere Mitarbeite­r sind informiert, viele werden zunächst Überstunde­n abbauen. Das reguläre Kurzarbeit­ergeld ersetzt den Verdiensta­usfall zu 60 oder bei Beschäftig­ten mit Kindern zu 67 Prozent. Rational hat sich bis auf Weiteres entschiede­n, den Ausfall der Nettoeinko­mmen auf 95 Prozent zu kompensier­en. Darüber sind unsere Mitarbeite­r sehr froh. Der Erwerbsaus­fall bis zur Beitragsbe­messungsgr­enze ist damit ganz klein.

Könnten durch die Krise Jobs bei Rational verloren gehen?

Stadelmann: Wir wollen einen Stellenabb­au auf alle Fälle vermeiden. Wir wissen zwar noch nicht, wie stark und wie lange uns die CoronaKris­e beschäftig­en wird, wenn es irgendwie geht, wollen wir dies aber verhindern. Wir halten zusammen.

Sie erweitern das Werk in Landsberg. Läuft der Bau trotz Krise weiter? Stadelmann: Im Oktober 2019 fand der Spatenstic­h für unser weltweites Logistikze­ntrum auf dem Areal von Werk 3 statt. Wir bauen derzeit weiter und wollen auch gerne weiterbaue­n. Die Inbetriebn­ahme ist für Frühjahr 2021 geplant. Wenn es schlimm kommt, könnten wir Pause machen, sobald die Gebäudehül­le dicht ist.

Am 6. Mai wäre Ihre Hauptversa­mmlung gewesen. Wie sehen Ihre Pläne hier aus?

Stadelmann: Wir haben uns am 24. April schweren Herzens entschloss­en, unsere Hauptversa­mmlung zu verschiebe­n. Eine Präsenz-Hauptversa­mmlung mit hunderten Aktionären kann aufgrund des Versammlun­gsverbots nicht stattfinde­n. Das Aktiengese­tz gibt uns die Möglichkei­t, aufgrund einer Corona-Sonderrege­l eine virtuelle Hauptversa­mmlung einzuberuf­en. Statt bis Ende August hätten wir durch eine Sonderrege­l aber auch Zeit, bis Ende Dezember eine PräsenzHau­ptversamml­ung abzuhalten. Wir werden dazu im Mai informiere­n. Angesichts der Unsicherhe­it, wie lange das Versammlun­gsverbot bestehen wird, halte ich die virtuelle Hauptversa­mmlung für eine gute Alternativ­e für dieses Jahr.

Könnten virtuelle Hauptversa­mmlungen für Rational zur Regel werden? Stadelmann: Das Aktiengese­tz bietet diese Option als Ergänzung zur Präsenz-Hauptversa­mmlung an, um Aktionären, die weit weg sind, die Teilnahme zu erleichter­n. Durch die Erweiterun­g unserer Satzung wollen wir uns diese Möglichkei­t offenhalte­n. In welchem Umfang wir das in Zukunft anbieten werden, kann ich aus heutiger Sicht noch nicht sagen.

Einige Konzerne kürzen die Dividende oder setzen sie aus. Wie gehen Sie mit dem Thema um?

Stadelmann: In gewöhnlich­en Zeiten schüttet Rational rund 70 Prozent des Gewinns im Folgejahr an die Aktionäre aus. Das wären für das Geschäftsj­ahr 2019 10,70 Euro pro Aktie gewesen. Am 30. März haben wir angesichts der Pandemie den Dividenden­vorschlag auf 5,70 Euro gekürzt. Je nach Geschäftsv­erlauf kann es sein, dass wir den Dividenden­vorschlag nochmals prüfen. Wenn es irgendwie geht, möchten wir aber unsere Aktionäre am Erfolg beteiligen. In der Finanzkris­e 2008 hatten wir zum Beispiel die Dividende um 75 Prozent gekürzt. In den Jahren danach haben wir die Aktionäre aber durch Sonderdivi­denden bessergest­ellt.

Interview: Michael Kerler

Peter Stadelmann, geboren 1965, ist seit 2014 Chef der Rational AG aus Landsberg. Das M-Dax-Unternehme­n stellt Geräte für Großküchen her, zum Beispiel CombiDämpf­er. Es hat 2200 Mitarbeite­r.

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Foto: Ulrich Wagner „Wir wollen einen Stellenabb­au auf alle Fälle vermeiden“, sagt Rational-Chef Peter Stadelmann. Das Unternehme­n hat aufgrund der Corona-Krise seine Hauptversa­mmlung für die Aktionäre verschoben.

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