„Ich hoffe, dass nichts passiert“
Interview
Wegen der Corona-Pandemie waren Gottesdienste verboten. Wie der katholische Pfarrer Ludwig Waldmüller
aus Memmingen diese Zeit erlebte. Und wie er sich auf die jetzigen Lockerungen vorbereitet
Herr Pfarrer Waldmüller, von diesem Montag an dürfen wieder Gottesdienste unter bestimmten Auflagen in Bayern gefeiert werden. Wie setzen Sie das von den katholischen bayerischen Bischöfen gemeinsam erarbeitete Sicherheitskonzept in Ihrer Pfarreiengemeinschaft Memmingen um?
Ludwig Waldmüller: Es sind sehr viele Fragen aufgetaucht, wie wir das lösen sollen. Da braucht es noch ein bisschen Fantasie. Wir haben uns aber entschieden, Gottesdienste nur in der Stadtpfarrkirche St. Josef abzuhalten. Dadurch können wir nicht das ganze Programm anbieten.
Wie gewährleisten Sie den nötigen Sicherheitsabstand von zwei Metern? Waldmüller: Wir werden nur jede dritte Bankreihe mit nummerierten Sitzplätzen öffnen. Das Hauptportal ist der Eingang, die Seitentüren sind die Ausgänge. Der Mittelgang ist zum Nach-vorne-Gehen gedacht, die Seitengänge zum Nach-hintenGehen.
Wie viele Gläubige passen dann noch in die Kirche?
Waldmüller: Normalerweise sind es rund 1000 Plätze. Wir kommen nach den Maßgaben des Sicherheits- und Hygienekonzepts jetzt auf 94 Plätze.
Was muss sonst noch beachtet werden? Waldmüller: Auf Kommunion und Chor müssen wir erst einmal verzichten, da die Gefahr einer Infektion dabei gigantisch ist. Obwohl einige Chormitglieder schon darauf brennen, wieder zu singen. Aber das wird wohl noch lange nicht gehen. Die Gläubigen müssen ihr Gotteslob selbst mitbringen und einen MundNasen-Schutz tragen. Wo wir allerdings die geforderten Desinfektionsmittel-Spender auftreiben sollen, weiß ich noch nicht.
Müssen Sie auch eine Maske tragen? Waldmüller: Nein, nicht bei den liturgischen Funktionen. Wer liturgische Texte spricht, muss das nicht. Am Anfang und am Ende des Gottesdienstes und bei der Kommunionausteilung, wenn sie irgendwann einmal kommt, werde ich eine tragen. Ich hätte eine schwarze, selbst genähte mit einem weißen Streifen darauf, die einem Priesterkragen ähnelt. Das sieht recht lustig aus.
Sie brauchen auch Ordner, etwa für Platzzuweisungen ...
Waldmüller: ... und an Eingang, Ausgängen sowie während des Gottesdienstes. Wobei ich sie lieber als „Welcomer“bezeichne. Das klingt
nicht so wie auf dem Fußballplatz. Vermutlich machen das die Mesner aus den anderen Kirchen. Wie viele wir brauchen, müssen wir noch schauen. Einer misst auch schon alles wegen der Abstände und Markierungen in St. Josef aus. Ich frage aber auch im Pfarrgemeinderat und in der Kirchenverwaltung nach Freiwilligen. Den Ablauf besprechen wir dann gemeinsam vor Ort, mit dem nötigen Sicherheitsabstand.
Wie viele Gottesdienste können Sie unter diesen Bedingungen abhalten? Waldmüller: Mit den beiden Kaplänen der anderen Kirchen als Un
terstützung können wir an Sonntagen schon einige abhalten. Zudem dürfen die Gottesdienste nicht länger als eine Stunde dauern. Wir bieten zunächst eine erkleckliche Anzahl an und schauen, wie viele Gläubige kommen. Dementsprechend passen wir die Zahl der Gottesdienste an.
Was machen Sie bei zu viel Andrang? Waldmüller: Wir müssen dann mit den „Welcomern“schauen, wie wir das regeln. Reservierungen gibt es bei uns nicht. Notfalls müssen wir die Leute bitten, zu einem späteren Gottesdienst zu kommen oder nach Hause zu gehen.
Wie haben Sie bisher die Zeit des Gottesdienstverbots überbrückt? Waldmüller: Ich habe die Gottesdienste weiter privat gefeiert und war über WhatsApp-Videotelefonie mit drei Leuten verbunden, die die Lesungen gehalten oder die Antworten gegeben haben. In der Woche nach Ostern sind mein evangelischer Kollege und ich in Memmingen vor Altenheime geradelt und spielten gemeinsam Trompete.
Und Sie starteten einen Podcast ... Waldmüller: Jeden Sonn- und Feiertag habe ich eine Predigt und eine Lesung aufgenommen. Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen erhalten. Die Klickzahlen gehen in die Tausende. Das ist verrückt. Und wir haben täglich für zwei Stunden ein Seelsorgetelefon eingerichtet sowie eine einstündige Beichtgelegenheit in einer Kapelle. Das wird sehr gut nachgefragt.
Freuen Sie sich wieder darauf, Ihre „Schäfchen“im Gottesdienst zu sehen? Waldmüller: Natürlich. Aber ob die Gottesdienste nun das sein werden, was die Leute erwarten, das bezweifele ich. Denn es wünschen sich alle, dass es wieder wie vor Corona ist. Das geht jedoch nicht.
Was passiert, wenn sich ein Gläubiger in der Kirche infiziert?
Waldmüller: Das ist noch ein bisschen unklar. Aber mit unseren Sicherheitsmaßnahmen versuchen wir ja, genau das zu verhindern. Ich hoffe einfach, dass nichts passiert.
Interview: Lea Binzer
Ludwig Waldmüller wurde 1976 in Immenstadt im Allgäu geboren. 2011 wurde er in Memmingen Pfarrer und auch Dekan.
Ich bin seit letztem August krankgeschrieben, da ich nur mit Gehstützen laufen kann. Nun sollte ich im März endlich ein neues Kniegelenk bekommen. Diese Operation wurde aber wegen der CoronaKrise verschoben, daher wird es noch länger dauern, bis ich wieder in meinem Beruf als Altenpflegerin arbeiten kann.
Sollte sich das alles aber noch länger hinziehen, fürchte ich, dass mein Krankengeld ausläuft, bevor ich wieder arbeitsfähig bin – das wäre sehr schlimm. Ein Anruf bei der Kasse ergab nämlich, dass sich mein Krankengeldanspruch trotz des unverschuldeten Aufschubs der OP nicht verlängert! Doch noch hoffe ich, dass die OP rechtzeitig erfolgen kann.
Derweil versuche ich, meine Kollegen, die gerade sehr belastet sind, zu unterstützen, indem ich Schutzkittel und Mundschutze für sie nähe. Auch sonst fällt es mir leicht, mich zu beschäftigen, da ich viele kreative Hobbys habe. Sorgen mache ich mir um Kleinunternehmer und Leute, denen Arbeitslosigkeit droht. Ich fürchte, die Krise stärkt weiter die großen Konzerne zum Schaden der Kleinen. Man kann nur hoffen und beten, dass das alles nicht mehr so lange dauert!
Susanne Sarnowski,
57, Augsburg