Auf einen Caffè – aber zum Mitnehmen
Pandemie Nach zwei Monaten versucht Italien die langsame Rückkehr zur Normalität. Bars und Lokale dürfen öffnen, fünf Millionen Menschen gehen ab dieser Woche wieder zur Arbeit
Rom Sergio Paolantoni ist Eigentümer des berühmten Caffè Palombini in Rom. Die Traditionsbar im EURViertel, in der es exquisite Süßspeisen wie cremegefülltes Plundergebäck gibt, ist eine Institution in der italienischen Hauptstadt. An wenigen Orten schmeichelt der Cappuccino-Milchschaum dem Gaumen so wie hier. Zwei Monate lang hatte Paolantoni geschlossen, an diesem Montag macht er wieder auf. Italien lockert dann die infolge der CoronaPandemie getroffenen Quarantänemaßnahmen. Am Telefon sagt Paolantoni: „Es ist ein Anfang, ein Neuanfang.“
Zwei Monate lang verzichteten die Italiener wegen der Corona-Pandemie auf die meisten Aktivitäten außerhalb ihrer vier Wände. Corona hatte das Land fest im Griff: Mehr als 209000 Menschen infizierten sich in den vergangenen Wochen mit der neuartigen Lungenkrankheit, zuletzt lag die Zahl der Todesopfer bei 28710. Italien zählt mit Spanien zu den am stärksten betroffenen Ländern in Europa.
Mancherorts macht sich nun ein Gefühl der Befreiung breit. In Rom säumten am Wochenende hunderte Spaziergänger die bis vor Tagen noch menschenleeren Straßen, spazieren gehen und sportliche Betätigung waren bereits seit einigen Tagen in der Nähe der eigenen Wohnung erlaubt. Von Montag an sollen Parks öffnen, Sport darf wieder ohne räumliche Beschränkungen betrieben werden. Die Luft in der Stadt ist wegen des zurückgegangenen Verkehrs so klar und sauber wie seit Jahrzehnten nicht. Das dürfte sich mit der Aufnahme zahlreicher Tätigkeiten nun wieder ändern.
Die Römer, aber auch viele andere Italiener scheinen sich besonders auf ein Ritual zu freuen: den morgendlichen Caffè oder Cappuccino in der Bar. Zwar dürfen Speiselokale ihre Kundschaft erst ab Juni wieder drinnen bewirten. Der Espresso to go oder Pizza zum Mitnehmen ist aber ab sofort wieder möglich. Seit Tagen bereitet man sich bei Palombini in Rom vor. Klebestreifen zeigen den nunmehr getrennten Einund Ausgang an. Ein Mitarbeiter lässt die Kunden, die Mundschutz tragen müssen, einzeln ein. Drei Kunden gleichzeitig dürfen bei zwei Meter Abstand am langen Tresen ihre Bestellungen aufgeben.
Cappuccino und Cornetto müssen dann außerhalb verzehrt werden, aber nicht direkt vor dem Lokal, um Menschenansammlungen zu vermeiden. „Von Freude kann keine Rede sein“, sagt Paolantoni. Er habe 70 Angestellte, von denen ab Montag gerade einmal sieben wieder im Einsatz sind. Auch in Italien ist der wirtschaftliche Druck auf Restaurants, Bars und den Einzelhandel groß. In einer symbolischen Aktion übergaben hunderte Restaurantbesitzer vergangene Woche den Bürgermeistern die Schlüssel ihrer Geschäfte, um gegen die lange Schließung und geschäftsbedrohende Sicherheitsauflagen bei Wiederöffnung zu protestieren.
Insgesamt nehmen am Montag etwa fünf Millionen Menschen in Italien ihre Arbeit wieder auf. Während viele kleine Geschäfte noch geschlossen bleiben müssen, kann in der Baubranche, im Großhandel oder im verarbeitenden Gewerbe mit speziellen Sicherheitsvorkehrungen wie Mundschutz oder Abständen wieder gestartet werden. Vom Autokauf bis zum Reifenwechsel ist wieder vieles möglich. Italiens Schulen aber bleiben weiterhin geschlossen. Die Regierung kündigte die Rückkehr in die Klassen für September an, allerdings in Kleingruppen, die sich im Turnus abwechseln sollen.
Einige Verwirrung herrschte tagelang über die Frage, ob die Lockerung der Quarantäne auch die Begegnung mit Freunden einschließt. Das ist noch nicht der Fall. Die Regierung verfügte in einem umstrittenen, weil unklaren Passus, dass sich fortan auch Verwandte „bis zum sechsten Grad“und Partner in einem „stabilen emotionalen Verhältnis“begegnen dürften, wenn sie bislang nicht ohnehin zusammengelebt haben. Italienweit gilt eine Maskenpflicht im öffentlichen Nahverkehr oder in bereits offenen Geschäften wie Apotheken oder Buchläden. Die Regierung setzte den Kaufpreis für den Mund- und Nasenschutz auf 50 Cent fest.
Je nach Landesteil unterscheiden sich manche Regelungen. Regionen und Zentralregierung sind sich oft uneinig. Den 20 Regionen obliegt es nun, mögliche Neuansteckungen und die Entwicklung der Pandemie zu überwachen. Bei neuen Ausbrüchen können die Lockerungen wieder rückgängig gemacht werden. (mit dpa)