Neu-Ulmer Zeitung

Mit dem Rückholflu­g aus der Isolation

- VON ANGELA HÄUSLER

Reise Als das Coronaviru­s die Welt stilllegt, erholen sich Queta und Helmut Falber gerade in einem Strandhaus in Peru. Eine Geschichte über Unsicherhe­it, Strapazen, Erleichter­ung – und Erstaunen über die lockeren Regelungen in Deutschlan­d

Wullenstet­ten Reisefreud­iger als Queta und Helmut Falber kann man eigentlich kaum sein. Seit Jahrzehnte­n sind die rüstigen Senioren aus Wullenstet­ten rund um den Erdball unterwegs und haben mit der Zeit so manche Reise-Kuriosität erlebt. Doch dass sie einmal wegen einer Pandemie per Rückholflu­g nach Deutschlan­d zurückkehr­en würden, damit hatten die beiden nicht gerechnet. „Ich bin sehr glücklich, dass wir jetzt rausgekomm­en sind“, sagt Queta Falber, die sich mit ihrem Gatten nun im Eigenheim in Quarantäne befindet. Dank einer Sondermasc­hine, organisier­t von der deutschen Botschaft, kam das Paar vergangene Woche und viel später als geplant, wieder nach Deutschlan­d zurück.

Dreimal sei der gebuchte Rückflug zuvor storniert worden, berichtet die 80-Jährige. Als gebürtige Peruanerin fühlt sie sich zwar in ihrer alten Heimat sehr wohl, doch Haus und Garten im Sendener Ortsteil Wullenstet­ten sind ihr mindestens genauso lieb. Im Januar waren die zwei nach Lima aufgebroch­en, wo Queta Falbers Familie lebt und wo das warme Klima der Gesundheit des Wullenstet­ter Ehepaars nützt. Die letzten Wochen vor der Rückreise verbrachte­n die beiden in einem Strandhaus an der Küste, 100 Kilometer von Lima entfernt. Schließlic­h ist in Peru gerade Sommer, es herrschen Temperatur­en zwischen 25 und 30 Grad, „das war wie eine Kur für mich“, so die Oma eines Enkelkinds. Doch Corona brachte alles durcheinan­der.

„Gott sei Dank sind wir ins Strandhaus gefahren, denn in Lima waren die Ausgangsbe­schränkung­en viel strenger“, berichtet Falber, „alle müssen in den Wohnungen bleiben, nur einer pro Haushalt darf zum Einkaufen oder zur Apotheke gehen“. Polizei und Armee kontrollie­ren, dass die Bestimmung­en eingehalte­n werden. Vorerst dauert die Ausgangssp­erre in Peru noch bis zum 10. Mai. In der Strand-Wohnanlage konnten die Bewohner immerhin spazieren gehen.

Weil das Paar aus Deutschlan­d Medikament­e braucht, wollte es gegen Ende des Aufenthalt­s in die zurückkehr­en, doch die Fahrtstrec­ke auf der Panamerica­na war bereits vom Militär gesperrt. „Wir waren also total isoliert“, berichtet Falber. Über einen Arzt in der Nähe gelang es doch noch, die Medikament­e zu bekommen.

am 16. März hatte die peruanisch­e Regierung den Ausnahmezu­stand ausgerufen, Aus- und Einreisen sind seither gestoppt. Wegen der Rückkehr hatte das Paar Kontakt zur deutschen Botschaft aufgenomme­n und erhielt schließHau­ptstadt lich Mitte April das erhoffte Schreiben: Es werde gerade ein Rückholflu­g geplant, und die Senioren könnten mit. Nach dem 22. April bestehe wohl für längere Zeit keine Möglichkei­t mehr, zurückzufl­iegen. Nun sollten sich die Heimkehrer beSchon reithalten, um auf Ansage schnell reiseferti­g zu sein.

Insgesamt hat die Deutsche Botschaft in den vergangene­n Wochen 16 Rückholflü­ge und einen Zubringerf­lug organisier­t und mehr als 3000 Rückkehrer heimbringe­n lassen. Welchen Aufwand das bedeutete, legt eine Veröffentl­ichung der Botschaft auf Facebook nahe: Nötig gewesen seien „unzählige E-Mails und Telefonate, um Landegeneh­migungen zu erhalten, Flugrouten zu verhandeln, Busse zu organisier­en, Passiersch­eine zu beantragen und Reisende aus Deutschlan­d zu erreichen und zu informiere­n“, heißt es da. Am 17. April ging es für die Falbers los, tags darauf waren die beiden wieder zuhause.

Mit einer Sondergene­hmigung der Botschaft durften sie zunächst per Taxi nach Lima reisen, um ihr zwischenge­lagertes Gepäck zu holen. Dann ging die Fahrt zu einem Militärflu­ghafen, „das war mitten in der Pampa“berichtet Queta Falber. In einem Zelt warteten die Fluggäste aus Deutschlan­d und Europa dann auf den Start, „man hat mir einen Rollstuhl gegeben, sonst wäre ich in der Hitze umgekippt“, erzählt die Seniorin. Der Jumbo war voll besetzt, „es waren viele junge Leute, Rucksackto­uristen, dabei“, berichtet Queta Falber, und die Verpflegun­g war ungewöhnli­ch, „es gab nur Wasser und Kekse“. Doch die Reisenden waren froh, endlich nach Hause zu kommen.

Bei der Ankunft in Frankfurt aber wunderten sich die Falbers sehr: Kaum jemand trug eine Maske. „Das finde ich sehr gefährlich, in Peru mussten wir alle eine tragen, auch auf der Straße“, sagt Queta Falber. Ihre Masken brauchten die beiden in der Heimat erst einmal nicht – trotz der zwischenze­itlich eingeführt­en Pflicht in Geschäften und im Nahverkehr: Queta und Helmut Falber mussten insgesamt 14 Tage zuhause bleiben, am Wochenende endete diese Quarantäne. Sohn Rainer versorgte die beiden in dieser Zeit mit Einkäufen, seine Eltern erholten sich erst einmal von den Reisestrap­azen. Und sie feierten Queta Falbers 80. Geburtstag natürlich ganz ohne Besucher, erzählt die Wullenstet­terin, „nur mit dem Vögelchen im Garten“.

 ?? Fotos: Sammlung Falber ?? Helmut und Queta Falber kurz vor dem Rückflug. Die beiden mussten zuvor gemeinsam mit anderen Reisenden in einem Zelt auf den Start warten.
Fotos: Sammlung Falber Helmut und Queta Falber kurz vor dem Rückflug. Die beiden mussten zuvor gemeinsam mit anderen Reisenden in einem Zelt auf den Start warten.
 ??  ?? Eine Lufthansa-Maschine brachte das Ehepaar aus Wullenstet­ten von einem peruanisch­en Militärflu­ghafen nach Frankfurt.
Eine Lufthansa-Maschine brachte das Ehepaar aus Wullenstet­ten von einem peruanisch­en Militärflu­ghafen nach Frankfurt.
 ??  ?? Der Blick aus dem Flieger über die Wolken.
Der Blick aus dem Flieger über die Wolken.
 ??  ?? MONTAG, 4. MAI 2020
MONTAG, 4. MAI 2020

Newspapers in German

Newspapers from Germany