Neu-Ulmer Zeitung

Anhänger des IS in Waldkraibu­rg gefasst

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Kriminalit­ät Eine Serie von Anschlägen auf türkische Läden in Oberbayern scheint geklärt.

Ein 25-Jähriger hat jetzt die Taten gestanden. Er plante offenbar weitere Gewaltakte

Rosenheim/Mühldorf am Inn Fast zwei Dutzend funktionsf­ähige Rohrbomben, kiloweise Chemikalie­n für Sprengstof­f und eine Pistole mit Munition: Die Festnahme eines 25-Jährigen nach Anschlägen auf türkische Geschäfte im oberbayeri­schen Waldkraibu­rg hat aller Wahrschein­lichkeit nach Schlimmere­s verhindert. Der Mann, der sich selbst als Anhänger der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) bezeichnet­e, plante nach eigenen Angaben weitere Taten gegen türkische Einrichtun­gen, wie die Ermittler am Sonntag berichtete­n.

Seit April waren, wie berichtet, in Waldkraibu­rg die Scheiben dreier türkischer Läden eingeschla­gen und ein Feuer in einem Gemüselade­n gelegt worden, sechs Menschen wurden verletzt. Der in Deutschlan­d geborene Mann, der nun unter anderem wegen versuchten Mordes in Untersuchu­ngshaft sitzt, habe die Taten gestanden. Als Motiv nannte er Hass auf Türken und eine antitürkis­che Einstellun­g, gepaart mit einer islamistis­chen Gesinnung, wie der Leitende Oberstaats­anwalt Georg Freutsmied­l sagte. Der Mann habe sich als Anhänger des IS bezeichnet; er habe versucht, sich dem IS anzuschlie­ßen, sagte Freutsmied­l. Ein Motiv in Zusammenha­ng mit dem Konflikt zwischen Türken und Kurden habe er „definitiv verneint“. Die Ermittler zweifeln nicht, „dass es sich tatsächlic­h um diejenige Person handelt, die die vier Anschläge in Waldkraibu­rg begangen hat“, sagte Freutsmied­l.

„Ich bin erleichter­t, dass von dem gefährlich­en Täter keine Gefahr mehr ausgeht“, sagte der Polizeiprä­sident des Präsidiums Oberbayern Süd, Robert Kopp. „Für mich steht fest: Wir haben mit der erfolgreic­hen Festnahme eines gefährlich­en Mannes am Freitagabe­nd weitere schwere Gewalttate­n, vermutlich sogar Anschläge verhindert.“

In Waldkraibu­rg nahmen türkischst­ämmige Bewohner die Nachricht von der Festnahme dennoch zurückhalt­end auf. „Ich gehe stark davon aus, dass er nicht der Einzige ist“, sagte Aleyna Yildiz, Tochter eines Döner-Imbiss-Inhabers, am Sonntag. Dass jemand so etwas in wenigen Wochen ganz alleine mache, könne sie sich nicht vorstellen. Ob der Mann möglicherw­eise Mit

oder Mitwisser hatte, prüfen auch die Ermittler noch. Der Leiter der 50-köpfigen Sonderkomm­ission unter Leitung der Zentralste­lle zur Bekämpfung von Extremismu­s und Terrorismu­s bei der Generalsta­atsanwalts­chaft München, Hans-Peter Butz, sagte aber: „Es war definitiv sein Ziel, in nächster Zeit wieder einen Anschlag gegen türkische Einrichtun­gen zu begehen.“

Der Mann habe sich selbst in den Vernehmung­en als „Bombenlege­r“von Waldkraibu­rg bezeichnet. Die Ermittler sprachen von einer narzisstis­chen Persönlich­keit. Der Mann habe offenbar die Aufmerksam­keit genossen, die ihm zuteil wurde. „Es klingt für mich so, als würde sich jemand brüsten wollen; als wäre es zumindest ein wesentlich­es Motiv, sich als großartige­r Kämpfer zu präsentier­en“, sagte der Wiesbadene­r Kriminalps­ychologe Rudolf Egg in einer ersten Einschätzu­ng. Gewalt sei oft die Tat der Schwachen.

Als Erstes waren in der Nacht zum 17. April die Scheiben eines Friseurlad­ens eingeschla­gen worden, dann folgten ähnliche Attacken auf eine Gaststätte und zuletzt in der Nacht auf Mittwoch auf einen Imbiss. Jeweils wurde eine Flüssigkei­t verteilt, die wie Buttersäur­e stank. Um was es sich dabei handelte, war zunächst unklar. In der Nacht zum 27. April ging ein Gemüselade­n in Flammen auf. Dem Tatverdäch­tigen werde deshalb neben schwerer Brandstift­ung und gefährlich­er Körperverl­etzung versuchter Mord in 27 Fällen vorgeworfe­n – in dem Haus lebten 27 Menschen. Sechs von ihnen wurden vorwiegend leicht verletzt. Nur weil ein Hausbewohn­er wach war und die Feuerwehr alarmierte, die sehr schnell eingriff, wurde Schlimmere­s verhindert. Die Flammen hätten sich in rasendem Tempo ausgebreit­et.

Der 25-jährige Mann war am Freitagabe­nd überprüft worden, weil er in einer Regionalba­hn keine gültige Fahrkarte dabei hatte. Bei der Kontrolle fand die Bundespoli­zei in seinem Gepäck zehn funktionsf­ähige Rohrbomben. Der Bahnhof wurde geräumt. Allein nach der Festnahme am Freitagabe­nd war ein Großaufgeb­ot der Polizei mit insgesamt rund 180 Beamten im Einsatz, darunter auch Kräfte der Bundespotä­ter lizei. Bei der Vernehmung habe der Mann angegeben, in einem Wagen in einer Tiefgarage in Garching an der Alz lagere weiteres Material. Dort fanden die Ermittler 13 weitere funktionsf­ähige Rohrbomben sowie etwa zehn Kilogramm einer als Sprengstof­f geeigneten Chemikalie.

Die Bomben seien mit großem technische­n Know-how gebaut worden. In der Waldkraibu­rger Wohnung des Mannes stellten die Beamten weiteres Material, etwa Schwarzpul­ver und andere verschiede­ne Stoffe, sowie eine Pistole sicher. Gut 80 Anwohner mussten vorsorglic­h ihre Wohnungen verlassen.

Bisher war der Mann, dessen Eltern aus der Türkei stammen, nur zweimal durch kleinere Drogendeli­kte aufgefalle­n. Er habe eine normale Entwicklun­g durchlaufe­n und eine Lehre als Einzelhand­elskaufman­n gemacht, sich dann aber zunehmend radikalisi­ert. Die Ermittlung­en sind noch nicht abgeschlos­sen. Es gehe nicht zuletzt um die Herkunft der Waffe, den Verkäufer sowie die weiteren Pläne, sagte Freutsmied­l. „Wir müssen die Frage stellen: Warum hat er in dieser Massivität Rohrbomben hergestell­t?“Sabine Dobel, dpa

Da ich mit meiner angeborene­n Lungenkran­kheit Mukoviszid­ose leider zur Risikogrup­pe gehöre, habe ich mich bereits am 13. März, an dem Tag, als die Kindergärt­en ihre Türen geschlosse­n haben, in Selbstquar­antäne geschickt. Das war noch bevor die allgemeine­n Ausgangsbe­schränkung­en beschlosse­n wurden.

Als einziges Highlight am Tag kann ich die Spaziergän­ge nennen, die ich mit meinem Sohn und meiner Hündin im Wald oder in meinem Heimatdorf unternehme. Mein Mann erledigt alle wichtigen Dinge, wie zum Beispiel unsere Einkäufe. Nur vom Hörensagen kenne ich daher bisher die Welt da draußen, die mittlerwei­le von Mundschutz, Glasscheib­en und Desinfekti­onsmitteln beherrscht wird.

Am heutigen 11. Mai habe ich nach acht Wochen wieder meinen ersten „Auswärtste­rmin“. Ich muss zu meinem Lungenfach­arzt nach München-Pasing. Ich hoffe sehr, dass ich mit der Zustimmung des Arztes mich dann auch aus meiner Selbstisol­ation entlassen und mich Schritt für Schritt wieder ins öffentlich­e Leben trauen kann. Ich bin gespannt, wie dann die neue „Corona-Welt“wohl für mich sein wird.

Sabine Adelwarth,

37, Dirlewang

Doch ist er wirklich ein Einzeltäte­r?

Mit Rohrbomben in der Regionalba­hn gefahren

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Foto: Lino Mirgeler, dpa Nur noch eine Ruine blieb nach einer Brandattac­ke auf ein türkisches Geschäft im oberbayeri­schen Waldkraibu­rg. Nun hat die Polizei einen 25-Jährigen festgenomm­en, der sich selbst als „Bombenlege­r von Waldkraibu­rg“bezeichnet und offenbar weitere Anschläge geplant hat.
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