Abstand mit Anstand
Brummi war – verdammt lang her – kein herausragender, aber auch kein schlechter Schüler. Mit Mathematik stand er allerdings auf Kriegsfuß.
Fast jedes Jahr der Kampf um die Vier (ausreichend). Kopfrechnen, das konnte er, manches Feld aus der Algebra ging so, beim Schätzen von Distanzen oder Größen war (und ist) er stark, aber sonst? Katastrophe damals in der Schule trotz Rechenstab, Geo-Dreieck und Logarythmus-Tafel, was die jüngeren oder jungen Menschen gar nicht kennen. Schämen tut sich Brummi seiner Mathe-Schwäche nicht, hatte er doch andere Stärken. Die haben alle. Bloß mit ganz einfachen Dingen scheint es da zu hapern. Kaum gibt es von der Regierung Lockerungen im Corona-Alltag, sind eineinhalb Meter plötzlich nur noch 75 Zentimeter (oder weniger). Auf dem Ulmer Wochenmarkt herrschte am Mittwoch dichtes Gedränge, vor allem junge
Leute liefen in Gruppen eng beieinander durch die Straßen, und abgesehen davon muss über Nacht vielen Menschen die Gesichtsmaske gestohlen worden sein. Ein Bild, als ob es die Corona-Krise kaum gegeben hätte.
Dabei ist sie noch unter uns. Einfaches Rechenbeispiel (das weiß sogar Brummi): Eineinhalb Meter sind nicht 75 Zentimeter, sondern 150 und in Millimetern ausgedrückt sogar 1500. Wobei das die Untergrenze des Abstandhaltens ist. Forscher aus den Niederlanden und Belgien haben im Windkanal ermittelt, dass eineinhalb Meter Abstand bei Fortbewegung nicht ausreichen, um den Corona-Tröpfchen zu entgehen. Beim Gehen zum Beispiel mit fünf Stundenkilometern werden von ihnen fünf Meter Abstand als richtig gepriesen und nicht 75 Zentimeter. Was sind fünf Meter? Man schaue sich den Fünfmeterturm im Neu-Ulmer Donaubad an – wenn dieses erst wieder offen ist. Oder man betrachte zwei direkt hintereinanderstehende Kleinwagen. Sie nehmen etwa fünf Meter in Anspruch. Fünf Meter sind 500 Zentimeter oder 5000 Millimeter. Mathematik ist manchmal doch ganz einfach – auch ohne Taschenrechner und Computer.