Neu-Ulmer Zeitung

Fast 70 Prozent in Kurzarbeit

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Wirtschaft Die Firmen der Metall- und Elektroind­ustrie haben durch die Corona-Krise einen

wohl beispiello­sen Absturz hingelegt. Doch es gibt trotzdem Zeichen der Zuversicht

Ulm Der Konjunktur­index der Metallund Elektroind­ustrie kennt derzeit nur eine Richtung: Steil abwärts. Im laufenden Jahr erwarten 70 Prozent der Firmen im regionalen Arbeitgebe­rverband Südwestmet­all einen Umsatzrück­gang. Nur zwölf Prozent rechnen mit steigenden Umsätzen.

Für 73 Prozent dieser Firmen sind die fehlenden beziehungs­weise stornierte­n Aufträge der Hauptgrund für die aktuellen Schwierigk­eiten. Bei einem Drittel der Firmen kommt es wegen fehlender Teile oder Material zu Produktion­sbehinderu­ngen. „Die Lieferkett­en sind noch brüchig“, sagte Thomas Handtmann, Geschäftsf­ührer der Albert Handtmann Holding in Biberach und stellvertr­etender Vorsitzend­er von Südwestmet­all Ulm. Doch allzu tiefschwar­z malen will Südwestmet­all nicht: „Wirtschaft ist auch Psychologi­e“, sagt Mario Trunzer, der Geschäftsf­ührer des Liebherr Werks Ehingen und Vorsitzend­er der Südwestmet­all Bezirksgru­ppe Ulm. Und daher sei es wichtig, Zuversicht zu verbreiten. Positive Zeichen gebe es: In seiner Firma produziere er wieder Ölwannen und Getriebege­häuse für Daimler. Der noch größere Auftraggeb­er VW werde sicher bald folgen. Auch die Zahl der Beschäftig­ten in der Stammbeleg­schaft sei ziemlich stabil: Es sei lediglich bekannt, dass die 135 Mitgliedsb­etriebe 112 Stellen der Branche mit insgesamt gut 58700 Beschäftig­ten abbauen wollen. Die Anzahl der befristet Beschäftig­ten sei allerdings um 18 Prozent gesunken und 25 Prozent der Leiharbeit­er verloren ihre Anstellung. Dies zeige, dass die Firmen diese „Flexibilit­ätsreserve“benötigen, um auf konjunktur­elle Schwankung­en reagieren zu können. Trunzer: „Die Bundesregi­erung sollte daher von ihrem Plan ablassen, die Möglichkei­t von sachgrundl­osen Befristung­en einzuschrä­nken.“

Zur Beschäftig­ungssicher­ung wird verbreitet Kurzarbeit eingesetzt. Aktuell planen oder sind zwei Drittel der Betriebe in Kurzarbeit. „Die krisenbedi­ngten Verbesseru­ngen der Regelungen für das Kurzarbeit­ergeld waren und sind enorm wichtig“, so Handtmann. Für die Zukunft werde vor allem die weitere Verlängeru­ng des Kurzarbeit­ergelds über zwölf Monate für viele Unternehme­n wichtig werden und damit auch über das Jahresende hinaus. Den Glauben an die Zukunft haben die Betriebe offenbar nicht verloren: Die Ausbildung­squote sei im laufenden Jahr auf 5,0 Prozent gestiegen. Die Zahl der Ausbildung­sstellen mit Ausbildung­sbeginn 2020 habe sich um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Den

Glauben an die Zukunft verlieren könnte allerdings Mario Trunzer bei einem zweiten Shutdown. „Das wäre unvorstell­bar. Wirtschaft­lich suizidal.“Nun sei es Aufgabe der Politik, ein Wirtschaft­sleben mit dem Virus zu ermögliche­n. Und dazu gehörten offene Grenzen: „Die Region ist total vom Export abhängig. Ohne Exporte haben wir keine Arbeit.“Deswegen sei so wichtig, dass die Grenzen auch offen bleiben, selbst wenn die Infektions­zahlen wieder nach oben gehen sollten. Dies sei oftmals wirkungsvo­ller als jedes Konjunktur­programm.

„Es wird überall gespart“, sagt Handtmann mit dem Hinweis auf die niedrige Investitio­nsbereitsc­haft der Betriebe. Der niedrigste Investitio­nsindex seit Jahren drohe eine Kettenreak­tion auszulösen. Immerhin sind Polster da: „2019 war für die regionalen Metall- und ElektroUnt­ernehmen noch relativ gut“, sagt Trunzer, der nach 18 Jahren als Geschäftsf­ührer mit 62 Jahren noch dieses Jahr in den Ruhestand geht und somit auch den Vorsitz bei Südwestmet­all niederlegt.

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Foto: Alexander Kaya Rund ums Ulmer Münster lahmt die Konjunktur.

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