Fast 70 Prozent in Kurzarbeit
Wirtschaft Die Firmen der Metall- und Elektroindustrie haben durch die Corona-Krise einen
wohl beispiellosen Absturz hingelegt. Doch es gibt trotzdem Zeichen der Zuversicht
Ulm Der Konjunkturindex der Metallund Elektroindustrie kennt derzeit nur eine Richtung: Steil abwärts. Im laufenden Jahr erwarten 70 Prozent der Firmen im regionalen Arbeitgeberverband Südwestmetall einen Umsatzrückgang. Nur zwölf Prozent rechnen mit steigenden Umsätzen.
Für 73 Prozent dieser Firmen sind die fehlenden beziehungsweise stornierten Aufträge der Hauptgrund für die aktuellen Schwierigkeiten. Bei einem Drittel der Firmen kommt es wegen fehlender Teile oder Material zu Produktionsbehinderungen. „Die Lieferketten sind noch brüchig“, sagte Thomas Handtmann, Geschäftsführer der Albert Handtmann Holding in Biberach und stellvertretender Vorsitzender von Südwestmetall Ulm. Doch allzu tiefschwarz malen will Südwestmetall nicht: „Wirtschaft ist auch Psychologie“, sagt Mario Trunzer, der Geschäftsführer des Liebherr Werks Ehingen und Vorsitzender der Südwestmetall Bezirksgruppe Ulm. Und daher sei es wichtig, Zuversicht zu verbreiten. Positive Zeichen gebe es: In seiner Firma produziere er wieder Ölwannen und Getriebegehäuse für Daimler. Der noch größere Auftraggeber VW werde sicher bald folgen. Auch die Zahl der Beschäftigten in der Stammbelegschaft sei ziemlich stabil: Es sei lediglich bekannt, dass die 135 Mitgliedsbetriebe 112 Stellen der Branche mit insgesamt gut 58700 Beschäftigten abbauen wollen. Die Anzahl der befristet Beschäftigten sei allerdings um 18 Prozent gesunken und 25 Prozent der Leiharbeiter verloren ihre Anstellung. Dies zeige, dass die Firmen diese „Flexibilitätsreserve“benötigen, um auf konjunkturelle Schwankungen reagieren zu können. Trunzer: „Die Bundesregierung sollte daher von ihrem Plan ablassen, die Möglichkeit von sachgrundlosen Befristungen einzuschränken.“
Zur Beschäftigungssicherung wird verbreitet Kurzarbeit eingesetzt. Aktuell planen oder sind zwei Drittel der Betriebe in Kurzarbeit. „Die krisenbedingten Verbesserungen der Regelungen für das Kurzarbeitergeld waren und sind enorm wichtig“, so Handtmann. Für die Zukunft werde vor allem die weitere Verlängerung des Kurzarbeitergelds über zwölf Monate für viele Unternehmen wichtig werden und damit auch über das Jahresende hinaus. Den Glauben an die Zukunft haben die Betriebe offenbar nicht verloren: Die Ausbildungsquote sei im laufenden Jahr auf 5,0 Prozent gestiegen. Die Zahl der Ausbildungsstellen mit Ausbildungsbeginn 2020 habe sich um 3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erhöht. Den
Glauben an die Zukunft verlieren könnte allerdings Mario Trunzer bei einem zweiten Shutdown. „Das wäre unvorstellbar. Wirtschaftlich suizidal.“Nun sei es Aufgabe der Politik, ein Wirtschaftsleben mit dem Virus zu ermöglichen. Und dazu gehörten offene Grenzen: „Die Region ist total vom Export abhängig. Ohne Exporte haben wir keine Arbeit.“Deswegen sei so wichtig, dass die Grenzen auch offen bleiben, selbst wenn die Infektionszahlen wieder nach oben gehen sollten. Dies sei oftmals wirkungsvoller als jedes Konjunkturprogramm.
„Es wird überall gespart“, sagt Handtmann mit dem Hinweis auf die niedrige Investitionsbereitschaft der Betriebe. Der niedrigste Investitionsindex seit Jahren drohe eine Kettenreaktion auszulösen. Immerhin sind Polster da: „2019 war für die regionalen Metall- und ElektroUnternehmen noch relativ gut“, sagt Trunzer, der nach 18 Jahren als Geschäftsführer mit 62 Jahren noch dieses Jahr in den Ruhestand geht und somit auch den Vorsitz bei Südwestmetall niederlegt.