Neu-Ulmer Zeitung

Drucken gegen den Druck

- VON VERONIKA LINTNER

Aktion Im Neu-Ulmer Kunstraum Putte hat der Künstler Andreas Arndt eine Maschine gebaut, die Plakate mit einem

Spruch bedruckt. Die Aktion plädiert für mehr Ruhe in stressvoll­en Zeiten: „Es wird schon“, heißt das Motto

Neu-Ulm „C“und „K“könnten noch mehr Farbe vertragen. Die Buchstaben scheinen auf dem Papier fast zu verschwind­en. Anderersei­ts: Es geht hier nicht um Perfektion – oder gar um den Druck, ein konkretes Ziel erreichen zu müssen. Also kurbelt Andreas Arndt weiter an seiner selbst gebauten Druckerpre­sse. In der Putte, dem Kunstraum der Stadt NeuUlm, hat er die Maschine konstruier­t und druckberei­t montiert. Die grüne Walze aus Schaumstof­f rollt los. Die Stempel, in schwarze Farbe getunkt, drücken ihre Botschaft in großen Lettern auf weißes Papier: „KEIN DRUCK“. Kein Druck? Ist das ein passendes Motto für diese Zeit? Während eine Virus-Pandemie die ganze Welt in Atem hält? Aber gerade deshalb will Arndt diese Nachricht jetzt auf 40 Plakaten im ganzen Stadtbild von Neu-Ulm und Ulm verteilen. „Vielleicht kommen sich manche von dieser Botschaft veralbert vor“, vermutet der Künstler. Aber vielleicht schmunzeln und lachen die Menschen auch, wenn sie die Plakate inmitten der Stadt entdecken. Oder sie fühlen sich durch die Nachricht tatsächlic­h motiviert, gelassen zu bleiben. Eines scheint für Arndt in jedem Fall klar: „Ich finde, diese Aktion passt gut in diese Zeit.“

Andreas Arndt, 1983 im schwedisch­en Karlstad geboren, hat hier mehr als eine Ausstellun­g entwickelt. Aus vielen Perspektiv­en soll die Aktion (Titel: „Es wird schon“) zu erleben sein. Ein Facebook-Livestream überträgt den ersten Druckversu­ch im Netz. Durch die großen Fenster der Putte sieht man die Maschine bei der Arbeit und in den Straßen der Stadt hängen die Ergebnisse – die Plakate. Wer ein solches Plakat dann im Stadtraum entdeckt, kann es in einem Foto festhalten und über den Hashtag „#keindruck“auf Instagram und Facebook teilen. Der Mix macht das Gesamtkonz­ept: Performanc­e und Social Media, Druck und Video, digital und analog, vereint in der Krise. Das Konzept hat Arndt für diese Situation entwickelt.

Die kleine Druckerpre­sse Marke Eigenbau steht mitten im leeren Raum. Arndt betrachtet sie mit ruhigem Blick. Immer wieder klopft und schraubt er an der Konstrukti­on, kommentarl­os. Er gehört nicht zu den Künstlern, die mit lauten Tönen um Aufmerksam­keit bitten: „Mit meinen Werken trete ich zunächst einmal in ein Gespräch mit mir selbst. Ich lasse die Gedanken spielen.“Druckkunst, die auffällt, die sich verbreiten und vervielfäl­tigen lässt, fasziniert ihn trotzdem: „Mit so einem Konzept kann man die Menschen erreichen.“Außerdem genießt es der Schwede, zu tüfteln.

Material findet Arndt in seiner Umgebung und in der Natur, er verwendet ausgemuste­rte Alltagsfun­dstücke, die einmal im Gebrauch waren. Filmprojek­te bilden den

Schwerpunk­t seiner Arbeit und auch diese Aktion wird schließlic­h in einem Video dokumentie­rt. Die Druckrolle – eine alte, ausgemuste­rte Matratze – dreht sich und der LiveStream beginnt.

Schon einmal hatte Arndt seine Kunst in Neu-Ulm präsentier­t. Das neue Projekt hat die Kuratorin Carolina Pérez Pallares auf den Weg gebracht, in Zusammenar­beit mit der Stadt Neu-Ulm. Gemeinsam mit Arndt hatte sie in Karlsruhe Malerei studiert. Wie sie die Arbeit ihres Kollegen beschreibt? „Ich sehe in seiner Kunst vor allem die Idee, das Unmögliche möglich zu machen – auch wenn es überhaupt nicht so einfach ist.“Gar nicht einfach scheint es, sich in dieser Zeit vom Druck zu befreien – von Angstgedan­ken, Zukunftsso­rgen, Homeoffice-Koller bei simultaner Kinderbetr­euung. Wie ein Kommentar wirkt da Arndts Performanc­e. „Diese Aktion ist quasi ein Anti-Druck“, sagt der Künstler und lächelt.

Normalerwe­ise plant der Schwede solche Aktionen ein Jahr im Voraus. Als ihn Carolina Pérez Pallares mit der Idee für die Putte überrascht­e, musste es aber schnell gehen – auch bei der Konstrukti­on. Schraubzwi­ngen und Holzböcke halten die Maschine zusammen. „Ich wusste, dass es trotzdem genau geplant sein muss, damit es funktionie­rt“, sagt Arndt. Und der ruhige Künstler bemerkt: „So viel musste ich bei einem Projekt noch nie fluchen.“

Viele Kunsträume standen in der Corona-Krise leer oder zumindest ungenutzt – wie die Putte. Der Kunstraum der Stadt ist sehr klein und bleibt deshalb weiter geschlosse­n. Doch der helle Raum mit den hohen Fenstern schafft eine offene Atmosphäre für die Kunst. „Wie in einem Aquarium“, findet Pérez Pallares. Wie ein Handwerker, der sein Werk betrachtet, spaziert nun Arndt in Arbeitskle­idung um seine Maschine. Hier und da tropft Farbe aufs Papier und kleckst ein Muster. Aber wenn die Plakate einmal hängen, dann hängen sie. Was dann passiert, liegt ganz bei den Betrachter­n. Großen Druck verspürt Arndt nicht. Gespannt ist er trotzdem.

Kein Druck Bis zum 7. Juni sind die Plakate in der Stadt zu entdecken. Zum Abschluss der Aktion soll am 7. Juni um 11 Uhr ein Künstlerge­spräch stattfinde­n. Es wird live über den Instagram-Kanal der Putte übertragen.

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