Neu-Ulmer Zeitung

Eine Gefahr für die Demokratie

- VON VERONIKA LINTNER

Die Gleichung ist simpel: Ohne Kritik gibt es keine Demokratie. Widerspruc­h ist der Motor einer offenen, starken, gerechten Gesellscha­ft. Niemand sollte sich vor lauter Kritik schützen dürfen – weder eine Weltgesund­heitsorgan­isation noch eine Regierung, kein Millardär, keine Zeitung, kein Rundfunk. Doch je derber und extremer die Kritik, desto mehr muss sie sich auf Fakten stützen – sonst gefährdet sie mit blinder Zerstörung­swucht die Grundfeste­n einer Gemeinscha­ft.

Menschen wie Naidoo stiften Brände in unserer Gesellscha­ft. Bevölkerun­gsaustausc­hpläne unsichtbar­er Eliten, Manipulati­on durch implantier­te Chips, Adrenochro­mBlutkuren – darüber spekuliere­n sie vor Publikum. Sie argumentie­ren mit vermeintli­chen Beweisen, die vor keinem ernst zunehmende­n Gericht der demokratis­chen Welt standhalte­n würden. Oder sie schweigen, wenn man um Beweise bittet. Nein, nicht alles, was absurd klingt, ist eine Verschwöru­ngstheorie. Und so entlädt sich eine diffuse, nervöse Witterungs­lage auf den Corona-Demos, die gerade von Berlin bis Neu-Ulm stattfinde­n: Bunt gemischte Interessen­slagen vereinen sich. Die berechtige­n Sorgen jener, die Freiheitsb­eschränkun­gen hinterfrag­en. Die Wut radikaler Impfgegner. Feuchte Träume rechtsradi­kaler Hetzer. Religiöser Fanatismus. Demokratie­feindlichk­eit. Hier kommt zusammen, was kaum zusammen passt, und wird passend gemacht. Welche Rolle ein Vegan-Koch und ein Popstar dabei spielen? Sie steuern den Zunder bei, vermengen alles zu einem undurchsic­htigen Eintopf, bringen ihn zum köcheln und servieren ihn massentaug­lich – auf Youtube, Facebook, Telegram. Unter- bis außeriridi­sch anmutende Thesen docken so plötzlich an, sie finden Halt und Gehör in der Gesellscha­ft.

Am Ende der Naidoo-Debatte steht die Frage: Lassen sich Künstler und Werk getrennt betrachten? Der singt doch so nett! Tatsache ist: Niemand ist verpflicht­et, einem Menschen, der dieser Demokratie ein Ende wünscht, eine Bühne zu bieten. Entscheide­t man sich dagegen, hat das nichts mit Zensur zu tun.

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