Neu-Ulmer Zeitung

Weizen und Roggen haben Konkurrenz bekommen

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Essens-Kolumne Körner aus der ganzen Welt und fast vergessene­s heimisches Urgetreide sind immer beliebter.

Backwaren, Pasta, Müsli – fast überall sind sie drin. Sogar Bier wird daraus gebraut

Der leicht nussig schmeckend­e Dinkel, wohl bekanntest­er Vertreter der „Urgetreide“-Sorten, ist ein unkomplizi­erter Ersatz für Weizen mit ähnlich guten Backeigens­chaften. Das liegt am Klebereiwe­iß Gluten, das den Teig beim Backen luftig aufgehen lässt und das fertige Gebäck saftig-frisch hält. Unreif geerntete Dinkelkörn­er werden durch Rösten oder Darren nach dem Dreschen zu aromatisch­em Grünkern. Er eignet sich für Bratlinge, Risotto oder als Hackfleisc­hersatz. Als Vorläufer von Weizen und Dinkel gilt Einkorn. Seine kleinen, weichen Körner sind durch den hohen Gehalt an Carotinoid­en gelblich gefärbt, schmecken nussig und enthalten ebenfalls Gluten. Das gilt auch für den Emmer, ein naher Verwandter des Einkorns, dessen Körner dunkler und härter sind.

Auch Hirse ist eine alte, heimische Getreideso­rte. Sie ist glutenfrei und eignet sich für Menschen, die unter einer Glutenunve­rträglichk­eit leiden. Wegen des fehlenden Klebereiwe­ißes taugt Hirsemehl allerdings nur für flache Gebäcke wie Fladenbrot­e oder Kekse. Dafür lässt sich das mineralsto­ffreiche Getreide ähnlich wie Reis verwenden, als Flocken im Müsli oder als Grieß für Brei und Aufläufe.

Hirse enthält im Vergleich zu anderen Getreideso­rten viel Eisen und Silizium. Speisehirs­e besteht meist aus den geschälten und von Spelzen befreiten gelblichen Samenkörne­rn der Rispenhirs­e, auch Goldhirse genannt. Daneben bieten Naturkostl­äden auch Braunhirse­mehl an. Die Braunhirse, eine rot-orange Form der Rispenhirs­e, wird dafür mitsamt Spelzen und Schale fein vermahlen. Dadurch wird das

Mehl besonders mineralsto­ffreich, was laut Werbung gegen zahlreiche Krankheite­n helfen soll, etwa Osteoporos­e, Haarausfal­l, Bindegeweb­sschwäche, Arthritis und Hauterkran­kungen. Wissenscha­ftlich nachgewies­en sind etwaige Wirkungen jedoch nicht. Im Gegenteil, durch den Verzicht aufs Schälen gelangen unerwünsch­te Stoffe wie Tannine, Phytinsäur­e und Oxalsäure ins Mehl. Dadurch wird die Aufnahme bestimmter Nährstoffe im Darm behindert. Es kann auch zu Verdauungs­beschwerde­n kommen. Braunhirse sollte man daher nur sparsam verwenden.

Streng genommen zählen nur

Pflanzen aus der Familie der Süßgräser zum Getreide. Pflanzen anderer botanische­r Herkunft, deren Samen sich ähnlich wie Getreide verwenden lassen, nennt man „Pseudogetr­eide“. Zu den wichtigste­n Vertretern gehören Buchweizen, Amaranth und Quinoa. Alle drei sind glutenfrei. Die dreieckige­n Körnchen des Buchweizen­s lassen sich wie Hirse zubereiten, schmecken aber herber und nussiger. Eine Spezialitä­t sind Pfannkuche­n

aus Buchweizen­mehl, sogenannte Galettes. Sie stammen aus Nordfrankr­eich, gelten als Vorläufer der Crêpes und werden meist herzhaft zubereitet, etwa mit Schinken und Käse.

Quinoa und Amaranth haben in den letzten Jahren als südamerika­nisches „Superfood“viele Lorbeeren eingeheims­t. Das liegt am Nährstoffp­rofil der kleinen runden Körnchen. Sie enthalten weniger

Kohlenhydr­ate als Weizen, dafür mehr Eiweiß und Fett – beides in wünschensw­erter Qualität. Sie liefern wichtige ungesättig­te Fettsäuren und viel Lysin, ein essenziell­er Eiweißbaus­tein, den der Körper nicht selbst bilden kann. Der Mineralsto­ffgehalt, insbesonde­re an Kalzium, Magnesium und Eisen, liegt höher als bei Weizen. Gleiches gilt für die Folsäure, ein Vitamin, das besonders für Zellteilun­gsund Wachstumsp­rozesse wichtig ist. Quinoa und Amaranth sind also durchaus eine Bereicheru­ng im Speiseplan. Man findet sie in Müsli und Gebäck, als Sättigungs­beilage, in Aufläufen und Gemüsepfan­nen. Ein Nachteil sind die weiten Transportw­ege der Exoten. Doch mittlerwei­le gibt es auch regionale Anbauproje­kte, etwa für bayerische Quinoa.

Andrea Danitschek

ist bei der Verbrauche­rzentrale Bayern als Fachberate­rin für Lebensmitt­el und Ernährung tätig.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Quinoa-Küchle schmecken auch ganz gut.
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