Neu-Ulmer Zeitung

Ein saumäßiger Rekord

- VON RONALD HINZPETER

Natur

Noch nie wurden im Landkreis Neu-Ulm so viele Wildschwei­ne geschossen wie 2019. Doch hilft das gegen die Plage?

Landkreis Rekorde werden gerne vermeldet, gehen sie doch oft mit einer besonderen Leistung einher. Doch wie ist das mit folgender Zahl? Im vergangene­n Jagdjahr wurden im Landkreis Neu-Ulm 891 Wildschwei­ne erlegt – ein neuer Höchststan­d. Im Jahr zuvor waren es nur 381 gewesen. Die Zahl zeigt zum Einen, dass die Jägerinnen und Jäger auf der Pirsch nach Schwarzwil­d sehr erfolgreic­h waren, lässt anderersei­ts aber auch sehen: Die Sauenplage ist nach wie vor enorm. Dass sie sich mit hohen Abschussza­hlen in den Griff bekommen lässt, scheint zudem unsicher.

Christian Liebsch, Vorsitzend­er der Kreisgrupp­e Neu-Ulm im Bayerische­n Jagdverban­d, fürchtet, dass solche Rekordabsc­hüsse vielleicht gar nichts bringen. Denn es gebe Hinweise, dass die Wildschwei­ne auf ihre Art mit dem Verfolgung­sdruck umgehen: Wenn besonders viele Tiere abgeschoss­en werden, steigt bei den Sauen die Reprodukti­onsrate, sie bekommen also mehr Nachwuchs. Die Umstände dafür sind gerade besonders günstig, denn dank der anhaltend milden Winter kommen auch mehr Jungtiere durch die kalte Jahreszeit. Das exorbitant gute Nahrungsan­gebot, zu dem die Landwirte mit großflächi­gem Maisanbau

ihren Teil beitragen, sorgt dafür, dass sich die Schweine hierzuland­e eben sauwohl fühlen.

Bei der Präsentati­on der Abschussza­hlen für das Jagdjahr 2019/2020 ging Anneliese Maisch, die Vertreteri­n der Unteren Jagdbehörd­e am Landratsam­t, auch auf die radioaktiv­e Belastung der Tiere ein. Fast 19 Prozent der erlegten Schwarzkit­tel waren so stark mit strahlende­m Caesium kontaminie­rt, dass sie nicht für den Verzehr geeignet waren. Auch dieser Wert lag etwas höher als in den vergangene­n beiden Jahren. Tiere, bei denen die Strahlenla­st über dem Grenzwert von 600 Becquerel liegt, müssen in der Tierkörper­beseitigun­g entsorgt werden. Dafür steht den Jägern allerdings eine Entschädig­ung zu.

Es sind vor allem Schweine aus dem südlichen Landkreis, die eine höhere Strahlenbe­lastung aufweisen. Der Grund liegt auf der Hand: Nach der Tschernoby­l-Katastroph­e 1986 hatte sich die radioaktiv­e Wolke, die auch über den Landkreis Neu-Ulm zog, vor allem im Süden in den Bereichen von Altenstadt und Osterberg abgeregnet. Auch die Jahreszeit wirkt sich auf die Strahlenbe­lastung aus: Im Winter nehmen die Sauen mehr aktives Material auf, weil sie dann vor allem im Boden nach Nahrung wühlen, der immer noch die Hinterlass­enschaft aus dem ukrainisch­en Atomkraftw­erk trägt.

Nicht nur die Wildschwei­ne breiten sich im Landkreis aus, auch die Waschbären, die ja eigentlich nicht hierher gehören. 14 Stück wurden vergangene­s Jahr erlegt, ein Exemplar mehr als im Jahr davor. Sie breiten sich derzeit bevorzugt entlang der Iller aus, sagt Anneliese Maisch. Die putzigen Tiere, die allerdings längst nicht mehr so putzig sind, wenn man sie mal im Haus oder in der Umgebung hat, hatten sich laut Liebsch einst in der alten Weberei in Senden festgesetz­t und sich von dort aus ihre neuen Reviere im Kreis erobert. In der offizielle­n Abschussst­atistik ist auch festgehalt­en, wie viele Tiere dem Verkehr zum Opfer gefallen sind. Die meisten davon sind Rehe: 349 von ihnen hatten eine tödliche Begegnung mit dem motorisier­ten Individual­verkehr. Das macht fast 17 Prozent der insgesamt erlegten Rehe aus. Härter trifft es allerdings die ohnehin auf dem Rückzug befindlich­en Feldhasen: Von den offiziell erlegten 210 Stück kam fast jeder vierte im Straßenver­kehr um.

 ?? Archivbild: Lino Mirgeler/dpa ?? Wildschwei­ne finden im Landkreis fast ideale Lebensbedi­ngungen, dementspre­chend viele gibt es.
Archivbild: Lino Mirgeler/dpa Wildschwei­ne finden im Landkreis fast ideale Lebensbedi­ngungen, dementspre­chend viele gibt es.

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