Neu-Ulmer Zeitung

Vh-Chef Hantel will Kontrovers­en und Ulmer Ideen

- VON SEBASTIAN MAYR

Bildung Seit einem Jahr leitet Christoph Hantel die Institutio­n. Der 49-Jährige schwärmt von seiner Arbeit und dem Umfeld. Doch die Volkshochs­chule hat es gerade nicht leicht. Corona hat viele Pläne platzen lassen, aber auch Vorhaben beschleuni­gt

Ulm Großbauste­llen in ganz Ulm, Planungsau­ftakt für die neue Fußgängerz­one, Vorbereitu­ngen für die Landesgart­enschau 2030. Die Stadt verändert ihr Gesicht. Die Ulmer Volkshochs­chule wollte diese Entwicklun­g begleiten, mitgestalt­en, sich einbringen. Ihr Semesterth­ema war wie gemalt für diese Zeit. Dann kam Corona. Vieles hat sich geändert, ein Großteil des Programms ist geplatzt. Doch das Semesterth­ema passt noch immer wie gemalt.

Es ist das erste Thema, über das Christoph Hantel mitentschi­eden hat: „Stadträume, Lebensräum­e, Freiräume“. Hantel, zuvor Leiter der Volkshochs­chule Lüdinghaus­en, ist seit rund einem Jahr Chef der Ulmer Vh. Und während ein Großteil der Veranstalt­ungen der Corona-Pandemie und den Einschränk­ungen zum Opfer fiel, mit denen das Virus bekämpft werden soll, hat das aktuelle Schwerpunk­tthema der Einrichtun­g eine neue Bedeutung bekommen. Stadt oder Land, wo ist das Leben besser? Wie steht es um die Grundrecht­e und die Möglichkei­ten zur Entfaltung? Fragen, die gerade Diskussion­en prägen. „Da passt sehr stark“, bestätigt Hantel. Eigentlich hätte die Vh andere Spuren hinterlass­en wollen: sichtbar angebracht­e Gedichte in der Stadt zum Beispiel. Im Herbst soll es ein neues Semesterth­ema geben, soweit dann Veranstalt­ungen möglich sind. „Das Thema ist durch, so schade es ist“, meint Hantel.

Im April 2019 kam der heute 49-Jährige nach Ulm, seit Mai 2019 leitet er als Nachfolger von Dagmar Engels die Vh. 28 Jahre lang war Engels das Gesicht der Institutio­n. Einen ähnlichen Status will auch Hantel erreichen, wenn auch wohl in weniger Jahren. Um ihn selbst, sagt der gebürtige Bonner, gehe es ihm dabei nicht. Aber eine Einrichtun­g wie die Vh brauche eben ein Gesicht. Jemanden, den man kennt in der Stadt.

Christoph Hantel kennt schon viele und viele kennen ihn, vor allem viele Entscheide­r. Er hat die Bürgermeis­ter und Räte Ulms, Neu-Ulms und der zehn Gemeinden im Alb-Donau-Kreis getroffen, in denen die Vh den Bürgern Angebote macht. „Ich habe viele Menschen kennenlern­en dürfen“, sagt Hantel. „Das zahlt sich jetzt aus.“Denn jetzt, dank Corona, geht das nicht mehr so einfach. Und die Absprachen sind trotzdem nötig. Zum Beispiel über das Geld.

Weil viele Veranstalt­ungen aus

hat die Vh Probleme bekommen. „Der Institutio­n geht es nicht gut, wir müssen richtig kämpfen“, sagt ihr Leiter. Ein Teil der Beschäftig­ten sei in Kurzarbeit. Besonders leid täten ihm die mehr als 600 frei

en Kursleiter: „Für die kann ich nichts tun.“Fast nichts. 150 Kurse bietet die Ulmer Volkshochs­chule digital an, sie werden gut angenommen und geben zumindest einigen Kursleiter­n die Chance, weiterzuar­fallen,

beiten. Inzwischen ist auch das Einsteinha­us wieder geöffnet, unter strengen Hygienereg­eln. Christoph Hantel rechnet auf absehbare Zeit mit einem dreigleisi­gen System: digitale Kurse, kurze Veranstalt­ungen mit wenigen Teilnehmer­n und eine Mischung aus beidem. Dann könnten zum Beispiel fünf Besucher eines Sprachkurs­es ins Einsteinha­us kommen, der Rest bliebe zuhause und wäre übers Internet zugeschalt­et. Eine Herausford­erung für die Kursleiter, aber eine Chance für die Vh.

Schon im vergangene­n Jahr hatte Hantel davon gesprochen, die Digitalisi­erung vorantreib­en zu wollen. Jetzt hat Corona den Druck erhöht. „Die Mitarbeite­r, auf die ich unglaublic­h stolz bin, haben das in unfassbare­r Geschwindi­gkeit umgesetzt“, schwärmt er. Neu sind nicht nur die digitalen Kursangebo­te. Seit Ende Februar ist die neue Internetse­ite der Einrichtun­g online. Die Homepage ist nicht nur oberflächl­ich modern, im Hintergrun­d verbirgt sich ein interner Bereich mit einem Abrechnung­ssystem und der Möglichkei­t für Mitarbeite­r und Kursleiter, sich auszutausc­hen.

Was noch kommen könnte? Die Vh will Plattforme­n wie Facebook und Instagram nutzen, um andere Zielgruppe­n anzusprech­en. „Es gibt keine Lebenslage, für die wir kein Angebot hätten“, sagt Hantel. Doch das wisse eben noch nicht jeder. Das Stammpubli­kum will der Vh-Chef aber auf keinen Fall vergraulen. Thematisch wünscht sich der 49-Jährige weiter eine Mischung aus Querschnit­tsthemen wie dem aktuellen und aus greifbaren Schwerpunk­ten. Wenn ein Thema groß genug sei, biete es Raum für Ulmer Ideen. „Es soll Platz geben für Kontrovers­en und für den Zungenschl­ag dieser Stadt“, hebt Hantel hervor.

Auf einen greifbaren Schwerpunk­t setzte die Vh im ersten Semester unter Hantel: Frankreich. Es sei sozusagen ein Begrüßungs­geschenk gewesen, berichtet der Leiter der Einrichtun­g. Das habe ihm seine Vorgängeri­n Dagmar Engels erzählt. Hantel hatte nach seiner Wahl zum neuen Leiter gesagt, ihm liege die Europäisch­e Union am Herzen. Daraufhin habe das VhGremium diesen Schwerpunk­t ausgesucht. „Ich fühle mich uneingesch­ränkter wohl und willkommen“, betont Hantel und meint nicht nur die Vh, sondern die ganze Stadt. Er schwärmt von der Hilfsberei­tschaft der Menschen und von Ulm an sich. Eigentlich, gesteht Hantel, habe er oft in die Berge fahren sollen. Aber jetzt sei er doch nur in der Ulm gewesen – und an den Wochenende­n im Münsterlan­d, wo seine Familie noch lebt. Im Juli folgt der Umzug an die Donau. „Ich zähle die Tage“, sagt der verheirate­te Vater dreier Kinder der sich als totalen Familienme­nschen bezeichnet.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Christoph Hantel leitet seit rund einem Jahr die Ulmer Volkshochs­chule. Die Themen, auf die die Institutio­n setzt, sollen Raum für Kontrovers­en und Ulmer Ideen bieten.
Foto: Alexander Kaya Christoph Hantel leitet seit rund einem Jahr die Ulmer Volkshochs­chule. Die Themen, auf die die Institutio­n setzt, sollen Raum für Kontrovers­en und Ulmer Ideen bieten.

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