Vh-Chef Hantel will Kontroversen und Ulmer Ideen
Bildung Seit einem Jahr leitet Christoph Hantel die Institution. Der 49-Jährige schwärmt von seiner Arbeit und dem Umfeld. Doch die Volkshochschule hat es gerade nicht leicht. Corona hat viele Pläne platzen lassen, aber auch Vorhaben beschleunigt
Ulm Großbaustellen in ganz Ulm, Planungsauftakt für die neue Fußgängerzone, Vorbereitungen für die Landesgartenschau 2030. Die Stadt verändert ihr Gesicht. Die Ulmer Volkshochschule wollte diese Entwicklung begleiten, mitgestalten, sich einbringen. Ihr Semesterthema war wie gemalt für diese Zeit. Dann kam Corona. Vieles hat sich geändert, ein Großteil des Programms ist geplatzt. Doch das Semesterthema passt noch immer wie gemalt.
Es ist das erste Thema, über das Christoph Hantel mitentschieden hat: „Stadträume, Lebensräume, Freiräume“. Hantel, zuvor Leiter der Volkshochschule Lüdinghausen, ist seit rund einem Jahr Chef der Ulmer Vh. Und während ein Großteil der Veranstaltungen der Corona-Pandemie und den Einschränkungen zum Opfer fiel, mit denen das Virus bekämpft werden soll, hat das aktuelle Schwerpunktthema der Einrichtung eine neue Bedeutung bekommen. Stadt oder Land, wo ist das Leben besser? Wie steht es um die Grundrechte und die Möglichkeiten zur Entfaltung? Fragen, die gerade Diskussionen prägen. „Da passt sehr stark“, bestätigt Hantel. Eigentlich hätte die Vh andere Spuren hinterlassen wollen: sichtbar angebrachte Gedichte in der Stadt zum Beispiel. Im Herbst soll es ein neues Semesterthema geben, soweit dann Veranstaltungen möglich sind. „Das Thema ist durch, so schade es ist“, meint Hantel.
Im April 2019 kam der heute 49-Jährige nach Ulm, seit Mai 2019 leitet er als Nachfolger von Dagmar Engels die Vh. 28 Jahre lang war Engels das Gesicht der Institution. Einen ähnlichen Status will auch Hantel erreichen, wenn auch wohl in weniger Jahren. Um ihn selbst, sagt der gebürtige Bonner, gehe es ihm dabei nicht. Aber eine Einrichtung wie die Vh brauche eben ein Gesicht. Jemanden, den man kennt in der Stadt.
Christoph Hantel kennt schon viele und viele kennen ihn, vor allem viele Entscheider. Er hat die Bürgermeister und Räte Ulms, Neu-Ulms und der zehn Gemeinden im Alb-Donau-Kreis getroffen, in denen die Vh den Bürgern Angebote macht. „Ich habe viele Menschen kennenlernen dürfen“, sagt Hantel. „Das zahlt sich jetzt aus.“Denn jetzt, dank Corona, geht das nicht mehr so einfach. Und die Absprachen sind trotzdem nötig. Zum Beispiel über das Geld.
Weil viele Veranstaltungen aus
hat die Vh Probleme bekommen. „Der Institution geht es nicht gut, wir müssen richtig kämpfen“, sagt ihr Leiter. Ein Teil der Beschäftigten sei in Kurzarbeit. Besonders leid täten ihm die mehr als 600 frei
en Kursleiter: „Für die kann ich nichts tun.“Fast nichts. 150 Kurse bietet die Ulmer Volkshochschule digital an, sie werden gut angenommen und geben zumindest einigen Kursleitern die Chance, weiterzuarfallen,
beiten. Inzwischen ist auch das Einsteinhaus wieder geöffnet, unter strengen Hygieneregeln. Christoph Hantel rechnet auf absehbare Zeit mit einem dreigleisigen System: digitale Kurse, kurze Veranstaltungen mit wenigen Teilnehmern und eine Mischung aus beidem. Dann könnten zum Beispiel fünf Besucher eines Sprachkurses ins Einsteinhaus kommen, der Rest bliebe zuhause und wäre übers Internet zugeschaltet. Eine Herausforderung für die Kursleiter, aber eine Chance für die Vh.
Schon im vergangenen Jahr hatte Hantel davon gesprochen, die Digitalisierung vorantreiben zu wollen. Jetzt hat Corona den Druck erhöht. „Die Mitarbeiter, auf die ich unglaublich stolz bin, haben das in unfassbarer Geschwindigkeit umgesetzt“, schwärmt er. Neu sind nicht nur die digitalen Kursangebote. Seit Ende Februar ist die neue Internetseite der Einrichtung online. Die Homepage ist nicht nur oberflächlich modern, im Hintergrund verbirgt sich ein interner Bereich mit einem Abrechnungssystem und der Möglichkeit für Mitarbeiter und Kursleiter, sich auszutauschen.
Was noch kommen könnte? Die Vh will Plattformen wie Facebook und Instagram nutzen, um andere Zielgruppen anzusprechen. „Es gibt keine Lebenslage, für die wir kein Angebot hätten“, sagt Hantel. Doch das wisse eben noch nicht jeder. Das Stammpublikum will der Vh-Chef aber auf keinen Fall vergraulen. Thematisch wünscht sich der 49-Jährige weiter eine Mischung aus Querschnittsthemen wie dem aktuellen und aus greifbaren Schwerpunkten. Wenn ein Thema groß genug sei, biete es Raum für Ulmer Ideen. „Es soll Platz geben für Kontroversen und für den Zungenschlag dieser Stadt“, hebt Hantel hervor.
Auf einen greifbaren Schwerpunkt setzte die Vh im ersten Semester unter Hantel: Frankreich. Es sei sozusagen ein Begrüßungsgeschenk gewesen, berichtet der Leiter der Einrichtung. Das habe ihm seine Vorgängerin Dagmar Engels erzählt. Hantel hatte nach seiner Wahl zum neuen Leiter gesagt, ihm liege die Europäische Union am Herzen. Daraufhin habe das VhGremium diesen Schwerpunkt ausgesucht. „Ich fühle mich uneingeschränkter wohl und willkommen“, betont Hantel und meint nicht nur die Vh, sondern die ganze Stadt. Er schwärmt von der Hilfsbereitschaft der Menschen und von Ulm an sich. Eigentlich, gesteht Hantel, habe er oft in die Berge fahren sollen. Aber jetzt sei er doch nur in der Ulm gewesen – und an den Wochenenden im Münsterland, wo seine Familie noch lebt. Im Juli folgt der Umzug an die Donau. „Ich zähle die Tage“, sagt der verheiratete Vater dreier Kinder der sich als totalen Familienmenschen bezeichnet.