Neu-Ulmer Zeitung

Post vom Genie

- VON RONALD HINZPETER

Geschichte Das Ulmer Stadtarchi­v hat einen weiteren Brief von Albert Einstein erworben. Er zeigt, wie der Nobelpreis­träger Menschen geholfen hat, die von den Nazis verfolgt wurden

Ulm Albert Einstein ist ein Superstar – und alles, was sich mit seinem Namen verbindet, hat seinen Preis. Zum Beispiel Schriftlic­hes aus der Feder des Genies. So wurde etwa vor eineinhalb Jahren ein von ihm handgeschr­iebener Brief, in dem er die Existenz Gottes bezweifelt, in New York für umgerechne­t 2,55 Millionen Euro versteiger­t. Auch das Ulmer Stadtarchi­v hat nun einen weiteren Brief vom berühmtest­en Sohn der Stadt erworben, musste dafür allerdings deutlich weniger berappen.

Die Gelegenhei­t war offenbar günstig – „so günstig, dass wir zuschlagen mussten“, sagte der Historiker Ingo Bergmann bei der Präsentati­on des Originalsc­hreibens, zu dem sich noch ein weiteres von seiner zweiten Ehefrau Elsa gesellte, das nun ebenfalls zur Sammlung des Stadtarchi­vs gehört. Bergmann ist zuständig für die geplante Dauerausst­ellung „Albert Einstein und seine Ulmer Familie“, die in zwei Jahren eröffnet werden soll. Die beiden Briefe werden ein Teil der Schau sein. Was sie jedoch gekostet haben, wollen Bergmann und Stadtarchi­vdirektor Michael Wettengel nicht verraten. Es sei ein guter Preis gewesen. Es handelt sich um zwei Din-A4-Bogen, die mit der Schreibmas­chine getippt wurden. Das von Albert Einstein verfasste Schreiben war offenbar für einen mittleren vierstelli­gen Betrag zu haben. Für die Ausstellun­g sind beide Dokumente wertvoll, denn sie zeigen die Verbundenh­eit der Familie Einstein mit Ulm, die offenbar größer war, als früher vermutet.

Albert Einstein, der nur 15 Monate in Ulm lebte, bis die Eltern mit dem kleinen Buben nach München übersiedel­ten, hatte zur Stadt ein eher gespaltene­s Verhältnis. Allerdings war er nach den Worten von Bergmann und Wettengel seinen schwäbisch­en Verwandten sehr verbunden. So richtet sich sein jetzt erworbener Brief an den Ulmer Vetter Leopold Hirsch. Der war mit Einsteins Cousine Frida verheirate­t. Das Ehepaar schaffte es, nach einer abenteuerl­ichen Flucht um die halbe Welt – unter anderem mit der Transsibir­ischen Eisenbahn – über Korea und Japan nach San Francisco zu gelangen. Ihre Tochter Anneliese konnte nach New York auswandern. Zeitweilig wohnte sie bei Albert Einstein in Princeton im USBundesst­aat New Jersey.

In seinem Brief an Leopold Hirsch aus dem Jahr 1940 schreibt Einstein, wie er nahen Verwandten in der Zeit des Nationalso­zialismus Hilfe zukommen ließ. Er stellte für verfolgte Juden Bürgschaft­en aus, die allerdings immer häufiger abgelehnt würden, weil er schon so viele habe. Nach Ansicht des Ulmer Stadtarchi­vs zeige dieser Brief, wie sehr sich der weltbekann­te Physiker für die Unterstütz­ung und die Rettung von Freunden, Bekannten, Kollegen und Verwandten eingesetzt hatte.

Das zweite erworbene Schreiben von der Hand Elsa Einsteins ist ein wenig älter, es wurde 1934 verfasst. Es ging an ihren Vetter Erich Marx, Sohn des gebürtigen Ulmers August Marx, der damals ebenso wie die Einsteins schon in den USA lebte. Der Brief enthält eine kleine schwäbisch­e Reminiszen­z: „Ich schicke dir morgen einen kleinen heimatlich­en Gruss, etwas S(üßes) und Plätzle: wie einst in Ulm.“

Bei der Präsentati­on der beiden Brief schalteten Wettengel und Bergmann per Video noch einen Gast aus Amerika zu, Karen Carlson aus Chicago. Sie ist die Tochter von Anneliese Hirsch, dem Kind von Leopold und Frida Hirsch. Einstein hatte der damals 18-Jährigen geholfen, in die USA zu emigrieren. Sie berichtete davon, wie sehr ihre Mutter in ihrer neuen Heimat noch der alten, der deutschen, verbunden war. Auch für Karen Carlson hat die Stadt an der Donau ihren ganz eigenen Reiz. Ihre Wohnung hat sie mit vielen Andenken aus Schwaben dekoriert: „Ulm ist überall im ganzen Haus.“Für sie ist Ulm, das sie schon mehrfach besucht hat, einfach „ein magischer Ort“.

Die beiden Briefe sind nun ein weiterer Puzzlestei­n für die geplante Einstein-Dauerausst­ellung, die in einem von Ulms markantere­n Gebäuden unterkommt, in der ehemaligen Gastwirtsc­haft „Zum König von England“am Weinhof, im Volksmund kurz „Der Engländer“genannt. Sobald die Räume frei werden, kann im nächsten Jahr mit dem Ausbau begonnen werden. Für das Jahr 2022 ist die Eröffnung geplant. Bis dahin wollen Bergmann und das Stadtarchi­v noch weitere Zeugnisse aus dem Leben von Einstein zusammentr­agen, um eine möglichst umfassende Geschichte davon erzählen zu können, wie der berühmte Physiker und seine Familie mit Ulm verbunden waren.

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 ??  ?? Wertvolle Papiere: Stadtarchi­vdirektor Michael Wettengel (links) und der Historiker Ingo Bergmann präsentier­en einen jüngst erworbenen Originalbr­ief Albert Einsteins und einen von seiner Frau Elsa. Adressat des Einstein-Schreibens ist Vetter Leopold Hirsch, der unten links im Bild zu sehen ist, zusammen mit seiner Frau Frida und Tochter Anneliese.
Wertvolle Papiere: Stadtarchi­vdirektor Michael Wettengel (links) und der Historiker Ingo Bergmann präsentier­en einen jüngst erworbenen Originalbr­ief Albert Einsteins und einen von seiner Frau Elsa. Adressat des Einstein-Schreibens ist Vetter Leopold Hirsch, der unten links im Bild zu sehen ist, zusammen mit seiner Frau Frida und Tochter Anneliese.

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