Viele kleine Berblinger aus Silber
Schmuck
Die Ulmer Goldschmiede Dentler formt filigrane Figürchen zu Ehren des Schneiders von Ulm
Ulm Wer in diesen Tagen an den Schaufenstern der Goldschmiede Dentler in der Gerbergasse vorbeigeht, wundert sich: Schmuckstücke sind viele der silbernen Miniaturen nicht, die da zu sehen sind. Die feingliedrigen Figürchen, meist als Schneider von Ulm und sein zeitgenössisches Umfeld erkennbar, sind auf Donaukieseln fixiert. Daneben gibt es auch andere winzige Kunstwerke zu sehen, die den Traum vom Fliegen träumen und an ihren Visionen herumbasteln. Sie versuchen zum Beispiel, auf Rädern, einer der ersten mechanischen Erfindungen der Menschheit, ins Weltall zu kommen. Gisela und Ira Dentler, Mutter und Schwester von Timo Dentler – der mit seiner Partnerin die aktuelle Stadthaus-Ausstellung „Die Welt, ein Raum mit Flügeln“gestaltete – leisten ihren eigenen künstlerischen Beitrag zu Albrecht Ludwig Berblingers 250. Geburtstag.
Ein winziger Berblinger, zierlich und grazil geformt, reckt seinen
Körper und seinen gebrochenen Flugapparat aus den Fluten der Donau, während im Hintergrund ein Zillenfahrer näherkommt, um den Gescheiterten aus dem Wasser zu ziehen. Auf einem anderen Kieselstein ist es der Mini-Berblinger selbst, der sich auf das Steinchen und damit ins Trockene rettet, den linken Flügel des Flugapparates noch am Arm, während der rechte Flügel abgebrochen auf dem Steinchen liegt. Auf einem weiteren Kieselstein erprobt ein elegant gekleideter Berblinger kühn und erhobenen Hauptes quasi auf dem Gipfel seine Flugkünste. Andere MiniMenschen versuchen vor und hinter ihm, auf diesen Gipfel zu kommen, und schaffen es nicht. Die doppeldeutige Szenerie erinnert an den Michelsberg, wo Berblinger seinen Traum lebte, übertragen spielt sie aber auch auf den Neid derer an, denen Mut oder Können fehlten. Wieder auf einem anderen Kieselstein gruppieren sich protzige, schimpfende und lästernde Bürger sitzend und stehend, ein Mann mit einem
Kind auf dem Arm, an der Absturzstelle, und ihre Gesichter sind voll Häme und Besserwissertum – fühlten sich die Bürger doch wohl bei Berblingers Absturz vor hohem Besuch als die Blamierten. Was die Szenen alle eint: Sie sind – jede für sich – Unikate aus Silber.
Die Idee zu einer solchen Schaufensterausstellung, mit realen und fiktiven Szenen um den Schneider herum, hatten Mutter und Tochter gemeinsam – wobei es einen Unterschied gibt: „Ich habe zuerst den Kieselstein gebraucht, um mit ihm eine Szene zu gestalten“, erzählt Ira
Dentler. „Und ich habe zuerst meine Figürchen geschaffen und dann geschaut, welcher Stein zu ihr passt“, schildert Gisela Dentler.
Nur drei Wochen – die aber Tag und Nacht – haben sie gebraucht, um all die Exponate ihrer MiniaturSchau zu gestalten, erzählen Mutter und Tochter. Das bedeutete, zuerst winzige Wachsformen der Figürchen zu entwerfen und zu modellieren, sie dann nach Pforzheim zu fahren und dort in Silber gießen zu lassen. „Die Wachsformen sind so fein, dass wir wirklich Angst hatten, sie könnten zerbrechen“, berichtet Ira Dentler. Kein Wunder: Jede der Mini-Skulpturen hat einen ureigenen Gesichtsausdruck, der von Emotionen erzählt.
Alles ging aber gut, und aus jedem Modell wurde eine Mini-Szenerie, in der es um kühne Träume, ums Scheitern, um Spott und kleingeistigem Neid geht. Und für den, der Berblinger ganz nah bei sich haben möchte, gibt es die Minifigur mit Flügeln auch als kleinen Anhänger, um den Hals zu tragen.