„Die einen schicken Blumen, die anderen
Interview
Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Anwärter auf den CDU-Vorsitz, über die verschie die Details eines möglichen Konjunkturpaketes – und die Frage, wie er sich unter dem ungeheuren Druck dieser Kr
Herr Laschet, Sie galten in der Corona-Krise als Wortführer für schnellere Lockerungen. Nun hat Ihnen Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow den Rang abgelaufen, der so gut wie keine Auflagen mehr für seine Bürger möchte. Eifersüchtig?
Laschet: Natürlich nicht. Herr Ramelow hat ja einen völlig anderen Vorschlag gemacht, als ich es in der Vergangenheit getan habe. Für mich war immer die Abwägungsfrage das Entscheidende: Welche Schäden, kurz-, mittel- und langfristig, richten wir durch die Abriegelungen an? Mir ging es immer darum, nicht einseitig auf die Wirkung des Lockdowns zu schauen, sondern auch zu fragen, welche Schäden wir damit auslösen. Das Ergebnis unserer vorsichtigen Öffnungen ist, dass bei uns in Nordrhein-Westfalen seit April die Zahl der Neuinfektionen um 75 Prozent gesunken ist. Das zeigt doch, dass unsere Entscheidungen maßvoll und vernünftig waren. Ich habe übrigens nie Sorgen gehabt, dass das Öffnen und Lockern bei uns im Land ein großes Problem ist. Denn ich hatte Vertrauen, dass die Bürger sich verantwortlich verhalten. Diese Grundüberzeugung war nicht populär, gewiss. Lange Zeit war es populärer, möglichst viel zu verbieten.
Lange galt auch der Rat von Virologen in der Politik als maßgeblich. Diese würden gerne die Einschränkungen verlängern und sehen die jetzigen Öffnungen skeptisch. Spielen Virologen also politisch keine Rolle mehr?
Laschet: Ich will mich ja eigentlich nicht mehr zu Virologen äußern, seitdem ich für einige kritische Bemerkungen kritisiert wurde (lacht). Nur so viel: Natürlich ist der Rat aus der Wissenschaft für uns jederzeit wichtig – auch, aber nicht nur der von Virologen, sondern auch von Kinderärzten, Psychologen, Juristen, Ethikern, Wirtschaftswissenschaftlern. Ich habe mit großem Interesse die jüngste Äußerung von Professor Drosten vernommen, dass es in Deutschland doch vielleicht keine zweite Welle geben wird, wenn wir alles richtig machen.
Eben dieser Herr Drosten liefert sich gerade einen sehr öffentlichen Schlagabtausch mit der „Bild“-Zeitung und anderen Virologen. Laschet: Ich will diesen medialen Streit nicht bewerten. In der politischen Debatte gehört die Auseinandersetzung dazu. Dass sich Virologen jetzt gegenseitig ihre Methoden vorwerfen, das ist halt so.
Nur macht das etwa die Frage, wann wir Kinder wieder ins richtige Leben entlassen, noch komplizierter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat beklagt, dass es zu diesem Punkt nicht genügend belastbare Studien gibt und man als Politiker manchmal nicht definitiv weiß, was man machen soll.
Laschet: Ja, das stimmt. Aber es gibt schon Erfahrungswerte, etwa durch verschiedene Studien aus einigen Ländern. Das sind Anhaltspunkte, an denen wir uns orientieren können. Wir versuchen ab dem 8. Juni in Nordrhein-Westfalen in den Kitas in den Regelbetrieb zurückzukehren. Wir können ja schlecht die Eltern alleine lassen, bis irgendwann in ein oder zwei Jahren ein Impfstoff auf dem Markt ist.
Schon jetzt gibt es viele verschiedene Regelungen in den einzelnen Bundesländern. Soll sich das Coronavirus künftig an Landesgrenzen halten?
Laschet: Das Virus stoppt weder an den Grenzen der Nationalstaaten noch an den innerdeutschen Landesgrenzen. Die Idee in der letzten Besprechung der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin war, regional und nach Infektionsschwerpunkten zu handeln. Das kann ein Zentralstaat gar nicht leisten.
Also hatte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann recht mit seiner Aussage, von nun an müssten Ministerpräsidenten und Kommunen das Corona-Management übernehmen?
Laschet: Wenn Kretschmann gemeint haben sollte, dass wir die Gespräche mit der Kanzlerin nicht mehr brauchen, dann wäre das falsch. Wir werden weiterhin einige gemeinschaftliche Standards benötigen und darum auch ringen müssen. Ministerpräsidenten und Kanzlerin müssen also selbstverständlich weiterhin miteinander im Dialog bleiben.
Frau Merkel hat unverhohlen darauf hingewiesen, dass die Bundeswehr bereitsteht, wenn die Infektionszahlen in den Ländern wieder steigen sollten. Haben Sie keine Angst, dass genau das passiert und der Bund erneut die Regie übernehmen muss?
Laschet: Die Verantwortung im Umgang mit der Pandemie lag von Beginn bei den Kommunen und den Ländern. Wenn die Bundeswehr bei Bedarf hilft, ist das gut.
Zu Beginn der Krise wirkte es schon, als ob die Anweisungen aus dem Bundeskanzleramt kämen.
Laschet: Das habe ich nicht so empfunden. Die Bundeskanzlerin hat alle zusammengehalten. Wir haben alle das gleiche Interesse: So viel Gemeinsamkeit im Umgang mit der Pandemie wie möglich und nötig. Klarheit in den zentralen Fragen, etwa bei den Kontaktbeschränkungen, schafft ja auch Vertrauen. Das Angebot der Kanzlerin zum Einsatz der Bundeswehr im Notfall bestand ja schon von Anfang an.
Bleiben wir mal optimistisch und gehen davon aus, dass die Zahl der Neuinfizierten niedrig bleibt – die wirtschaftliche Krise aber so wuchtig ausfällt wie derzeit prognostiziert. Werden wir dann in Deutschland eine noch stärkere gesellschaftliche Spaltung erleben als in der Flüchtlingskrise?
Laschet: Das ist eine meiner größten Sorgen. Viele der Experten, mit denen ich mich austausche – Ärzte, Naturwissenschaftler, aber auch Sozialwissenschaftler oder Ökonomen –, haben früh vor gesellschaftlicher Polarisierung und Spaltung gewarnt. Das merke ich auch an den Briefen und E-Mails, die ich gerade bekomme, so viele wie noch nie in meinem politischen Leben.
Was steht darin?
Laschet: Na ja, die einen sagen: Du schickst uns in den Tod. Andere sagen: Das ist ja alles Wahnsinn mit den Maßnahmen und ihr schränkt unsere Freiheit ein. Die einen schicken Blumen als Dank für das Krisenmanagement, andere senden Beschimpfungen. Diese Polarität könnte zunehmen, sollte die wirtschaftliche Lage noch dramatischer werden.
Rentner oder Beamte dürften kaum Einbußen erleben, viele Selbstständige könnten jedoch vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.
Laschet: In der Tat könnte es in Deutschland so kommen, dass wir die einen mit einem relativ sicheren Einkommen haben, die dem entschleunigten Leben in Corona-Zeiten vielleicht sogar etwas Gutes abgewinnen können. Dann sind da andere, die in die Arbeitslosigkeit abrutschen oder künftig auf Lohn verzichten müssen. Und dann sind da noch viele Soloselbstständige, deren Existenz regelrecht vernichtet wird. Diese Vielschichtigkeit der Krise könnte zu einer ganz anderen Polarisierung als in der Flüchtlingskrise führen. Wir Politiker werden auch in unserer Sprache genau aufpassen müssen, diese Gruppen besonnen und klug zusammenzuhalten.
Die drohende Spaltung klingt wie ein Konjunkturprogramm für die Populisten von der AfD.
Laschet:
Sie wollen aber auch weitere St etwa einen Familienbonus von 600 Kind. Das ist happig.
Laschet: