3000 Quadratmeter Zukunft
Berlin
„Haus der Zukünfte“nennt sich das neue Futurium in Berlin. Das modernste Museum der Stadt ist wieder auf
Der berühmte „Schweinehund“ist groß, weiß und flauschig. Ein riesiges Kuschelsofa zum Verschnaufen. Doch wenn man den Kopf an sein Fell legt, hört man auf einmal Stimmen: „Ich als winzig kleines Licht beeinflusse doch das Klima nicht“, heißt es. Oder: „Was soll das Hin und Her – wenn ich nicht fliege, bleibt mein Platz im Flugzeug leer.“Vertraute Sätze, zugespitzt von einem Kabarettisten.
Warum fällt es so schwer, den eigenen Konsum nachhaltig zu reduzieren? Das ist nur eine von unzähligen Fragen, die im Futurium in Berlin aufgeworfen werden. „Wie wollen wir leben?“, lautet das Schlüsselthema in dem im Herbst 2019 eröffneten Haus im Herzen des Berliner Regierungsviertels. Die Besucher sollen dabei motiviert werden zu experimentieren, mitzugestalten, sich auszutauschen und einzumischen. Nun wurde das wohl modernste Museum Berlins mit einem neu gestalteten Rundgang „coronafest“gemacht.
„Das Futurium bietet keine fertigen Szenarien, sondern Optionen, wie es mit der Menschheit weitergehen kann“, sagt Jasmin Minges, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Ausstellungsteam. „Wir sprechen daher nicht von ‚der Zukunft’, sondern von Zukünften.“Das ambitionierte Projekt wurde vom Bundesforschungsministerium initiiert und mit der Unterstützung vieler renommierter Forschungsinstitute umgesetzt.
Der Standort könnte kaum passender sein: Aus den riesigen Glasfronten des schwarz schimmernden
Bauwerks, dessen Fassade aus über 8000 reflektierenden Kassettenelementen besteht, fällt der Blick auf Reichstag und Kanzleramt.
Das über einen „Skywalk“begehbare Dach – während der Corona-Zeit geschlossen – wurde mit Sonnenkollektoren bestückt. Hier wird auch das Regenwasser gesammelt, um es für die Gebäudekühlung zu verwenden. Herzstück des Hauses ist die 3000 Quadratmeter große Dauerausstellung, geordnet nach den Denkräumen Mensch, Natur und Technik. Ein junges Paar baut aus Klötzen gerade das „Haus der Zukunft“, im Hintergrund klappern Murmeln durch eine riesige Bahn. Eine gigantische Skulptur aus 2000 Holzelementen dominiert den Bereich „Natur“, Symbol für das Zusammenspiel von Natur und Technik. Gleich daneben staunen Besufuturistischen cher über Simulationen zu grünen Städten. „Das gefällt mir am meisten am Futurium“, sagt Jasmin Minges. „Dass wir eine Botschaft haben, zum Beispiel viel über Klimawandel und Nachhaltigkeit sprechen.“
Die Herausforderung für die Kulturwissenschaftlerin und ihre Kollegen lag darin, komplexe Themen leicht verständlich in Ausstellungsmodule zu gießen: „Wir mussten die
Dossiers unserer Experten in Geschichten übersetzen, in kleine Happen aufteilen und überlegen, wo wir Infografiken, Filme, Experteninterviews oder interaktive Spiele einbauen. Das ist sehr aufwendig, macht aber wahnsinnig viel Spaß“, sagt die 38-Jährige.
Besonders umlagert ist das Modul zum Thema Genmedizin. Besucher stehen vor einer interaktiven Wand, wischen sich mit einer Handbewegung zur nächsten Frage, dirigieren einen Cursor zu ihren Antworten. Aus der Ferne betrachtet wirken sie wie Marionetten in einem modernen Theaterstück – oder wie Darsteller in einem Science-Fiction-Film.
„Stell dir vor, du heißt Charlie. Du bist irgendwann in der Zukunft geboren. Deine Gene wurden bei deiner Geburt entschlüsselt. Und nun wurde ein Risiko-Gen entdeckt.“So beginnt die „Gen-Lotterie“, bei der man vor Entscheidungen gestellt wird: Teile ich meine Gendaten zum Wohle der Forschung? Vertraue ich lieber dem Arzt oder der Maschine? Fragen, die angesichts der Pandemie aktueller sind denn je.
Am Ende seines Besuchs erwartet jeden Gast die „Zukunftsmaschine“. Ein Computer wertet die gespeicherten Daten eines interaktiven Armbands aus, mit dem man sich durch die Ausstellung bewegt, und verrät, welcher „Zukunftstyp“man ist. Jasmin Minges und ihre Kollegen planen indessen schon weiter: Neue Module sollen mit dem Stand der Diskussion Schritt halten. Der „Schweinehund“darf bleiben, er wird den Menschen weiter seine Ausreden ins Ohr flüstern.