Allein das Putzen kostet mehr als eine Million Euro extra
Corona Wieder schlüsselt Finanzbürgermeister Bendel auf, wie stark die Stadtkasse Ulm von der Krise betroffen ist. Zentrale Fragen bleiben aber offen. Und im Gemeinderat regt sich leise Kritik
Ulm Oberbürgermeister Gunter Czisch muss kurz überlegen, bevor er erkennt, wer sich da zu Wort meldet. „Ich habe Probleme, über die Distanz jeden zu erkennen“, räumt er ein. Und dann sind da ja auch noch die Masken. Es ist die erste Gemeinderatssitzung in Ulm seit Beginn der Corona-Beschränkungen Mitte März. Jeder der 40 Rätinnen und Räte sitzt wie ein Schüler bei der Abschlussprüfung an einem Einzeltisch in der Donauhalle auf dem Messegelände. Die Beschränkungen wirken sich nicht nur auf die Sitzordnung aus, sie prägen auch die Tagesordnung. Finanzbürgermeister Martin Bendel gibt am frühen Freitagabend einen Zwischenbericht über die Folgen der Corona-Einschränkungen.
Seit Wochen ist die Stadtverwaltung angehalten, auf Sicht zu fahren und die Aufnahme neuer Projekte kritisch zu hinterfragen. Nun schließt Bendel auch weitere Schritte nicht aus: „Ob man eine Haushaltssperre braucht, werden wir erst im zweiten Halbjahr 2020 sehen.“Manche Kosten können schon abgeschätzt werden. Zum Beispiel die der Kita-Schließungen: 225 000 Euro fallen im April und Mai weg, weil die Gebühren an die Eltern zurückerstattet werden. Und mit 350000 Euro pro Monat unterstützt die Stadt kirchliche und freie Träger, damit auch diese die Beiträge zurückbezahlen können.
Bei den Grundschulen rechnet Bendel bis zum Ende des Jahres mit Mehrkosten von insgesamt 1,1 Millionen Euro allein für die zusätzlichen Reinigungskosten, die wegen der Hygienehinweise des badenwürttembergischen Kultusministeriums erforderlich sind.
Bis Ende Mai hat die Stadt durch die Einschränkungen während der Corona-Pandemie fast sechs Millionen Euro verloren – teils durch Mehrausgaben wie beim Putzen oder wegen des Kaufs von Schutzausrüstung, teils durch geringere Einnahmen. Doch wie wird es am Ende des Jahres aussehen? „Es ist sehr schwierig, belastbar zu sagen, wie sich die Krise auf die kommunalen Finanzen auswirkt“, sagt der Finanzbürgermeister. Denn das hänge stark von
Steuereinnahmen ab – beziehungsweise von der Höhe des Rückgangs von Steuereinnahmen. Der sei kaum abzuschätzen. Dennoch kündigt Bendel eine Prognose an, er will sie am 18. Juni vorlegen. Dann trifft sich der Hauptausschuss wieder in einer Präsenzsitzung. Videokonferenzen wären zwar zulässig. Die Stadtspitze sieht darin wegen des ausreichend verfügbaren Platzangebots und wegen Hygiene-Vorkehrungen aber keinen Bedarf. Einer Einschätzung, der lediglich Anja Hirschel aus der SPD-Fraktion widerspricht.
Wie stark Ulm sparen will oder muss, könnte also in zweieinhalb Wochen feststehen. So stark wie andere Städte werde man die Krise wohl nicht spüren, sagt Bendel in einer Sitzungspause. Den Laden dicht machen müsse man auf jeden Fall nicht, betont er. Die finanziellen Einbrüche spüren auch die städtischen Betriebe. Am Theater und im Donaubad ist Kurzarbeit eingeführt worden. Die SWU bekommt es wegen Einbußen im Fahrkartenverkauf schmerzlich zu spüren, dass Busse und Straßenbahnen viel weniger genutzt werden. Gleichzeitig unterstützen die Stadtwerke andere: Indem sie private Busunternehmen beauftragen, Fahrer und Taktverstärker einzusetzen. Die einzelnen Fahrzeuge sollen so weniger voll sein. Michael
Joukov-Schwelling (Grüne) regt das Gleiche für Fahrten zur Schule an: Kitas und Grundschulen in Baden-Württemberg sollen bis Anfang Juli komplett geöffnet werden. Joukov-Schwelling schlägt vor, dann auch Reisebusse einzusetzen, um weiteren Unternehmen zu helfen. Oberbürgermeister Gunter Czisch gibt sich zurückhaltend: Reisebusse seien in der Stadt schwer einsetzbar. Er setze in diese Fall eher darauf, die Anfangszeit des Unterrichts zu entzerren.
Von FDP-Stadtrat Erik Wischmann kommt Lob für die Krisenarbeit der Stadtverwaltung – aber auch Kritik, die der Liberale am Beispiel der städtischen Schul- und Kita-Pläne festmacht: Der Gemeinderat sei nicht eingebunden worden, moniert Wischmann: „Jetzt müssen wir vom Verwaltungsmodus auf den Demokratiemodus umschalten“, mahnt er.
Czisch und die für den Bereich Kinderbetreuung zuständige Bürgermeisterin Iris Mann geben ihm recht. Ein Versprechen will Mann aber mit Blick auf die kommenden Wochen nicht geben. „Wir hoffen, dass wir bei der nächsten CoronaVerordnung mehr als zwei Tage Zeit haben, einen kompletten Systemwechsel zu vollziehen“, sagt sie.
Der Bücherwurm hat derzeit Schlafstörungen. Nachts könnte er Schäfchen zählen, wüsste er nicht ganz genau, wie viele Schäfchen da auf dem Grundstück vor seinem Schlafzimmerfenster grasen. Zwar kam neulich an einem Dienstag ein sehr niedliches kleines Lämmchen dazu – aber zu zählen bringt nichts, wenn man das Ergebnis schon vorher kennt und doch nicht schlafen kann. Denn der Bücherwurm kennt die Stimmen der zwei Dutzend Schafe ziemlich gut, die alle verschieden klingen. Einen tut sie alle nur der Umstand, dass das kommunikative „Määäh“recht laut ist. Lämmchen wirft in die Diskussion der Stimmen immer wieder ein fragendes hohes „Määäääh?“ein, sonst aber ist das nächtliche Schafsgespräch stets eher eines aus dem Brustton der Überzeugung.
Der schlaflose Bücherwurm aber weiß etwas, was die Schafe nicht wissen: In ein paar Tagen kommt die Schafskälte. Und dann wird er sich die Decke über die Schultern ziehen und im Gegensatz zu den Schafen nicht frieren.
Eine Finanz-Prognose soll es Mitte Juni geben
Kurzarbeit am Theater und im Donaubad