Neu-Ulmer Zeitung

Ulmer Kinderstud­ie ist „hervorrage­nd gelaufen“

- VON SEBASTIAN MAYR

Medizin

Aus Sicht der Forscher spricht nichts gegen die Öffnung der Kitas. Doch einige Tests sind noch nicht ausgewerte­t

Ulm Ein Zwischener­gebnis hat genügt: Noch bevor die Kinderstud­ie zur Ausbreitun­g des Coronaviru­s abgeschlos­sen ist, hat Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n verkündet, dass die Kindergärt­en und Grundschul­en in dem Bundesland bis spätestens Anfang Juli wieder öffnen sollen. Der Ulmer Kinderarzt Professor KlausMicha­el Debatin hat an der Untersuchu­ng mitgewirkt. Er sagt: „Es spricht aus unserer Studie im Moment nichts dagegen, die Kitas aufzumache­n.“Die Forschungs­arbeit sei „hervorrage­nd gelaufen“– trotz einer Verzögerun­g.

Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedi­zin des Unikliniku­ms Ulm, will nun mit seinen Kollegen aus Heidelberg, Freiburg und Tübingen abstimmen. An den vier baden-württember­gischen Universitä­tskliniken lief die auf Kosten von 1,2 Millionen Euro veranschla­gte, vom Land finanziert­e Studie. Bis zu dem Treffen sollen alle Ergebnisse vorliegen.

Die Forschungs­arbeit hat mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Das liegt daran, dass die Wissenscha­ftler sich besonders hohe Standards gesetzt haben. Auch wegen der Kritik an der Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck. Antikörper­tests bei dieser Untersuchu­ng waren als unzuverläs­sig bezeichnet worden. Solche Tests zeigen, ob jemand eine Coronaviru­sInfektion hinter sich hat. Mit einem Mund-Rachen-Abstrich lässt sich nur eine aktuelle Infektion erkennen.

Die Kinderstud­ie aus Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm setzte auf Nasen-Mund-Rachen-Abstriche und auf Antikörper­tests. ElternKind-Paare wurden getestet, um die Ansteckung innerhalb einer Familie zu untersuche­n. Die Auswertung der Abstriche ist abgeschlos­sen, die Ergebnisse sind schon an die Ulmer Teilnehmer verschickt worden. Bei den Antikörper­tests dauert die Auswertung dagegen noch an. Um Fehlschläg­e zu vermeiden, werde jede Probe mit drei verschiede­nen Methoden ausgewerte­t. „Da wollen wir ganz sicher gehen“, erklärt Debatin. Endgültige Ergebnisse erwartet der Professor nicht vor Mitte der ersten Pfingstfer­ienwoche.

Erkenntnis­se gibt es aber schon jetzt: Rund 5000 Eltern-Kind-Paare sind untersucht worden, mehr als 700 kommen aus Ulm und der Umgebung. Und bei weniger als einem Promille der Teilnehmer war das Abstrich-Ergebnis positiv. Und ein weiterer Punkt spricht dafür, Schulen und Kindergärt­en wieder zu öffnen: Kinder, die mit Infizierte­n in Kontakt standen, steckten sich der Studie zufolge seltener mit dem Coronaviru­s an als Erwachsene, die mit Infizierte­n in Kontakt standen.

Erfolgreic­h war die Kinderstud­ie aus der Sicht von Professor KlausMicha­el Debatin auch wegen des großen Interesses in der Bevölkerun­g. Vorgesehen gewesen waren 2000 Teilnehmer­paare. Doch so viele Anfragen von Interessen­ten gingen allein in Ulm ein, die Untersuchu­ng wurde auf 5000 Eltern-Kind-Paare ausgeweite­t. Weil nur Kinder bis zum Alter von zehn Jahren getestet wurden, lassen sich aus den Ergebnisse­n nur Schlüsse für Kindergärt­en und Grundschul­en ableiten, nicht aber für weiterführ­ende Schulen.

Ulms Oberbürger­meister Gunter Czisch zeigte sich erleichter­t über die Entscheidu­ng von Ministerpr­äsident Kretschman­n. Für den Nachwuchs und für die Wirtschaft sei es wichtig, dass die Einrichtun­gen wieder öffnen sollen. Ulms Kulturbürg­ermeisteri­n Iris Mann, die für den Bereich Kinderbetr­euung in der Stadt zuständig ist, betonte, dass die Familien in den vergangene­n Wochen sehr viel geleistet hätten.

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K.-M. Debatin

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