Ulmer Kinderstudie ist „hervorragend gelaufen“
Medizin
Aus Sicht der Forscher spricht nichts gegen die Öffnung der Kitas. Doch einige Tests sind noch nicht ausgewertet
Ulm Ein Zwischenergebnis hat genügt: Noch bevor die Kinderstudie zur Ausbreitung des Coronavirus abgeschlossen ist, hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann verkündet, dass die Kindergärten und Grundschulen in dem Bundesland bis spätestens Anfang Juli wieder öffnen sollen. Der Ulmer Kinderarzt Professor KlausMichael Debatin hat an der Untersuchung mitgewirkt. Er sagt: „Es spricht aus unserer Studie im Moment nichts dagegen, die Kitas aufzumachen.“Die Forschungsarbeit sei „hervorragend gelaufen“– trotz einer Verzögerung.
Debatin, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Uniklinikums Ulm, will nun mit seinen Kollegen aus Heidelberg, Freiburg und Tübingen abstimmen. An den vier baden-württembergischen Universitätskliniken lief die auf Kosten von 1,2 Millionen Euro veranschlagte, vom Land finanzierte Studie. Bis zu dem Treffen sollen alle Ergebnisse vorliegen.
Die Forschungsarbeit hat mehr Zeit in Anspruch genommen als erwartet. Das liegt daran, dass die Wissenschaftler sich besonders hohe Standards gesetzt haben. Auch wegen der Kritik an der Heinsberg-Studie des Bonner Virologen Hendrik Streeck. Antikörpertests bei dieser Untersuchung waren als unzuverlässig bezeichnet worden. Solche Tests zeigen, ob jemand eine CoronavirusInfektion hinter sich hat. Mit einem Mund-Rachen-Abstrich lässt sich nur eine aktuelle Infektion erkennen.
Die Kinderstudie aus Heidelberg, Freiburg, Tübingen und Ulm setzte auf Nasen-Mund-Rachen-Abstriche und auf Antikörpertests. ElternKind-Paare wurden getestet, um die Ansteckung innerhalb einer Familie zu untersuchen. Die Auswertung der Abstriche ist abgeschlossen, die Ergebnisse sind schon an die Ulmer Teilnehmer verschickt worden. Bei den Antikörpertests dauert die Auswertung dagegen noch an. Um Fehlschläge zu vermeiden, werde jede Probe mit drei verschiedenen Methoden ausgewertet. „Da wollen wir ganz sicher gehen“, erklärt Debatin. Endgültige Ergebnisse erwartet der Professor nicht vor Mitte der ersten Pfingstferienwoche.
Erkenntnisse gibt es aber schon jetzt: Rund 5000 Eltern-Kind-Paare sind untersucht worden, mehr als 700 kommen aus Ulm und der Umgebung. Und bei weniger als einem Promille der Teilnehmer war das Abstrich-Ergebnis positiv. Und ein weiterer Punkt spricht dafür, Schulen und Kindergärten wieder zu öffnen: Kinder, die mit Infizierten in Kontakt standen, steckten sich der Studie zufolge seltener mit dem Coronavirus an als Erwachsene, die mit Infizierten in Kontakt standen.
Erfolgreich war die Kinderstudie aus der Sicht von Professor KlausMichael Debatin auch wegen des großen Interesses in der Bevölkerung. Vorgesehen gewesen waren 2000 Teilnehmerpaare. Doch so viele Anfragen von Interessenten gingen allein in Ulm ein, die Untersuchung wurde auf 5000 Eltern-Kind-Paare ausgeweitet. Weil nur Kinder bis zum Alter von zehn Jahren getestet wurden, lassen sich aus den Ergebnissen nur Schlüsse für Kindergärten und Grundschulen ableiten, nicht aber für weiterführende Schulen.
Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch zeigte sich erleichtert über die Entscheidung von Ministerpräsident Kretschmann. Für den Nachwuchs und für die Wirtschaft sei es wichtig, dass die Einrichtungen wieder öffnen sollen. Ulms Kulturbürgermeisterin Iris Mann, die für den Bereich Kinderbetreuung in der Stadt zuständig ist, betonte, dass die Familien in den vergangenen Wochen sehr viel geleistet hätten.