Wenn Beatles-Fans erzählen
Musik Einige Fans der britischen Kult-Band treffen sich regelmäßig zum Stammtisch. Dort schwelgen sie in musikalischen Erinnerungen – und singen auch mal das ein oder andere Stück
Neu-Ulm Leise, sanft und doch auch an den Nachbartischen hörbar klingen Gitarrentöne aus einem hinteren Bereich von Pauls Biergarten. Drei Frauen und drei Männer, die zumindest das Ende der Beatles-Ära noch erlebt haben, singen mit: „Something in the way she moves, attracts me like no other lover ...“. Die jungen Leute ein paar Meter weiter schauen her, wirken verdutzt. Sie werden „Something“, einen Song der Beatles, jener sagenhaften Beatgruppe aus den 1960erJahren, die sich 1970, also vor 50 Jahren auflöste, deren Songs aber bis heute nachklingen, wohl nicht kennen. Michael Haug, seine Frau Brigitte und ein paar andere Fans von John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr ließ das Beatles-Fieber bis heute nicht los. Sie haben sich kürzlich in dem Neu-Ulmer Biergarten am Donauufer zum zweiten BeatlesStammtisch getroffen und schwelgten in musikalischen Erinnerungen.
Michael Haug, Mitte 60 und ein ganz Ruhiger, hatte Anfang des Jahres die Idee, Beatles-Fans aus der Region zusammenzubringen. Er fand in seiner Frau die erste Mitstreiterin, schaltete eine Zeitungs
in der er um Mitglieder eines Beatles-Stammtisches warb, und im Februar gab es in Söflingen das erste Treffen mit sieben Gründungsmitgliedern. „Yeah, yeah, yeah“, gibt Karin Probst von sich, deren Mann Peter Anthony Siegel, ein gebürtiger Brite, selbst Gitarre spielt und viele Geschichten um und über die vier Musiker weiß. Just gesellt sich ein Neuer zum Sextett – ein gewisser Harry, der 1969 in Woodstock und angeblich „überall dabei“war, hat an diesem Abend keine Zeit – und singt und spielt gleich kräftig mit. Er outet sich als Mitglied der Band „Get Back“und scheint auf Anhieb gut zum „Klub“zu passen.
Sie alle, die sich im Kulturcasino zum Stammtisch versammelt haben, sind leidenschaftliche Fans der „Pilzköpfe“, tragen zum Teil T-Shirts mit Beatles-Aufdruck, lesen oder tauschen Bücher über das Quartett aus Liverpool, kennen alle Songs der vier, wobei Michael Haug wie zum Beweis den dicken Buchband „All the Songs oft the Beatles“vorzeigt sowie einen Stick von Ringo Starr, den er 1992 bei einem Konzert des Ex-Beatles-Drummers in Aschaffenburg ergattert hat. Aber die „Beatlemania“hat sie nicht so erfasst, als dass sie nur Musik der seit 50 Jahren nicht mehr existenten Band aus Liverpool hörten. „Wir mögen die Beatles unheimlich, aber wir mögen insgesamt die Musik der 60er-Jahre“, erklärt Gudrun Sander. Und, man glaubt es kaum, sie gestehen, auch Songs der Rolling Stones zu mögen, der großen Gegenspieler der Beatles zur damaligen Zeit. „Die Bands waren aber doch auch befreundet“, weiß Klaus Sander.
Er hat wie seine Frau schon seit frühester Jugend die Beat-Musik aus dem Westen gehört. Beide kommen aus Halle, lebten also in der ehemaligen DDR und kamen 1991 nach Ulm. Erst musste man zu DDR-Zeiten heimlich lauschen und die Songs vom Radio auf Tonband aufnehmen, später wurden auch dort Beatles-Platten gehandelt. „Aber Schallplattenkäufe waren damals ein Problem“, erinnert sich Klaus Sander. „Man konnte nicht einfach in den Laden gehen und eine Platte kaufen. Die Leute standen Schlange und wenn man an der Reihe war, war oft schon alles weg.“Vielleicht auch, weil manches unter dem Ladentisch gehandelt wurde.
Einen Lieblings-Beatle haben sie nicht, die Stammtischler. Einen favorisierten Song auch nicht, wobei „Something“schon sehr gut ankommt, als ihrer Meinung nach bestes Album schält sich „Abbey Road“heraus. Zwar hat kein Stammtischanzeige,
Mitglied jemals live ein BeatlesKonzert erlebt (Michael Haug: „Wir waren noch sehr jung und unsere Eltern haben das nicht erlaubt“), aber zumindest die drei Männer am Tisch sind schon über den Zebrastreifen gelaufen, so wie die Beatles auf dem Cover des genannten Albums. In Liverpool waren aber fast alle schon gewesen, vor allem bei der „Beatles-Week“, die normalerweise Ende August dort steigt, nur dieses Jahr wegen Corona nicht. „Es gibt in mehreren Städten Beatles-Stammtische“, weiß Karin Probst. „Und das Beatles-Museum in Halle“, ergänzt Gudrun Sander, die ferner sagt: „Unser Stammtisch war von Anfang an eine runde Sache. Nur Corona hat bis jetzt gestört.“Probst, die erst durch ihren Mann zum Beatles-Fan wurde, hofft, dass noch mehr, auch junge Leute zu ihnen stoßen: „Immer mehr Junge mögen die Beatles.“Sicher wiederkommen will der Gitarrist von „Get Back“und sagt beim Abschied: „Ich bringe dann auch zwei meiner Bandmitglieder mit.“So sind sie, die Beatles-Fans, eight days a week – an acht Tagen die Woche.
Stammtisch
Das nächste Treffen hat der Beatles-Stammtisch am Mittwoch,
16. September, im Neu-Ulmer Café d’Art.