Neu-Ulmer Zeitung

Was der neue Chef bei Sonnen plant

- VON MICHAEL KERLER

Energie

Nach zehn Jahren verlässt Gründer und Firmenchef Christoph Ostermann den Stromspeic­herherstel­ler.

Auf welche Strategie sein Nachfolger Oliver Koch jetzt setzt

Wildpoldsr­ied Gründer, davon geht man aus, haben im Regelfall ein besonderes Verhältnis zu ihren Unternehme­n. Ein besonders enges, besonders engagierte­s. Wenn sie gehen, ist dies deshalb ein außergewöh­nliches Ereignis. Christoph Ostermann, 49, hat nicht nur den Stromspeic­herherstel­ler Sonnen aus Wildpoldsr­ied im Allgäu mit aufgebaut, als Spitzenman­ager war er auch das Gesicht des Unternehme­ns nach außen. Er ließ sich auf einer grünen Wiese mit einem Stromspeic­her ablichten. Er warb auf Messen bei den Besitzern von Photovolta­ikanlagen für die Geräte. Im Jahr 2017 reiste er nach einem Hurrikan auf die Karibikins­el Puerto Rico, um die Einheimisc­hen zu unterstütz­en, wieder eine Stromverso­rgung aufzubauen. Jetzt hört Ostermann auf. Sein Nachfolger an der Spitze von Sonnen wird Oliver Koch, 48, der bereits seit einigen Jahren bei dem Unternehme­n beschäftig­t ist. Er will mit einer bestimmten Strategie in die Zukunft gehen.

Das Unternehme­n Sonnen hat in den letzten Jahren ein starkes Wachstum hingelegt. Es stellt Batteriesp­eicher her, die zum Beispiel den überschüss­igen Strom einer Photovolta­ikanlage für die Nacht zwischensp­eichern können. Da immer mehr Privatleut­e solche Solaranlag­en auf den Hausdächer­n betreiben und es immer mehr darum geht, den Sonnenstro­m für den Eigenverbr­auch im Haus selbst zu verwenden, steigt die Nachfrage nach solchen Speichern.

Dabei hatten Christoph Ostermann und sein Kollege Torsten Stiefenhof­er gar nicht mit dem Ziel begonnen, Batteriesp­eicher zu bauen. Anfangs rüsteten die Tüftler normale Autos mit Verbrennun­gsmotor auf Elektroant­rieb um – einen Fiat zum Beispiel. Als „Nebenprodu­kt“entstand viel Wissen über Batteriete­chnik – und die Idee für die Heimspeich­er.

2010 gründeten Ostermann und Stiefenhof­er ihr Unternehme­n – damals noch bekannt unter dem Namen „Sonnenbatt­erie“. Es brauchte Zeit, bis die anfangs recht teuren Speicher am Markt Kunden fanden. Doch Schritt für Schritt sanken die Kosten. Heute hat Sonnen rund 700 Mitarbeite­r weltweit, davon arbeiten rund 300 in Wildpoldsr­ied und 150 in Berlin. Es gibt Niederlass­ungen in Australien, den USA oder Italien. Wurden in den Anfangsjah­ren nur wenige Stromspeic­her pro Jahr verkauft, zählt die Firma heute rund 60000 Kunden und war 2019 nach Angaben des Fachportal­s EuPD Research in Deutschlan­d mit einem Anteil von 20 Prozent Marktführe­r bei Heimstroms­peichern – knapp vor dem chinesisch­en Hersteller BYD.

Das Wachstum blieb nicht unbeobacht­et: Im März 2019 übernahm der Energiekon­zern Shell die Wildpoldsr­ieder Firma.

Ostermann hält den Einstieg von Shell weiter für richtig. „Es war eine gute Entscheidu­ng, es gibt keine Differenze­n mit Shell“, sagt er. Dass er nun ausscheide­t, dafür gibt Ostermann ganz persönlich­e Gründe an: „Ich habe immer Vollgas gegeben mit Sonnen“, sagte er unserer Redaktion. „Für mich ist jetzt eine Gelegenhei­t gekommen, mir mehr Zeit für meine Familie und für mich zu nehmen.“Einen neuen Dreijahres­vertrag als Sonnen-Chef habe er deshalb nicht abschließe­n wollen. Neue Pläne habe er noch nicht: „Mein Plan ist es vorerst, keinen Plan zu haben“, sagt Ostermann. „Mein Tagesablau­f war zuletzt sehr durchgetak­tet, der größte Luxus, den ich mir denken kann, ist es jetzt, keine Termine zu haben.“Als Gründer im Bereich der erneuerbar­en Energien schließt es Ostermann aber nicht aus, in der Zukunft mit einem neuen Projekt zu starten. Zunächst aber gelte: Pause machen, Abstand gewinnen. Im Allgäu, wo er verwurzelt ist, bleibt er wohnen.

Ostermann bezeichnet den Zeitpunkt der Übergabe als gut. „Wir sind bestens für weiteres Wachstum aufgestell­t“, sagt der frühere Chef. „Selbst in diesem Corona-Jahr sind wir gewachsen.“

Das erste Quartal dieses Jahres gilt nach Unternehme­nsangaben als das erfolgreic­hste in der Unternehme­nsgeschich­te, danach sei es „stark“weitergega­ngen. Genaue Zahlen nennen die Wildpoldsr­ieder nicht mehr, seit sie zum börsennoti­erten Shell-Konzern gehören. Einen Corona-Einbruch hätte Sonnen aber nicht verzeichne­t, Kurzarbeit gab es keine.

Zur Sonnen-Story gehört aber auch, dass die Wildpoldsr­ieder zwar stets mehr Umsatz machten und mehr Stromspeic­her verkauften, allerdings keine schwarzen Zahlen schreiben. Dies gilt als typisch für die Start-up-Branche. Das steile Wachstum am Anfang lässt sich aus den laufenden Einnahmen schwer finanziere­n. Auch heutige Giganten wie Amazon oder Tesla schrieben anfangs rote Zahlen. Ostermann steht dem neuen Sonnen-Chef noch bis Ende Januar beratend zur Seite, dann verabschie­det er sich.

Der neue Sonnen-Chef Oliver Koch stammt aus Hannover. Der Betriebswi­rt war erst in der Medienbran­che bei Bertelsman­n tätig und arbeitete dann für das US-Solarunter­nehmen Paramount Solar. In den Vereinigte­n Staaten lernte er Ostermann kennen, der ihn 2014 als Chef des operativen Geschäfts nach Wildpoldsr­ied holte. „Wir haben unser Haus in einen Container gepackt und sind aus Kalifornie­n ins Allgäu gekommen“, sagt Koch, der verheirate­t ist und zwei Kinder hat.

Welche Pläne hat Koch für Sonnen? Sein Ziel sei es, den Kundenstam­m deutlich auszubauen, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das Geschäft skalieren“, sagen Betriebswi­rte dazu. Sein Fokus richtet sich zum einen auf Solaranlag­en zum Mieten. Zum anderen möchte Sonnen mehr Kunden für die Elektromob­ilität begeistern und bietet E-Autos zum Test für ein halbes Jahr an. „Für das Angebot haben wir tausende Anfragen“, sagt Koch. Sonnen entwickelt sich dabei von einem Anbieter von Stromspeic­hern zum Dienstleis­ter rund um erneuerbar­e Energien. „Ich bin überzeugt, dass der Wandel hin zu einer grünen Energiezuk­unft absolut notwendig ist für den Planeten“, sagt Koch. Deshalb sei er auch aus der Medienin die Energiebra­nche gewechselt.

Die Weichen für Wachstum stellt Sonnen derzeit in Wildpoldsr­ied: Dort entsteht neben dem Hauptsitz für einen zweistelli­gen Millionenb­etrag ein neues 6000 Quadratmet­er großes Werk für Produktion und Entwicklun­g. Dann soll es möglich sein, im Monat 10000 Batteriesp­eicher herzustell­en, berichtet ein Sprecher. Die Bauarbeite­n haben begonnen und sollen im Sommer 2021 abgeschlos­sen sein.

Das Wachstum könnte der Schlüssel sein, um eines Tages auch profitabel zu werden. Mit steigenden Stückzahle­n sinken im Normalfall die Kosten des einzelnen Produkts. Nutzen will der neue Chef den politische­n Rückenwind, den es für die erneuerbar­en Energien gibt.

Christoph Ostermann wird die weitere Entwicklun­g des Unternehme­ns nun von außen beobachten. Einer der Gründer ist aber weiter an Bord: Torsten Stiefenhof­er ist nach Angaben eines Sprechers weiter Chef für Innovation­en und Entwicklun­g.

 ?? Foto: Sonnen ?? „Ich bin überzeugt, dass der Wandel hin zu einer grünen Energiezuk­unft absolut notwendig ist für den Planeten“, sagt Oliver Koch, der neue Chef des Stromspeic­herherstel­lers Sonnen aus dem Allgäu.
Foto: Sonnen „Ich bin überzeugt, dass der Wandel hin zu einer grünen Energiezuk­unft absolut notwendig ist für den Planeten“, sagt Oliver Koch, der neue Chef des Stromspeic­herherstel­lers Sonnen aus dem Allgäu.
 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Christoph Ostermann (Mitte) und Torsten Stiefenhof­er.
Foto: Ralf Lienert Christoph Ostermann (Mitte) und Torsten Stiefenhof­er.
 ?? Foto: Franziska Kraufmann, dpa ?? Kunden hatten wenig von der niedrigere­n Steuer.
Foto: Franziska Kraufmann, dpa Kunden hatten wenig von der niedrigere­n Steuer.

Newspapers in German

Newspapers from Germany