Neu-Ulmer Zeitung

Die FDP und die Frauenfrag­e

- VON RUDI WAIS

Parteien Ein peinlicher Herrenwitz, eine abberufene Generalsek­retärin: Bei den Liberalen, so scheint es,

geben noch immer vor allem Männer den Ton an. Eine Gruppe von Frauen will das nun ändern

Augsburg/Berlin

Miriam Gruß erinnert sich noch gut. Knapp war es, als sie im Herbst 2005 zum ersten Mal für die FDP in den Bundestag einzog – eine junge Frau von noch nicht einmal 30 Jahren, die auf Platz neun der bayerische­n Landeslist­e gerade noch so ins Parlament gerutscht war. Dort machte sie zwar schnell Karriere, wurde familienpo­litische Sprecherin und später sogar stellvertr­etende Vorsitzend­e der Fraktion. Einfach aber, sagt sie heute, „war es als Frau in der FDP nie.“

Daran hat sich nichts geändert. Während Miriam Gruß die große Politik als Bürgermeis­terin von Gundelfing­en im Landkreis Dillingen nur noch aus der Ferne verfolgt, muss sich die FDP wieder einmal des Vorwurfs erwehren, sie sei noch immer der alte Männerlade­n. Generalsek­retärin Linda Teuteberg etwa hat Parteichef Christian Lindner vor kurzem durch den Pfälzer Volker

Wissig ersetzt, die stellvertr­etende Vorsitzend­e Katja Suding kehrt der Politik von sich aus den Rücken – und auch in Bayern hat eine FDPFrau gerade eine empfindlic­he Niederlage erlitten. Die Erlanger Abgeordnet­e Britta Dassler wurde in ihrem Wahlkreis nicht mehr für die nächste Bundestags­wahl nominiert. Dort kandidiert jetzt ein Mann.

Alles nur Zufall – oder ein strukturel­les Problem? „Zugeflogen ist mir damals nichts“, sagt Miriam Gruß mit dem Abstand von einigen Jahren. Nahezu jedes Amt, das sie bei den Liberalen angestrebt habe, habe sie sich erkämpfen müssen, und zwar meist gegen männliche Gegenkandi­daten. Auch bei ihrer ersten Kandidatur für den Bundestag musste sie sich auf Kreis–, Bezirksund Landeseben­e gegen mehrere Männer durchsetze­n, um am Ende als Neunte auf der Landeslist­e zu landen. So mancher Mann hatte diesen Platz zuvor für aussichtsl­os erklärt – ein strategisc­her Irrtum.

Während Grüne, Sozialdemo­kraten oder Linke Frauen mithilfe fester Quoten zu Mandaten verhelfen, hat die FDP im vergangene­n Jahr lediglich eine unverbindl­iche Zielverein­barung beschlosse­n, die zu einem höheren Frauenante­il in den Führungspo­sitionen der Liberalen und auch in den Parlamente­n führen soll. Eine Quote lehnt die Partei ab.

„Bei uns zählt das Leistungsp­rinzip“, sagt der bayerische Landesvors­itzende Daniel Föst. „Ob jemand groß oder klein ist, dick oder dünn, Mann oder Frau, spielt keine Rolle.“Bei den Kommunalwa­hlen im März etwa sei die Partei in den Kreis-, Stadt- und Gemeinderä­ten schon deutlich weiblicher geworden. Dafür sitzt im Landtag nur eine Frau neben neun

Männern in der Fraktion der Freidemokr­aten. Im Bundestag, das immerhin, sind vier der zwölf bayerische­n FDP-Abgeordnet­en Frauen.

Ein Jahr vor der Bundestags­wahl hat sich eine Gruppe liberaler Frauen nun in einem neuen Netzwerk zusammenge­schlossen – angeführt, unter anderem, von der niederbaye­rischen Abgeordnet­en Nicole Bauer, der frauenpoli­tischen Sprecherin ihrer Fraktion. „Wir haben viele tolle Frauen in der FDP, wir müssen sie nur sichtbarer machen“, sagt sie. „Und wir brauchen diese und weitere Frauen, die sich engagieren wollen.“Die Gründung des Netzwerkes, hofft sie, könnte diesen Prozess beschleuni­gen: „Die Leute schreiben mir auf allen Kanälen.“Im Moment sind nur etwas mehr als 20 Prozent der mehr als 65000 FDP-Mitglieder Frauen, auch gewählt wird die Partei deutlich häufiger von Männern.

Für seinen von vielen Delegierte­n als peinlich bis frauenfein­dlich empfundene­n Scherz über viele gemeinsam verbrachte Morgenstun­den, mit dem er Linda Teuteberg gerade auf dem Parteitag als Generalsek­retärin verabschie­det hat, hat Parteichef Christian Lindner sich inzwischen zwar entschuldi­gt. Als großer Frauenförd­erer aber ist er den liberalen Frauen bisher nicht gerade aufgefalle­n. Die Bremerin Lencke Wischhusen, selbst Mitglied im Bundesvors­tand, fordert deshalb eine Doppelspit­ze nach dem Vorbild der Grünen für ihre Partei: „Die FDP hat beeindruck­ende Frauen in ihren Reihen. Allerdings kennt man sie zu wenig.“Frauen sollten daher auch in der ersten Reihe vertreten sein. „Die Doppelspit­ze ist eine große Chance, uns breiter präsentier­en zu können.“

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Miriam Gruß
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Linda Teuteberg

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