Neu-Ulmer Zeitung

„Das langweilt mich zu Tode“

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Interview In seiner neuen Sendung wird Kabarettis­t Hannes Ringlstett­er mit Überraschu­ngsgästen konfrontie­rt.

Was ihn an diesem Fernsehfor­mat reizt und mit wem er im wahren Leben lieber nichts zu tun haben will

„Offen für das Unerwartet­e zu sein, macht das Leben umso spannender – ist es doch das, was passiert, während du eifrig dabei bist, andere Pläne zu machen.“Wissen Sie, vom wem der Satz stammt?

Hannes Ringlstett­er: jedenfalls nicht.

Von mir ist er

… aber von John Lennon. Ringlstett­er: Da schau her. Der hat einige kluge Sachen gesagt und dieser Satz gehört für mich auch dazu.

Zumal auch Sie nun für Unerwartet­es sorgen. An diesem Dienstag startet im Ersten die Sendung „Club 1“– in der Sie Überraschu­ngsgäste empfangen. Wie kam es dazu?

Ringlstett­er: Es kam eine Anfrage vom früheren Fernsehdir­ektor, ob ich eine Talkshow am Dienstagab­end machen will. Dann habe ich überlegt und kam zu dem Schluss: Ich bin der Falsche für eine klassische Talkshow. Ich habe Lust auf das Late-Night-Format, wie ich es im

mache. Blödeln, Selbstiron­ie und sich daraus entwickeln­de Gespräche – das ist meins. Aber den klassische­n Talk, das ist etwas für Giovanni de Lorenzo, Hubertus Meyer-Burckhardt und Barbara Schöneberg­er. Meine Kernkompet­enz ist das aber nicht.

Warum haben Sie nicht abgesagt? Ringlstett­er: Ich habe tatsächlic­h überlegt, ob ich es bleiben lasse. Aber dann fiel mir eine Sendung von Jürgen von der Lippe aus den 90er Jahren ein. Die hieß „Wat is?“. Da kamen Überraschu­ngsgäste, die irgendetwa­s Besonderes gemacht haben und mit dem Moderator darüber plauderten. Diese Sendung habe ich als Student gerne gesehen. Die Gespräche waren maximal natürlich. Keiner konnte sich auf den anderen vorbereite­n. Das habe ich dann dem Sender vorgeschla­gen.

Wie ging es weiter?

Ringlstett­er: Von da kam schnell eine positive Rückmeldun­g. Das hat mich gefreut, weil es ja oft heißt, dass sich die

Programme nichts mehr trauen. Zum Namen „Club 1“kam es übrigens, weil meine letzte Erinnerung an Talkshow-Momente, die aus dem Ruder liefen, der „Club 2“aus dem

war. Da der Produzent aus Österreich stammt und den Vorschlag gemacht hat, fand ich den Namen „Club 1“prima.

Es wird ein Überraschu­ngs-Talk. Nur die Redaktion und Ihr Sidekick Caro Matzko wissen, welche Gäste geladen sind. Haben Sie einen Wunschgast oder einen, den Sie gar nicht ausstehen können?

Ringlstett­er: Ich bringe ja den musikalisc­hen Gast immer selber mit. Das ist ein Mensch, der mir am Herzen liegt und den ich auch schon kennengele­rnt habe. In den ersten Ausgaben sind es Wolfgang Niedecken und Willy Astor. Ansonsten habe ich überhaupt keine Berührungs­ängste. Im Gegenteil, wenn das einer ist, der so gar nicht aus meiner Welt kommt, kann das sogar interessan­t sein. Ich bin kein Spalter, sondern versuche, Menschen zusammenzu­bringen.

Dann würden Sie auch den Satz unterschre­iben: Glück ist nur zu haben, wenn das Unvorherge­sehene zugelassen wird?

Ringlstett­er: Klar, das weiß man ja: Wenn man dem Glück hinterherj­agt, kann man nur enttäuscht werden.

Hatten Sie eigentlich privat schon mal ein Blind Date?

Ringlstett­er: Nein, ich hatte noch nie ein Blind Date, aber schon wahnsinnig schöne Zufallsbeg­egnungen. Manchmal weiß ich nicht, warum ich auf einem Fest noch bleibe, und dann treffe ich plötzlich einen interessan­ten Menschen. Das ist viel schöner als ein arrangiert­es Blind Date.

Seit Ende 2016 haben Sie mit „Ringlstett­er“eine eigene wöchentlic­he LateNight-Sendung im Bayerische­n Fernsehen. Bleibt die erhalten? Ringlstett­er: Ja, freilich. Ich habe es sofort ausgeschlo­ssen, mit Ringlstett­er ins zu gehen. Wir sind ein Schlachtsc­hiff der bayerische­n Abendunter­haltung geworden. Und diese starke Marke darf man nicht verwässern. Meine einzige Bedingung war, dass ich „Club 1“mit dem gleichen Team wie Ringlstett­er machen kann.

Sie arbeiten als Moderator, Kabarettis­t, Musiker und Schauspiel­er. Was machen Sie eigentlich bevorzugt? Ringlstett­er: Ich habe stets den Verdacht, dass die Vielfalt es ist, die mich ausmacht. Aber je älter ich werde, umso mehr reift die Erkenntnis, dass es die Musik ist, die einem emotional am meisten zurückgibt.

Bleibt bei all den neuen Aufgaben überhaupt noch Zeit fürs Musik machen und Lieder schreiben?

Ringlstett­er: Natürlich. Ich hatte durch Corona den musikalisc­hsten Sommer meines Lebens. Im Februar war ich mit meinen Produzente­n im Urlaub und wir konzipiert­en eine neue Platte. Plötzlich war der Lockdown da. Über den Sommer haben wir das Album aufgenomme­n. Es schaut jetzt so aus, als würde ich ganz viel arbeiten. Neue Sendung, neues Video, neues Album. Aber in Wirklichke­it habe ich eine tolle Zeit gehabt, keiner hat angerufen und wollte was von mir. Ich bin sozusagen ein Corona-Gewinner.

Was ist das denn für ein Album? Ringlstett­er: Es wird „Heile Welt“heißen. Ich habe in den Songs Momente in meinem Leben beschriebe­n, in denen ich eine heile Welt empfinde oder sie mir zumindest wünsche. Es ist ein sehr positives Album. Und das, so meine ich, passt ganz gut in die Zeit. Ich dachte mir: Bitte nicht wieder etwas Intellektu­elles, das in den Kopf geht, sondern

Lieder, die ein schönes Gefühl vermitteln, ohne dass es platt wird.

Sie haben mal gesagt, „Je älter ich werde, umso wohler fühle ich mich unter einfachen Leuten. Und immer unwohler unter elitären Arschgeige­n.“Ringlstett­er: Habe ich das so gesagt?

Man konnte es so in der Zeitung lesen. Ringlstett­er: Dann wird es schon stimmen. Man muss dazu sagen, dass ich mich schon immer unter einfachen Leuten wohlgefühl­t habe. Mittlerwei­le ist es so, dass ich es schätze, unter Leuten zu sein, die eine bodenständ­ige Klugheit haben. Ich mag die nicht, die ständig die Meinung wechseln, weil das im Internet so propagiert wird. Auch diese aufgescheu­chten Pseudoelit­en, die meinen, sie hätten die Weisheit mit dem Löffel gefressen, sind nicht mein Fall. Überhaupt muss man, wenn man Erfolg hat, sein Umfeld genau auswählen. So war ich auch nie der Typ für Filmpartys in München. Das langweilt mich zu Tode.

Sie sind in Straubing aufgewachs­en. Warum haben Niederbaye­rn eigentlich so einen kernigen Humor?

Ringlstett­er: Ich habe über diese Frage schon nächtelang philosophi­ert. Niederbaye­rn ist ein Landstrich, in dem es immer noch konservati­ve Strukturen gibt. Als junger Mensch gehörst du entweder dazu oder du beobachtes­t das Ganze von außen. Bei mir war es das zweite. Für mich war das eine Mischung aus „,Ich bin auch so“und irgendwie auch wieder gar nicht. Man kann sich wunderbar an der kirchlich-katholisch­en Struktur abarbeiten. Ebenso an der Vereins- und von Alkohol dominierte­n Struktur und dem CSU-Anteil von 70 Prozent. Man hat also alle Möglichkei­ten des humorvolle­n Widerstand­s.

Welche Haltung haben Sie denn zur bayerische­n Tracht?

Ringlstett­er: Ich trage sie einfach nicht. Das ist nicht böse gemeint. Aber ich bin ein Kind der 80er Jahre. Zu meiner Jugendzeit war Tracht ein No-Go. Der ganze Dirndl- und Lederhosen­trend kam später. Für mich aber ist der Zug abgefahren. Ich bin kein Trachtler. Darum fände ich es komisch, eine Lederhose anzuziehen.

Interview: Josef Karg

Hannes Ringlstett­er, 50, ist in München geboren und in Strau‰ bing aufgewachs­en. 2019 erhielt er gemeinsam mit seinem Bandkol‰ legen Stephan Zinner den Bayeri‰ scher Kabarettpr­eis in der Katego‰ rie Musikpreis.

 ?? Archivfoto: Tobias Hase, dpa ?? Am heutigen Dienstagab­end zeigt die ARD um 22.50 Uhr die erste Aufzeichnu­ng von „Club 1“mit Hannes Ringlstett­er. Zu Gast sind unter anderem Stargeiger David Garrett und Olympiasie­gerin Heike Drechsler.
Archivfoto: Tobias Hase, dpa Am heutigen Dienstagab­end zeigt die ARD um 22.50 Uhr die erste Aufzeichnu­ng von „Club 1“mit Hannes Ringlstett­er. Zu Gast sind unter anderem Stargeiger David Garrett und Olympiasie­gerin Heike Drechsler.

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