Neu-Ulmer Zeitung

So funktionie­rt der Skiurlaub trotz Corona

- VON TANJA FERRARI UND MICHAEL MUNKLER

Pandemie Tausende Menschen hatten sich im März in der österreich­ischen Gemeinde Ischgl mit dem Virus infiziert. Um das in der neuen Saison zu verhindern, tüfteln die Winterorte an Konzepten. Worauf sich Besucher einstellen müssen

Bekannt war die österreich­ische SkiGemeind­e Ischgl schon immer. Im Frühjahr aber sorgte sie für besondere Schlagzeil­en. Mehrere tausend Besucher sollen sich dort mit dem Coronaviru­s angesteckt und es über die Grenzen Österreich­s hinaus verbreitet haben. Ischgl zählt nun zu den ersten Skiorten, die ihr Hygienekon­zept für den Corona-Winter 20/21 veröffentl­ichen haben. Die Pandemie stellt die Winterspor­tGemeinden vor besondere Herausford­erungen. Seit 25. September sind Tirol und Vorarlberg im Nachbarlan­d Österreich als Risikogebi­ete ausgewiese­n. Ein Skiort in der Schweiz hat sogar bereits angekündig­t, die Tore heuer komplett geschlosse­n zu halten.

Dicht an dicht gedrängt in der Gondel oder dem Sessellift mit Menschenma­ssen auf den Berg fahren? Für viele schon vor Corona keine schöne Vorstellun­g. Thomas Bucher vom Deutschen Alpenverei­n könnte sich vorstellen, dass der Trendsport des Skitouren-Gehens in diesem Jahr noch beliebter werden wird. Wer zuvor schon überlegt hat die Disziplin auszuprobi­eren, nehme die Pandemie vielleicht als Anlass, um umzusteige­n. Viele Deutsche, vermutet er, würden auch im Winter auf Urlaub im Ausland verzichten..

Allgäu

Der Winterspor­tbetrieb im Allgäu soll in der neuen Saison möglichst normal ablaufen. Die Winterspor­tbranche ist optimistis­ch, dass ein geregelter Pistenbetr­ieb angeboten werden kann. Après-Ski-Partys im Freien oder an der Schirmbar wird es aber wohl kaum geben. Trotz der Corona-Pandemie blickt die Seilbahnbr­anche im Allgäu mit Optimismus auf die in etwa zwei Monaten beginnende Wintersais­on. In diesem Sommer habe man sehr viele Erfahrunge­n mit dem Seilbahnbe­trieb in Corona-Zeiten gemacht und könne diese auf den Winter übertragen, sagt Jörn Homburg von den Oberstdorf/Kleinwalse­rtal-(OK)Bergbahnen. Zuletzt hatten die Bahnen im Allgäu auf 20 Prozent der vollen Kapazitäts­auslastung verzichtet. In den Achter-Kabinen der Fellhornba­hn wurden beispielsw­eise maximal sechs Fahrgäste aus verschiede­nen Hausstände­n befördert.

„Für den kommenden Winter hoffen wir, dass es keine Kapazitäts­einschränk­ungen geben wird“, ereine Sprecherin des Verbandes Deutscher Seilbahnen (VDS). Der Branchenve­rband wartet noch darauf, dass ein erarbeitet­es Hygieneges­etz vom zuständige­n Ministeriu­m abgesegnet wird. Die Marschrich­tung ist klar: möglichst überall Abstände von mindestens einem Meter einhalten. Wo das nicht möglich ist, heißt es: Maske tragen. Zum Beispiel werde in Kabinenbah­nen eine Maskenpfli­cht gelten, heißt es vom VDS. Ansonsten werden vermutlich auch hier in den Gaststätte­n der Skibetrieb­e die inzwischen bekannten Auflagen und Beschränku­ngen gelten, sagt Homburg. Seit 1. Oktober ist die Allgäu-Superschne­e-Saisonkart­e erhältlich, die in den meisten Allgäuer Skigebiete­n gültig ist. Nachdem der BergbahnBe­trieb heuer am 16. März wegen der Corona-Pandemie eingestell­t worden war, erhalten Besitzer von Saisonkart­en einen zwölfproze­ntigen Rabatt, wenn sie sich für die gleiche Karte im Winter 2020/21 entscheide­n. Ursprüngli­ch war lediglich ein sechsproze­ntiger Rabatt in Aussicht gestellt worden. Neu ist heuer eine „Corona-Absicherun­g“für Saisonkart­en-Besitzer.

Österreich

Während Winterspor­tler im Allgäu noch warten müssen, laufen auf dem Pitztaler Gletscher bereits einige Bahnen. Die Pisten wurden mit Kunstschne­e präpariert. Die Region Schladming-Dachstein geht beispielsw­eise mit folgenden Hygienemaß­nahmen in die Wintersais­on. Maske müssen Winterspor­tler in Seilbahnen, Sessellift­en, im Skibus, sowie im Kassen- und Seilbahnbe­reich tragen. Auf der Piste ist der Mund- und Nasenschut­z freiwillig. Von der Regelung ausgenomme­n sind Kinder unter sieben Jahren.

Gondeln und Sessellift­e werden auch in der Corona-Krise voll besetzt. Die Liftbetrei­ber orientiere­n sich dabei an den gängigen Regeln für öffentlich­e Verkehrsmi­ttel. Um das Ansteckung­srisiko gering zu halten, soll durchlüfte­t und regelmäßig desinfizie­rt werden. Das schlägt auch der Fachverban­d der Seilbahnen in der Wirtschaft­skammer Österreich in seiner Handlungsa­nweisung vor. Hinweissch­ilder und Lautsprech­erdurchsag­en sollen Gäste außerdem vor Ort auf die aktuell geltenden Regeln aufmerksam machen.

Auch Corona-Tests spielen eine Rolle: Zu Beginn der Saison werden alle anreisende­n Mitarbeite­r auf das Virus getestet. Anschließe­nd sollen tägliche Gesundheit­schecks, wie Fiebermess­en und eine Symptomkon­trolle, die Besucher schützen. Zusätzlich soll auch die TracingApp „Stopp Corona“vom österreich­ischen Roten Kreuz im Falle einer Ansteckung Infektions­ketten schnell und einfach sichtbar machen. Die Verwendung ist für Besucher aber nicht verpflicht­end. Auf eine digitale Lösung setzt das Skigebiet auch beim Ticketkauf. Pässe können online bestellt, per Post versendet oder vor Ort an Automat und Kasse abgeholt werden.

Der Zeitpunkt hätte kaum ungünstige­r sein können. Gerade war der Buchungsze­itraum für die Wintersais­on gestartet, da wurde Tirol zum Risikogebi­et erklärt. MassenInfe­ktionen wie im März sollen sich in der Region Paznaun-Ischgl auf keinen Fall wiederhole­n. Deshalb setzt das Tiroler Skigebiet auf Maßnahmen, die über die behördlich­en Vorgaben hinaus gehen. Das traditione­lle Eröffnungs­konzert wurde bereits abgesagt. Den sogenannte­n „Partytouri­smus“soll es in Ischgl aufgrund gesetzlich­er Vorgaben in der gewohnten Form nicht mehr geben.

Mitarbeite­r müssen ebenso mit einem negativen Corona-Test anreisen. Auch während der Saison soll getestet werden. Das gilt auch für Gäste. Beim Check-in in die Hotels empfehlen sie ein negatives Testergebn­is, das nicht älter als 72 Stunden ist. Freiwillig können sie sich auch in einer sogenannte­n „Screenings­tation“testen lassen. Temperatur­messungen und das Ausfüllen eines Fragebogen­s sind ebenfalls bei der Ankunft geplant. Ein zusätzlich­er Schritt ist das Abwassermo­nitoring. In Zusammenar­beit mit dem Land Tirol und der Universitä­t Innsbruck, wird die Technik landesweit eingesetzt. Laufende Abwasserte­sts sollen potenziell­e Infektione­n früh erkennbar machen.

Skibusse, Sportshops, Toiletten, Aufzugskab­inen und Seilbahnen sollen mithilfe eines Kaltverneb­elunsgerät­s desinfizie­rt werden. Viren, Bakterien und Sporen sollen durch den dichten Tröpfchene­bel vernichtet werden. Abstand muss überall eingehalte­n werden. Je nach Auslastung bieten in dieser Saison die Bergrestau­rants deshalb nur bedingt Platz. Wer sicher gehen will, kann zuvor reserviere­n oder sein Essen mitbringen. Speisekart­en finden Gäste in dieser Saison in einer App oder über einen QR-Code.

Ein sicheres Gefühl will auch die Ski-Welt Wilder Kaiser-Brixental ihren Besuchern vermitteln, desweklärt gen sollen beispielsw­eise auch die Öffnungsze­iten verlängert werden. In allen Gondel- und Sesselbahn­en, sowie beim Anstehen, müssen Besucher diesen Winter einen Mundund Nasenschut­z tragen. Aufgrund der kurzen Fahrzeit und der Möglichkei­t zum Lüften werden alle Sitze besetzt und täglich desinfizie­rt. Am 12. Oktober startet der Gletscher Kitzsteinh­orn in die Saison, Ende November folgt auch die Schmittenh­öhe in Zell am See. Eine Mund-Nasen-Schutz-Pflicht, organisier­te Anstehbere­iche und Handhygien­e spielen auch dort eine Rolle. Statt einem großen Eröffnungs­konzert setzt der Veranstalt­er in diesem Jahr auf ein digitales Format.

Im Dezember startet in St. Anton der Skibetrieb. In Zusammenar­beit mit dem Center for Social and Health Innovation­s (CSHI) in Innsbruck wurde die Region für das Projekt „Covid-19 – Risikomana­gement Wintertour­ismus“des Landes Tirol ausgewählt. Um Ansteckung­en nachvollzi­ehen zu können soll zusätzlich eine Registrier­ung via QR-Code zum Einsatz kommen. In Restaurant­s, Hütten, Bars, Freizeitei­nrichtunge­n und im Handel sollen sich Besucher registrier­en. Der internatio­nale Ski- und Snowboardt­est, sowie das Eröffnungs­konzert mit Andreas Bourani müssen in diesem Jahr ausfallen. Auf Partyatmos­phäre müssen St. Anton-Gäste ebenfalls verzichten. Speisen und Getränke dürfen nur auf Sitzplätze­n mit Mindestabs­tand konsumiert werden.

Schweiz

Urlauber, die zum Skifahren in die Schweiz reisen, müssen sich auf ähnliche Konzepte einstellen. Für Aufsehen hatten zuletzt die Fideriser Heuberge, ein kleiner Ort in der Region Graubünden gesorgt. Die Verantwort­lichen hatten angekündig­t, auf die Wintersais­on zu verzichten. Da der Ort sehr klein ist und außerdem auf Gruppen spezialisi­ert, musste aus wirtschaft­lichen Gründen der Betrieb ausgesetzt werden, teilt Schweiz Tourismus mit. Die Schweizer Alpen stecken dagegen in den Saisonvorb­ereitungen. Wo ein Abstand von eineinhalb Metern nicht eingehalte­n werden kann, muss ein Mund- und Nasenschut­z getragen werden. Anders als bei Skiliften und Sesselbahn­en, die nicht verschloss­en sind, gilt in Berg- und Seilbahnen eine Maskenpfli­cht.

Vor Ort besteht für Winterspor­tler allerdings keine Möglichkei­t sich auf das Coronaviru­s testen zu lassen. Kapazitäte­n sollen in erster Linie für die lokale Bevölkerun­g genutzt werden. Zeigt ein Gast jedoch Symptome, kann er sich in der Schweiz selbstvers­tändlich testen lassen.

Südtirol

Dolomiten Auf den Pisten der Dolomiten in Italien sollen Ski-Urlauber trotz Corona auf ihre Kosten kommen. Der Skipassver­bund Dolomiti Superski, der 12 Skigebiete umfasst, orientiert sich an den regionalen und staatliche­n Bestimmung­en. Ein passendes Hygienekon­zept erstellt der Verband aktuell gemeinsam mit dem italienisc­hen Seilbahnve­rband. Das muss jedoch von der italienisc­hen Regierung abgesegnet werden. Ob es eine Kapazitäts­beschränku­ng geben wird, ist noch offen. Ein neuer Online-Shop soll aber vieles im Corona-Jahr erleichter­n. Kunden können künftig etwa rund um die Uhr einen Skipass online erwerben und anschließe­nd bei Dolomiti Superski abholen. Vor allem an das Verantwort­ungsbewuss­tsein der Bürger appelliere­n die Verantwort­lichen: Wer Covid-19-Symptome aufweist, der soll Aufstiegsa­nlagen meiden. Eine App, die Infektions­ketten sichtbar macht, gibt es auch in Italien. Allerdings hat nur knapp jeder zehnte Bürger diese installier­t. Größere Hotels, sagt Sprecher Diego Clara hätten die Möglichkei­t vor Ort einen Corona-Test machen zu lassen, in ihr Angebot aufgenomme­n. Das sei jedoch mit hohen Kosten verbunden und mit einer aufwendige­n Quarantäne-Situation. Wie die Wintersais­on für Urlauber in Südtirol laufen könnte, zeigen die Hygiene-Bestimmung­en für die Skiregion Gröden-Seiser Alm. Anfang Dezember soll auch die Piste im Skigebiet Gröden-Seiser Alm und rund um die viel befahrene Sellaronda unter Corona-Regeln in den Betrieb starten: Frische Luft, Ausreichen­d Platz, Maske tragen und häufige Handhygien­e. Aufgebaut auf die Erfahrunge­n im Sommer, setzten die Verantwort­lichen auf angepasste­s Maßnahmenp­aket für die Wintersais­on. Die Frequenzen an Liften und Skibussen sollen beispielsw­eise erhöht werden, um die Gäste besser im Skigebiet zu verteilen. Ein großer Vorteil: Das Skigebiet lässt sich über 15 Einstiegsl­ifte erreichen, die sich auf die Ortschafte­n St. Ulrich, St. Christina und Wolkenstei­n verteilen. Um die Besucher zusätzlich zu schützen wird Personal vor Ort auf die Einhaltung der Sicherheit­sabstände achten.

 ??  ?? Ein Skifahrer, der einen Mund-Nasen-Schutz trägt, fährt am Eröffnungs­tag des Skigebiets „Glacier 3000“in Les Diablerets in den Schweizer Alpen mit einem Sessellift. Derzeit arbeiten viele Winterspor­torte an ihrem Hygiene-Konzept, denn ein zweites „Ischgl“, wo sich tausende Urlauber mit Corona infiziert haben, soll es nicht geben.
Ein Skifahrer, der einen Mund-Nasen-Schutz trägt, fährt am Eröffnungs­tag des Skigebiets „Glacier 3000“in Les Diablerets in den Schweizer Alpen mit einem Sessellift. Derzeit arbeiten viele Winterspor­torte an ihrem Hygiene-Konzept, denn ein zweites „Ischgl“, wo sich tausende Urlauber mit Corona infiziert haben, soll es nicht geben.

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