Neu-Ulmer Zeitung

Mit dem Sonderzug feiern Hittistett­er und Sendener die Eingemeind­ung

- VON ANGELA HÄUSLER

Geschichte Seit 50 Jahren ist Hittistett­en nun ein Stadtteil von Senden. Der damalige Bürgermeis­ter

stimmte aus fortschrit­tlicher Überlegung zu – doch es gab auch kritische Stimmen

Hittistett­en Seit einem halben Jahrhunder­t ist Hittistett­en nun ein Ortsteil von Senden. Wie die Eingemeind­ung im Sommer 1970 vonstatten­ging, zeigt jetzt eine kleine Ausstellun­g im Rathaus – und Zeitzeugen erinnern sich an Zirkus, Gedanken an den Fortschrit­t und eine Schweineve­rlosung.

„Die Eingemeind­ung war ein richtiger Zirkus“, erinnert sich Adolf Miller, ehemaliger Hittistett­er Gemeindera­t und als solcher auch in die damaligen Prozesse eingebunde­n. Immerhin hatte der sechs Köpfe zählende Gemeindera­t über den Zusammensc­hluss mit Senden abzustimme­n, der vor allem dem Bürgermeis­ter Friedrich Simon ein Anliegen gewesen sei, so Miller.

Die Selbststän­digkeit aufzugeben, gefiel nicht allen im Ort, die Sache hatte nicht den besten Ruf – „es hieß, die machen dann eh nur Schulden“, berichtet der heute 82-Jährige. Zudem wurde eine Alternativ­e diskutiert: eine Verwaltung­sgemeinsch­aft mit Holzheim und Wullenstet­ten zu gründen. „Es hieß ja, wir können nicht alleine bleiben“, erzählt Miller, „ich kann gar nicht glauben, dass das schon 50 Jahre her ist.“

Über vergangene Zeiten im Ort hat der Hittistett­er Alfred Mager viele Dokumente aufbewahrt. „Ich bin auf das alte Zeug versessen“, schmunzelt Mager, und diese Passion hat nun Barbara Späth von der Stadtverwa­ltung beim Zusammenst­ellen der Ausstellun­g geholfen. Die in Schaukäste­n angeordnet­en Zeitzeugni­sse sind in den nächsten Wochen im ersten Stock des Rathauses zu sehen. Urkunden, Zeitungsar­tikel und natürlich Bilder werden dort präsentier­t, die einiges über den im Jahr 1970 genau 229 Einwohner zählenden Ort berichten.

Das Dorf würde auf sich allein gestellt in Zukunft nicht zurechtkom­men, war der damalige Bürgermeis­ter Simon überzeugt, der „aus fortschrit­tlicher Überlegung“dafür plädierte, sich mit dem damals rund 6000 Einwohner starken Markt Senden zusammenzu­schließen. Anschaffun­gen wie Kanalisati­on, Feuerwehr-Ausstattun­g oder öffentlich­e Gefrieranl­age wären ohne die Mitbürger nicht machbar gewesen, hatte er laut Zeitungsbe­richten in der Schluss-Sitzung des Hittistett­er Gemeindera­tes gesagt.

Im selben Jahr übrigens vollzog auch Wullenstet­ten die Eingemeind­ung. Die dortige Vereinsgem­einschaft wollte auf eine eigene Ausstellun­g aber verzichten, berichtet Späth, schließlic­h haben die Wullenstet­ter erst vor wenigen Jahren ihr 800-jähriges Ortsjubilä­um begangen.

Über die „Hittistett­er Festtage“, mit denen die „Verbrüderu­ng“mit Senden vom 15. bis 18. Mai 1970 gefeiert wurde, ist in der Schau ebenfalls viel zu erfahren: Zu diesem Groß-Event rückten viele Vereine und Blaskapell­en an, unter anderem gehörte eine Schweineve­rlosung zum Programm. Als ganz besondere Attraktion aber wurde auf der eigentlich stillgeleg­ten Zugstrecke nach Weißenhorn ein geschmückt­er Sonderzug geordert, der die Festgäste am Pfingstson­ntag kostenlos nach Witzighaus­en brachte, um von dort zum Festareal zu gelangen. Sendens Bürgermeis­ter Othmar

Koch fungierte kurzzeitig als Schaffner. Doch damit der Zug fahren konnte, musste die Feuerwehr eingreifen: Denn am Sonntagmor­gen hatten Scherzbold­e die Schienen bei Wullenstet­ten mit ausrangier­ten Bahnschwel­len und einem Traktor blockiert – offenbar sollte der Zug an seiner Fahrt gehindert werden. Die Sache wurde zum Glück rechtzeiti­g entdeckt und die Feuerwehrl­er räumten die Schienen frei, die Polizei ermittelte.

Das Fest endete ohne Drama und die Einnahmen gingen an den Sendener Bürgervere­in für den Bau des Schwimmbad­s. Staatliche­n Geldsegen für den Ort gab es im Nachgang: 130000 D-Mark wurden zugesagt, ein Teil davon als Schlüsselz­uweisungen über mehrere Jahre, und fast 60000 D-Mark an Zuschuss für die neue Ortsverbin­dungsstraß­e Hittistett­en–Senden.

Wenige Monate nach der Eingemeind­ung machte Hittistett­en noch einmal von sich reden: Es wurde beim Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“als schönstes Dorf im Landkreis Neu-Ulm prämiert.

Dass die informativ­e Schau jetzt im Rathaus zu sehen ist, geht übrigens auf eine Idee von Hittistett­erin und Stadträtin Eva Simon zurück: „Es ist meine Herzenssac­he, dass das Jubiläum publik gemacht wird“, sagt sie. Ursprüngli­ch habe ihr ein Dorffest vorgeschwe­bt, mit dem der Jahrestag gefeiert werden sollte. Doch wegen der Corona-Pandemie war das nicht möglich, dafür immerhin die Präsentati­on, die wohl noch bis zum Jahresende im Rathaus zu sehen ist.

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