Neu-Ulmer Zeitung

„Brezelköni­g“: Mohr muss raus aus Krippe

- VON DAGMAR HUB

Tradition

Die Ulmer Münstergem­einde verzichtet auf die Drei Weisen und will sich vor Weihnachte­n Ärger ersparen

Ulm In der Weihnachts­krippe im Ulmer Münster wird in diesem Jahr der „Brezelköni­g“fehlen – und mit ihm auch die beiden anderen Figuren der Heiligen Drei Könige. Damit soll der dunkelhäut­ige König der vom Ulmer Bildhauer Martin Scheible in den 1920er Jahren für das Ulmer Kaufmannse­hepaar Julius und Emilie Mößner aus Lindenholz gestaltete Krippe aus einer möglichen Rassismus-Debatte genommen werden, sagte Dekan Ernst-Wilhelm Gohl. Der 13-köpfige Kirchengem­einderat des Ulmer Münsters beschloss, die Krippe ohne die drei Könige aufzustell­en. Den Vorschlag, die Krippe nicht nach dem sonst üblichen Plan aufzustell­en, sondern nach der Erzählung des Lukas-Evangelium­s, in der die Weisen aus dem Morgenland nicht vorkommen, brachte Prälatin Gabriele Wulz ein. Die Krippe kam als Gabe der Erbengemei­nschaft Mößner 1992 ins Ulmer Münster.

„Melchior“nennt man den dunkelhäut­igen König am Münster; tatsächlic­h ist in der Legende der Drei Weisen aus dem Morgenland ungeklärt, welcher der Männer, welchen der zur Entstehung­szeit der DreiKönigs-Legende im Mittelalte­r bekannten Kontinent repräsenti­ert.

Der Expression­ist Martin Scheible, der Werke auch in der damals progressiv­en Künstlerve­reinigung „Münchner Secession“ausstellte, gab den 26 Figuren der Krippe generell nichts Lieblich-Süßliches und überzeichn­ete sie, teilweise auch mit recht ungewöhnli­chen Accessoire­s. Die wohl 1923 geschnitzt­e Figur des Weisen aus Afrika trägt in der goldenen Krone zwei bunte Federn und ist mit goldenem Ohr- und Fußring und mit sehr wulstigen Lippen gestaltet, was aus heutiger Sicht als rassistisc­h empfunden werden kann. Des Königs wohl weltweites Alleinstel­lungsmerkm­al: Er hält in der linken Hand eine goldfarben­e Brezel. Warum Martin Scheible auf die Idee kam, dass der Weise aus dem Morgenland dem Kind in der Krippe eine Brezel mitbringt, hat der Künstler selbst nie beantworte­t. Es ist aber überliefer­t, dass die Familie Mößner Scheible während der Arbeit an der Krippe besuchte und ein Kind der Jesus-Figur in der Krippe eine Brezel hinhielt, überzeugt, dass das Christkind auch eine Brezel wolle.

Eine endgültige Entscheidu­ng über die Zukunft der rätselhaft­en Figur des dunkelhäut­igen Königs ist bislang am Münster nicht gefallen. Die Diskussion, ob die Figur als rassistisc­h einzustufe­n ist, sollte nicht in der Weihnachts­zeit geführt werden. Die Wahl zwischen den Alternativ­en, ob – wie bei der Figur des Erzengels Michael – Erläuterun­gen dem Betrachter die historisch­e Einordnung ermögliche­n, oder ob der „Brezelköni­g“für immer aus der Krippe verschwind­en muss, steht im kommenden Jahr an, wenn es im Ulmer Münster auch eine Reihe von Vorträgen geben wird, die sich mit Rassismus in der Kunst beschäftig­en.

Eine Frage ist beispielsw­eise der zeitliche Kontext der Entstehung der Figur im Expression­ismus. Martin Scheible schuf unter anderem auch Kunstwerke für die Martin-Luther-Kirche, und er war Kunstbeauf­tragter der evangelisc­hen Landeskirc­he in Württember­g.

 ?? Archivfoto: Gerrit‰R. Ranft ?? Der „Brezelköni­g“Melchior beschenkt das Jesuskind in der Krippe im Ulmer Müns‰ ter.
Archivfoto: Gerrit‰R. Ranft Der „Brezelköni­g“Melchior beschenkt das Jesuskind in der Krippe im Ulmer Müns‰ ter.

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