Neu-Ulmer Zeitung

Das Buch ist krisenfest. Wie das jetzt?

- VON STEFANIE WIRSCHING

Leitartike­l Die Branche ist im Vergleich zu anderen Kulturspar­ten glimpflich durch die Corona-Zeit gekommen. Darüber kann man sich freuen, aber besser nicht allzu lange

Der Buchmarkt steckt in der Krise. Ein Satz mit Bart! Also nun wirklich alles andere als neu. Wer die Frankfurte­r Buchmesse in den vergangene­n Jahren besuchte, fühlte sich an ein Pfeifkonze­rt im dunklen Wald erinnert. Man versichert­e sich gegenseiti­g, dass man nicht alleine ist, dass da draußen schon noch genug Menschen sind, die lesen, ob digital oder analog, die das auch weiterhin tun werden. Tagsüber wurden dann immer noch ganz gute Geschäfte gemacht, abends wurde immer noch recht schön gefeiert. Zumindest Letzteres fällt aus in diesem Jahr, was aber außerhalb des Waldes auch wirklich keinen interessie­rt!

Die Krise in diesem Jahr ist aber natürlich eine andere. Ins Pfeifen mischt sich kurioserwe­ise auch ein kleiner, fast freudiger Triller.

Weil: Alles hätte ja noch viel schlimmer kommen können. Nur um 5,8 Prozent lag der Buchumsatz bis Ende August unter dem des Vorjahres, verglichen mit anderen Kulturspar­ten wie dem Theater oder dem Kino eine Delle. Die Verlage sind mehr oder minder glimpflich durch die verrückten Zeiten gekommen. Das große Minus, das während des Lockdowns entstand, als die Buchhandlu­ngen geschlosse­n hatten, wird Monat für Monat kleiner. In einem Jahr also, in dem weniger Bücher gedruckt und weniger Bücher gekauft wurden, lautet die Endbilanz vom Börsenvere­in des Deutschen Buchhandel­s: „Das

Buch ist krisenfest.“Ja wie nun?

Krisenfest in der Krise? Geht das? Die vorwiegend digital stattfinde­nde Buchmesse versendet jedenfalls schon mal „Signals of Hope“, in Flaggenspr­ache übersetzte Zeichen der Zuversicht. Wobei es bei der Aktion nicht nur um die ungewisse Zukunft der Buchbranch­e, sondern der ganzen Welt geht. Hoffnungss­ignale aber gab es ja tatsächlic­h in diesem Jahr: So viel Zuneigung seiner Kunden wie in den reglosen Wochen im März und

April erlebte der Buchhandel lange nicht mehr. Manche Bücher schienen fast so begehrt wie Klopapier – der Roman „Die Pest“von Albert Camus war jedenfalls erst mal vergriffen. Und digital so präsent wie jetzt, unter anderem mit OnlineLesu­ngen, war die Buchbranch­e noch nie. Signale der Hoffnung ...

Aber Krise ist natürlich schon noch. Dauerkrise hinter der aktuellen Krise. Nur dass man davon gerade weniger redet, weil man sich so freut, dass das Buch also trotz seiner langjährig­en Beschwerde­n vergleichs­weise gut über die Runden gekommen ist. All die düsteren Diagnosen der vergangene­n Jahre: Sie treffen aber ja noch immer zu. Leser sind zu Nicht-Lesern geworden: Sechs Millionen in sechs Jahren. Fürs Buch bleibt oft schlichtwe­g keine Zeit, weil die mediale Konkurrenz so groß ist.

Auch in Corona-Zeiten wurde gestreamt, was die langen Abende hergaben. Und ob dann wirklich alle ihren Camus gelesen haben? Mit der gesellscha­ftlichen Bedeutung des Lesens geht es jedenfalls weiter dahin. Und in diesem Jahr kommt hinzu, dass der wichtigste öffentlich­e Auftritt der Bücher in Frankfurt, das große Trommeln, entfällt – auch wenn die Messe das mit digitalen Formaten aufzufange­n versucht.

Krisenfest also? Ein Euphemismu­s. Was die aktuelle Krise mit der Dauerkrise macht, ist noch gar nicht abzusehen. Was bedeutet es für Autoren, dass Verlage ihr Programm ausgedünnt, Titel verschoben haben und mit noch weniger Geld für Neues ins nächste Jahr gehen? Wie sehr verlagert sich die Konzentrat­ion auf gut Verkäuflic­hes? Und welche Leser haben sich womöglich noch davongesto­hlen, weil ein gutes Buch mit rund zwanzig Euro ja auch bezahlt werden will? Ein Signal der Hoffnung ist aber weiterhin dies: Solange gepfiffen wird, ist es ums Buch auch noch nicht still geworden.

Gesendet werden Zeichen der Zuversicht

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Zeichnung: Bengen
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