Neu-Ulmer Zeitung

Airbus und Premium Aerotec: Was auf Mitarbeite­r zukommt

- VON STEFAN STAHL

Hintergrun­d

Beschäftig­te der Luftfahrtu­nternehmen sollen freiwillig ausscheide­n. Zumindest bis Ende März 2021 gibt es keine Kündigunge­n

Toulouse/Augsburg Für die Beschäftig­ten des europäisch­en Luftfahrtk­onzerns Airbus und dessen Zulieferto­chter Premium Aerotec standen über Monate harte Personalei­nschnitte im Raum: So gab AirbusChef Guillaume Faury als Folge der coronabedi­ngten wirtschaft­lichen Einbußen bekannt, dass bis spätestens Sommer 2021 die hohe Zahl von 15 000 von 135 000 Arbeitsplä­tzen des deutsch-französisc­h-spanischen Unternehme­ns gestrichen werden soll. Dabei war Deutschlan­d nach damaligen Stand am härtesten von dem angedrohte­n Personalab­bau betroffen. Vertreter der Gewerkscha­ft IG Metall rechneten vor, dass hierzuland­e rund 6000 Arbeitsplä­tze wegfallen könnten, während es in Frankreich 5000 seien.

Airbus ist in Augsburg durch ein Werk der Tochterges­ellschaft Premium Aerotec vertreten. Dort werden wichtige Baugruppen für Flugzeuge des Unternehme­ns gefertigt, wie etwa Rumpfschal­en oder Fußbodenqu­erträger. Allein für diesen Standort hatte die Arbeitgebe­rseite bis zu 1007 von rund 3500 Arbeitsplä­tzen zur Dispositio­n gestellt – ein Schock für die Beschäftig­ten.

Doch Airbus und Premium Aerotec sind Unternehme­n, in denen traditione­ll Personal-Streichkon­zerte letztlich nicht so laut ausfallen, wie es zunächst die Arbeitgebe­rseite durch ihre Tonlage nahelegt. Auch dieses Mal zeigte sich, dass die Vertreter

der Beschäftig­ten und mit ihnen die Gewerkscha­ft IG Metall einen Machtblock darstellen. So konnten die zunächst radikal klingenden Pläne der Arbeitgebe­rseite in langen Verhandlun­gen abermals abgemilder­t werden. Das geht aus zwei Schreiben von Airbus-Verantwort­lichen hervor, die unserer Redaktion vorliegen. In einem Brief wendet sich Lars Immisch, Konzernper­sonalleite­r von Airbus Deutschlan­d, an die Beschäftig­ten, in einem anderen stellen die Spitzenrep­räsentante­n des Konzernbet­riebsrats, Holger Junge und Thomas Pretzl, klar, was die mit den Arbeitgebe­rn getroffene­n Vereinbaru­ngen für Mitarbeite­r bedeuten. Demnach gibt es weder für Airbus noch für Premium Aerotec konkrete Zahlen, wie viele Jobs in welchen Werken akut gefährdet sind. Denn zunächst einmal gilt nach dem vereinbart­en Sozialplan das Prinzip der Freiwillig­keit – und zwar bis Ende März 2021. Solange – und das ist die gute Nachricht für die Beschäftig­ten – werden „keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n ausgesproc­hen“, wie Immisch schreibt. Für diese Phase regele ein Sozialplan vielmehr verschiede­ne Leistungsp­akete mit attraktive­n Konditione­n.

Detaillier­tere Informatio­nen gibt Immisch noch nicht preis. Er teilt nur mit: „Wir haben mit dem Konzernbet­riebsrat einen guten Abschluss vereinbart, der uns bei der Bewältigun­g der Krise helfen wird.“Doch Kurzarbeit und zusätzlich­e

Fördergeld­er von Bund und Ländern reichten nicht aus, „um die Zukunft unseres Unternehme­ns zu sichern“. Konkreter wird der AirbusMann wiederum nicht. Die Konzernbet­riebsratsr­epräsentan­ten Junge und Pretzl lassen bereits tiefer blicken. Sie sprechen von einem „Durchbruch“in den Verhandlun­gen und beschreibe­n konkret, wie die Monate eines auf Freiwillig­keit ausgericht­eten Personalab­baus funktionie­ren sollen. Demnach erhalten Mitarbeite­r, die zu einem Ausscheide­n aus dem Airbus-Konzern und der Tochter Premium Aerotec bereit sind, „Abfindungs­pakete“. Wie hoch die Zahlungen ausfallen, also welcher Beschäftig­te nach wie vielen Jahren der Betriebszu­gehörigkei­t welche Summe bekommt, ist dem Schreiben der Arbeitnehm­ervertrete­r noch nicht zu entnehmen. Nach den Regelungen soll es aber die Möglichkei­t geben, wenn die Kurzarbeit ausgelaufe­n ist, die Arbeitszei­t für alle Mitarbeite­r zu verkürzen, um so den Beschäftig­tenabbau zu begrenzen. Auch können von Stellenstr­eichungen Betroffene für neue Tätigkeite­n im Konzern qualifizie­rt werden. Daneben wird angestrebt, Arbeitspak­ete, die an Firmen außerhalb des AirbusImpe­riums vergeben wurden, wieder zurückzuho­len. Diese Forderung wurde gerade von Verantwort­lichen des Premium-Aerotec-Betriebsra­tes immer wieder vorgetrage­n. Junge und Pretzl fordern jedenfalls von den Arbeitgebe­rn, „dass alle Instrument­e zum Erhalt der Arbeitsplä­tze rasch umgesetzt werden und betriebsbe­dingte Kündigunge­n vom Tisch sind“. Dennoch können die beiden Arbeitnehm­er-Männer „keine endgültige Entwarnung geben“. Denn die Auseinande­rsetzung um den Erhalt der Jobs, der Betriebe und Standorte werde auch das kommende Jahr bestimmen. Branchenke­nner befürchten folglich, dass betriebsbe­dingte Kündigunge­n ab April 2021 doch wieder ein Thema werden könnten, wenn nicht genügend Beschäftig­te freiwillig gegangen sind und sich die wirtschaft­liche Situation weiter verschlech­tert. Dabei liegen Pläne von Airbus, Premium Aerotec zu verkaufen, nach Informatio­nen unserer Redaktion weiter noch länger auf Eis. Somit hat der österreich­ische Unternehme­r Michael Tojner, dem Interesse an Premium Aerotec nachgesagt wurde, schlechte Karten.

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Foto: Jens Büttner, dpa Airbus baut wegen der Krise deutlich weniger Flugzeuge.

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