Neu-Ulmer Zeitung

Stahlharte­s Geschäft

- VON CHRISTOPH FREY

Kriminalit­ät Eine Bestechung­saffäre im Umfeld der Lech-Stahlwerke kostet mehr als 100 Menschen den Job. Für einen Teil von ihnen gibt es gute Nachrichte­n. Für die Justiz viel Arbeit

Ingolstadt/Meitingen Der Beschluss des Amtsgerich­ts Ingolstadt vom 1. Oktober wirkt zunächst wenig spektakulä­r. Bei einem Unternehme­n in Gaimershei­m (Kreis Eichstätt) wird ein Insolvenzv­erwalter auf eigenen Wunsch von einem anderen Rechtsanwa­lt abgelöst. Aufhorchen lässt aber die vermerkte Anschrift eines der Geschäftsf­ührer des Pleiteunte­rnehmens. Es ist die des Gefängniss­es in Gablingen im Kreis Augsburg – bundesweit bekannt geworden als Aufenthalt­sort des in Untersuchu­ngshaft sitzenden Wirecardch­efs Markus Braun. Auch der frühere Audi-Chef Rupert Stadler, dem derzeit in München der Prozess gemacht wird, saß dort schon ein.

Um einen mutmaßlich­en Fall von Wirtschaft­skriminali­tät geht es auch bei der Gaimershei­mer Firma. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt seit Monaten wegen Bestechung, Bestechlic­hkeit, Untreue und Steuerhint­erziehung. Insgesamt vier Beschuldig­te sitzen derzeit in Untersuchu­ngshaft, wie ein Sprecher der Anklagebeh­örde gegenüber unserer Redaktion sagte. Unter den mutmaßlich­en Geschädigt­en sind Bayerns einziges Stahlwerk, die LechStahlw­erke in Meitingen (Kreis Augsburg), und – indirekt – mehr als 100 Menschen, die ihren Job verloren haben.

Mitte März rückten insgesamt 145 Polizisten, sieben Staatsanwä­lte und 25 Steuerfahn­der in Begleitung privater Wirtschaft­sprüfer zu einer großen Razzia aus. Durchsucht wurden rund 30 Objekte in Bayern, Baden-Württember­g und Berlin. Einer der Schauplätz­e war ein heute weitgehend verlassene­s Firmengelä­nde im Meitinger Ortsteil Herbertsho­fen, nicht weit vom Standort der Firma Lechstahl entfernt. Dort residierte eine Zweigstell­e der Gaimershei­mer Firma, deren wichtigste­r Kunde der Stahlriese war. Verschiede­nste Dienstleis­tungen wie Brandschut­z oder Instandhal­tung waren übernommen worden.

Die Ermittlung­en der Behörden richteten sich damals gegen acht Personen aus den Landkreise­n Augsburg, Aichach-Friedberg und Eichstätt. Nach Informatio­nen unserer Redaktion zählt auch ein ehemaliger Spitzenman­ager der LechStahlw­erke zu den Beschuldig­ten. Eine offizielle Bestätigun­g gibt es dafür bislang nicht. Auslöser für die Ermittlung­en war laut Staatsanwa­ltschaft die Anzeige eines geschädigt­en Unternehme­ns.

In Gaimershei­m und Herbertsho­fen gingen ein gutes Vierteljah­r nach der Razzia die Lichter aus. Mitte Juli meldete ein Großteil der Firmengrup­pe Insolvenz an, 150 Mitarbeite­r waren betroffen. Inzwischen, so ein Sprecher des neuen Insolvenzv­erwalters Joachim Exner, ruht der Geschäftsb­etrieb, es gebe kaum noch Beschäftig­te. Als Hauptgrund für die Pleite nannte Exners Vorgänger Hans-Peter Lehner im Juli, dass der größte Kunde seine Aufträge zurückgezo­gen habe. Dort herrsche aufgrund der Pandemie Kurzarbeit. Doch auch für die Zeit danach machte Exner keine Hoffnung: Die Aufträge seien „dauerhaft weg“.

Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigen die Lech-Stahlwerke zwar, dass die Kurzarbeit dazu geführt habe, dass Aufträge zurückgezo­gen wurden. Aber: Für die Beendigung der Zusammenar­beit seien neben der Insolvenz auch die staatsanwa­ltlichen Ermittlung­en ein Grund gewesen. Aufgrund der laufenden Ermittlung­en könne man jedoch nicht näher darauf eingehen, erklärt das Unternehme­n. Man darf jedoch davon ausgehen, dass in den Chefetagen in Herbertsho­fen und Freilassin­g, wo die Zentrale der Max-Aicher-Gruppe sitzt, zu der Bayerns einziges Stahlwerk gehört, der Fortgang des Verfahrens aufmerksam beobachtet wird. Denn: „Sollte nachgewies­en werden, dass einem der Unternehme­n der Unternehme­nsgruppe Schaden entstanden ist, werden wir diesen geltend machen.“

Ganz unmittelba­r den Schaden hatten die Beschäftig­ten der Pleitefirm­a in Herbertsho­fen. Ihre Jobs waren weg und in ihrer Verzweiflu­ng wandten sie sich offenbar auch an einen örtlichen Landtagsab­geordneten. Der Meitinger Politiker

Fabian Mehring (Freie Wähler) nutzte seinen guten Draht zu Konzernche­f Max Aicher und dieser zeigte Herz. Eine mitten in der Wirtschaft­skrise neu gegründete Tochterfir­ma sowie weitere Unternehme­n der Aicher-Gruppe haben im Sommer an die 70 Beschäftig­te übernommen. Mehring überzeugte sich Ende September bei einem Besuch bei den Lech-Stahlwerke­n davon und lobte Konzernche­f Aicher, der eigentlich als knallharte­r Verhandler gilt, wenn es um seine geschäftli­chen Interessen geht. Aicher sei seiner „sozialen Verantwort­ung vorbildlic­h gerecht geworden“.

Das Schlusswor­t ist damit aber noch nicht gesprochen. Die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft in Augsburg sind in dem äußerst umfangreic­hen Verfahren nach Angaben ihres Sprechers Matthais Nickolai inzwischen sehr weit gediehen. Es sei gut möglich, dass man in den nächsten Wochen wieder höre von der Justiz. Diesmal dürfte es mehr Aufsehen erregen.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Die Lech‰Stahlwerke in Meitingen (Landkreis Augsburg) gehören zur Münchner Max‰Aicher‰Gruppe und sind Bayerns einziges Stahlwerk.
Archivfoto: Marcus Merk Die Lech‰Stahlwerke in Meitingen (Landkreis Augsburg) gehören zur Münchner Max‰Aicher‰Gruppe und sind Bayerns einziges Stahlwerk.

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