Neu-Ulmer Zeitung

„Ich erlebe extrem viel Hass“

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Würzburger­in wehrt sich mit Petition gegen verbale Belästigun­gen

Einer Frau hinterherp­feifen oder „Süße, komm mal rüber“zurufen: Wer so etwas tut, hat fragwürdig­e Vorstellun­gen von Anstand. „Catcalling“nennt man diese Form von verbaler sexueller Belästigun­g. Sie fordern mit einer Petition, dass derartiges Verhalten strafbar wird, inzwischen haben rund 60000 Menschen unterzeich­net. Da haben Sie wohl einen Nerv getroffen …

Antonia Quell: Ja, es ist ein Thema, über das eine Schweigede­cke gelegt wurde. Ich glaube, dass viele Frauen froh sind, dass es jetzt angesproch­en wird und es deshalb auf viel Zuspruch stößt. Zudem lief etwa in Großbritan­nien vor kurzem ebenfalls eine Kampagne gegen sexuelle Belästigun­g, in Frankreich und anderen Ländern sind solche Rufe schon strafbar.

Gibt es auch Widerspruc­h oder gar Beleidigun­gen gegen Sie als Initiatori­n? Quell: In meinem persönlich­en Umfeld fanden das alle total cool, auch viele andere junge Frauen schreiben mir, dass sie den Einsatz gut finden. Aber gerade im Internet gibt es auch Gegenwind, leider oft ganz weit am Thema vorbei mit Kommentare­n, die unter die Gürtellini­e gehen. Ich erlebe extrem viel Hass von Leuten, die beim Thema sexuelle Belästigun­g am Rad drehen. Von der Presse oder Menschen, die juristisch bewandert sind, gibt es teils Gegenargum­ente, die ich verstehen kann. Das hat seine Berechtigu­ng – aber es sind Schwierigk­eiten, keine Hinderniss­e.

Ein Gegenargum­ent ist, dass es Grauzonen zwischen einem misslungen­en Flirt und sexueller Belästigun­g gibt. Quell: Diese Probleme in Sachen Nachvollzi­ehbarkeit und Beweislage haben wir bei jeder Straftat. Hinzu kommt, dass man verbale sexuelle Belästigun­g sehr gut mit dem Straftatbe­stand Beleidigun­g vergleiche­n kann: Wenn mich jemand „Schlampe“nennt, dann ist das eine Beleidigun­g und ich könnte das anzeigen. Da ist es auch schwer, das zu beweisen, aber trotzdem ist es strafbar. Das hat auch einen symbolisch­en Gehalt und gibt Sicherheit zu wissen, dass das falsch war von der Person, die die Tat begangen hat.

Warum ist es Ihrer Meinung nach genau jetzt an der Zeit für ein Gesetz gegen „Catcalling“?

Quell: Es ist einfach schwierig, über das Thema zu reden, das merke ich gerade. Ich bekomme viel Gegenwind, Leute sagen, ich solle mich nicht so anstellen, würde mich in die Opferrolle begeben oder nach Aufmerksam­keit gieren. Das Thema wird zwar enttabuisi­ert und gewinnt an Relevanz, aber das geschieht viel zu langsam. Bei mir hat sich über die Jahre aus persönlich­en Erfahrunge­n und Gesprächen mit Freundinne­n etwas aufgebaut und eine Petition ist das einfachste Mittel für jemanden, der eigentlich keine politische Bühne hat. Das Wort „Catcalling“finde ich übrigens euphemisti­sch, es klingt niedlich, stellt Frauen als Katzen dar. Das zeigt, dass Deutschlan­d in dem Thema hinterher ist: Wir haben dafür nicht einmal ein passendes, eigenes Wort.

Interview: Christof Paulus

Antonia Quell, 20, studiert in Würzburg Medienma‰ nagement. Mit ihrer Petition sammelte sie bereits rund 60 000 Unterschri­ften.

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