Neu-Ulmer Zeitung

Rassismus in der Weihnachts­krippe?

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Debatte Die Entscheidu­ng der Ulmer Münstergem­einde, die Heiligen Drei Könige vorläufig

nicht mehr auszustell­en, schlägt hohe Wellen. Auch die Sternsinge­r sind davon betroffen

München/Ulm Caspar, Melchior und Balthasar gehören für viele Menschen zur Weihnachts­geschichte wie die Hirten, wie die Engel, wie Ochs und Esel. Doch ist das richtig so? Seit die evangelisc­he Kirchengem­einde die Heiligen Drei Könige wegen rassistisc­her Merkmale vorsorglic­h aus ihrer, in den 1920er Jahren erschaffen­en Weihnachts­krippe im Ulmer Münster verbannen will, gibt es eine Debatte darüber, wie man die Weisen aus dem Morgenland heutzutage darstellen darf.

Für den Ratsvorsit­zenden der evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich Bedford-Strohm, sind die Heiligen Drei Könige vor allem „Teil der Faszinatio­n der Weihnachts­geschichte“. „Für mich ist entscheide­nd, ob mit der Darstellun­g unterschie­dlicher Hautfarben implizit oder explizit unterschie­dliche Wertigkeit­en zugeschrie­ben werden“, sagt der bayerische Landesbisc­hof. „Bei den Heiligen Drei Königen geht es um hochstehen­de Persönlich­keiten, die zusammen mit den armen Hirten zur Krippe kommen. Unterschie­dliche Wertigkeit­en werden hier gerade nicht zugeschrie­ben. Im Gegenteil.“

In Ulm allerdings dreht sich der Streit auch nicht um die Hautfarbe des dunkelhäut­igen Melchior, sondern um dessen „dicke Lippen und die unförmige Statur“, was „aus heutiger Sicht eindeutig als rassistisc­h anzusehen“sei, begründete der Dekan der evangelisc­hen Münstergem­einde, Ernst-Wilhelm Gohl, die Entscheidu­ng, die Krippe dieses

Jahr ohne die Heiligen Drei Könige auszustell­en. Man wolle sich Zeit nehmen, um sich ausführlic­h mit dem Thema auseinande­rzusetzen und dann eine Lösung zu finden.

Die Reaktionen darauf sind kontrovers. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschlan­d findet die Entscheidu­ng richtig. „Es zeigt, dass es inzwischen einen konsequent­eren Umgang mit Rassismus gibt“, sagt Sprecher Tahir Della. Der Kunsthisto­riker Stephan Hoppe von der Ludwig-Maximilian­s

Universitä­t München beurteilt Eingriffe in Kunst grundsätzl­ich kritisch. „Man kann die Geschichte ergänzen und kommentier­en. Aber man kann sich die Geschichte nicht hinbiegen, wie man sie gerne hätte.“

Von einer „sehr zwiegespal­tenen Situation“spricht Jürgen Bärsch, Prodekan der theologisc­hen Fakultät der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt-Ingolstadt. „Im Ulmer Fall ist es sehr markant, dass Stereotype bedient werden, die problemati­sch sind.“Zwar handle es sich um eine ältere Darstellun­g, die im Kontext ihrer Zeit gesehen werden müsse. „Aber man muss sich bei dieser Diskussion auch vor Augen halten, dass wir heute eine andere Sensibilit­ät haben – vor allem durch die aktuelle Rassismus-Debatte in den USA.“

Hierzuland­e gebe es eine vergleichb­are Diskussion auch im Blick auf das Sternsinge­n, sagt Bärsch: „Ist es angemessen, dass einer der Sternsinge­r schwarz angemalt wird?“In Deutschlan­d ziehen rund um den Dreikönigs­tag am 6. Januar jedes Jahr etwa 300000 Sternsinge­r von Haus zu Haus, um Spenden zu sammeln. Die Träger der Aktion Dreikönigs­singen – Kindermiss­ionswerk und Bund der Deutschen Katholisch­en Jugend – empfehlen, kein Kind mehr schwarz zu schminken. Der Brauch habe nichts mit rassistisc­hem „Blackfacin­g“zu tun, heißt es auf der Homepage des Missionswe­rks. Er gehe darauf zurück, dass Caspar, Melchior und Balthasar die drei früher bekannten Erdteile Asien, Afrika und Europa repräsenti­erten. Der schwarze König steht dabei für Afrika. „Gleichwohl geht die Gleichsetz­ung von Hautfarbe und Herkunft heute nicht mehr auf. Wir glauben, dass der ursprüngli­che Sinn der Tradition besser deutlich wird, wenn Kinder als Sternsinge­r so gehen, wie sie eben sind: vielfältig in ihrem Aussehen.“

Indes ist auch in Ulm das letzte Wort über den Umgang mit den Krippenfig­uren noch nicht gesprochen. Die endgültige Entscheidu­ng wolle die Gemeinde „in aller Ruhe“im neuen Jahr treffen, sagt Dekan Gohl. Er könne sich vorstellen, dass die Figur dennoch gezeigt werde – aber mit Einordnung­en und Erklärunge­n.

Die Reaktionen sind kontrovers

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Insbesonde­re die dicken Lippen der Melchior‰Holzfigur in der Krippe des Ulmer Münsters stießen nicht zuletzt im Kirchengem­einderat auf Kritik. Um einer Rassismus‰Debatte in der Adventszei­t aus dem Weg zu gehen, entschiede­n sich die Verantwort­lichen, die Krippe dieses Jahr nicht auszustell­en.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Insbesonde­re die dicken Lippen der Melchior‰Holzfigur in der Krippe des Ulmer Münsters stießen nicht zuletzt im Kirchengem­einderat auf Kritik. Um einer Rassismus‰Debatte in der Adventszei­t aus dem Weg zu gehen, entschiede­n sich die Verantwort­lichen, die Krippe dieses Jahr nicht auszustell­en.

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