Kleine Fortschritte in der Behandlung von MS
Neurologie Medikamente können oft verhindern, dass Multiple Sklerose rasch voranschreitet. Wie sie wirken und wo es noch große Defizite gibt. Ein Betroffener erzählt von seiner Therapie
wenig erprobt und sollte nur in Studien eingesetzt werden, da sie auch erhebliche Risiken mit sich bringt.
Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass Multiple Sklerose ein sehr uneinheitliches Krankheitsbild ist – daher wird sie auch „die Krankheit mit den tausend Gesichtern“genannt. Es gibt verschiedene Verlaufsformen, die unterschiedlich behandelt werden. Die meisten Patienten erleiden Krankheitsschübe, bei denen innerhalb kurzer Zeit neue Symptome auftreten und Tage bis Wochen dauern können, danach oft wieder abklingen. Nach Jahren oder Jahrzehnten geht diese Krankheitsform häufig in eine „sekundär progrediente MS“(SPMS) über, bei der sich die Beschwerden kontinuierlich verschlechtern. So war es auch bei Michael Montag. „Der Übergang zur SPMS vollzieht sich oft schleichend“, sagt seine Ärztin, die Neurologin Dr. Michaela Krause aus Wolfratshausen. „Das muss man sehr genau beobachten, um den Patienten dann dementsprechend zu behandeln.“Ziel ist unter anderem, die Beweglichkeit möglichst lange zu erhalten und zum Beispiel zu vermeiden, dass jemand gar nicht mehr gehen kann. Dazu stehen entweder Interferon-Spritzen zur Verfügung, die sich Krause zufolge in der Vergangenheit gut bewährt haben, oder seit kurzem der Wirkstoff Siponimod in Tablettenform. Allerdings kann auch damit bloß einem Teil der Betroffenen geholfen werden. Die Mittel wirken nämlich vor allem dann, wenn die Krankheit noch aktiv ist: Interferon ist für SPMS-Patienten gedacht, die noch Schübe haben, und Siponimod für solche, die Schübe haben oder bei einer MRT-Untersuchung Entzündungsherde in Gehirn und Rückenmark zeigen. „Für Patienten, die keine Krankheitsaktivität mehr haben, aber an einer fortschreitenden Behinderung und zunehmender Hirnatrophie leiden, ist noch kein Medi
Was ist das? Multiple Sklerose ist eine chronische, entzündliche Er krankung des Zentralen Nervensystems. Sie ist nicht heilbar und verläuft sehr unterschiedlich. Die Bezeichnung kommt aus dem Lateinischen: „mul tiplex“(vielfach) und „skleros“(hart). Bei der Krankheit treten nämlich an verschiedenen Stellen im Gehirn oder im Rückenmark Entzündungsherde auf, die nach ihrem Abklingen Verhär tungen hinterlassen. In Deutschland leben Schätzungen zufolge rund
250 000 MSKranke, weltweit sind es etwa 2,8 Millionen. Frauen erkran ken doppelt so häufig wie Männer. kament zugelassen“, erklärt die MSExpertin Judith Haas. „Da schauen wir nach wie vor auf ein Defizit.“Dass Hirngewebe mit dem Alter allmählich schwindet (Atrophie), ist normal, doch kann MS diesen Vorgang deutlich beschleunigen. Daher leiden manche Patienten auch unter Konzentrations- und Gedächtnisstörungen.
Meistens wird MS zwischen dem
20. und 40. Lebensjahr festgestellt.
Welche Anzeichen gibt es? Das ist unterschiedlich. Häufig kommt es zu nächst zu Sehstörungen, etwa unschar fem Sehen, manchmal auch zu Miss empfindungen wie Kribbeln der Haut, Muskelschmerzen oder Lähmungser scheinungen. Im weiteren Verlauf leiden viele Betroffene unter lähmender Müdigkeit (Fatigue) und motorischen Einschränkungen.
Wie verläuft die Krankheit? Im Anfangsstadium haben die meisten Patienten Schübe. In dieser Phase treten neue Symptome auf oder be
MS-Medikamente wie Beta-Interferon und Siponimod beeinflussen das Immunsystem und können mit verschiedenen Risiken und Nebenwirkungen verbunden sein. „Interferon kann vor allem grippeähnliche Symptome, aber auch zum Beispiel Depressionen und Hautreaktionen auslösen“, sagt die Neurologin Michaela Krause und ergänzt: stehende verschlechtern sich. Nach Ta gen oder Wochen bessert sich der Zu stand wieder. Nach Jahren oder Jahr zehnten geht die Krankheit oft in ei nen „chronischprogredienten“Verlauf über, das heißt, es kommt zu einer langsamen Verschlechterung ohne klare Schübe.
Welche Ursachen kennt man? Dazu gibt es viele Vermutungen, wirklich bewiesen ist aber wenig. Klar ist, dass die Veranlagung eine Rolle spielt. Dennoch ist MS keine klassische Erbkrankheit. Möglicherweise erhö hen Virusinfektionen in der Kindheit das Erkrankungsrisiko. Außerdem gibt es
„Bei Siponimod muss man besonders darauf achten, dass die Lymphozytenzahl nicht zu sehr sinkt. Sonst besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit.“Gerade jetzt, in CoronaZeiten ist dieser Effekt natürlich sehr gefürchtet.
Um den Nutzen des neuen Medikaments wirklich beurteilen zu können, ist es Experten zufolge noch zu früh. So kam der Gemeinsame Bundesausschuss, kurz G-BA, im August zu dem Schluss, ein Zusatznutzen von Siponimod gegenüber vergleichbaren Therapien sei nicht belegt. Das bedeutet aber nicht, dass das Mittel nicht besser wirken könnte, da in der Studie keine Vergleichssubstanz geprüft wurde. So hält es die MS-Expertin Judith Haas für plausibel, dass Siponimod langfristig einen deutlicheren Effekt haben könnte: „Die Substanz greift stark ins Immunsystem ein. Je stärker, desto ausgeprägter ist in der Regel die Wirksamkeit.“Sie betont aber: „Bewiesen ist das nicht.“Um sicher sagen zu können, dass das Fortschreiten der SPMS dadurch aufgehalten werde, sei es zu früh. „Die Krux an Studien in dem Bereich ist, dass sie nicht lang genug laufen. Eigentlich bräuchte man mindestens fünf Jahre, um wirklich belastbare Ergebnisse zu bekommen.“Kommt hinzu, dass niemand weiß, wie sich die Krankheit unbehandelt entwickelt hätte.
Vor diesem Hintergrund setzt Haas auf eine gute, umfassende Aufklärung. „Man muss mit dem Patienten sprechen: Hat er mehr Angst vor dem Rollstuhl oder vor den Nebenwirkungen der Therapie? Da sind die Menschen ganz unterschiedlich.“Für Michael Montag war die Entscheidung klar. Das Medikament habe er auch gut vertragen, berichtet er. „Vor allem hat es wohl dazu geführt, dass meine Gehfähigkeit sich nicht verschlechtert hat.“Jetzt hofft Montag, diesen Stand zu halten.
Was ist MS?
etwa die Hypothese, dass eine Unter versorgung mit Vitamin D das Risiko verstärkt. Abgesehen davon scheinen sich Übergewicht in der Kindheit und Rauchen negativ auszuwirken.
Wie sind die Aussichten? Heilen lässt sich die Krankheit in der Regel nicht. Inzwischen gibt es aber eine große Palette unterschiedlicher Therapien, die individuell eingesetzt werden. Dadurch lässt sich der Krankheitsverlauf oft deutlich verlang samen. Es gilt das Motto: Je früher behandelt wird, desto besser. Weitere Informationen gibt es im Internet z. B. unter www.dmsg.de (tol)