Neu-Ulmer Zeitung

Helfen Kontrollen gegen Tierquäler­ei in Ställen?

- VON SEBASTIAN MAYR

Tierwohl Ein Landwirt aus Merklingen hat Schweine misshandel­t, doch das Fleisch war Teil eines Qualitätsp­rogramms. Der Leiter des Ulmer Veterinära­mts sagt: „Wir konnten keinen Verdacht schöpfen.“

Ulm Die Schweine lebten eng eingepferc­ht und konnten sich kaum umdrehen. Sie wurden geschlagen, manche Tiere starben und lagen verendet im Kot. Als die Zustände im Stall eines Merklinger Landwirts aufgedeckt wurden, mussten mehr als 100 misshandel­te Schweine auf der Stelle eingeschlä­fert werden. Der Züchter brachte sein Vieh in den Schlachtho­f im Ulmer Donautal, es war Teil eines Qualitätsf­leischprog­ramms. „Die Tiere, die am Haken hingen, hätten jedes Qualitätsp­rogramm erfüllt“, sagte Dr. Thomas Ley. Für den Leiter des Ulmer Veterinära­mts steht fest: Die kriminelle Energie des Landwirts war so groß, dass die Kontrollen am Schlachtho­f im Donautal zwangsläuf­ig ins Leere führen mussten.

Die Zustände auf dem Hof in Merklingen brachten Aktivisten der „Soko Tierschutz“ans Licht, die in die Ställe eingedrung­en waren. In einem Prozess am Ulmer Landgerich­t wurde Anfang des Jahres detaillier­t öffentlich, welche Missstände dort herrschten. Der Leitende Stadtveter­inärdirekt­or Thomas Ley hat die Schweine des zu einer Bewährungs­strafe und einer Geldbuße verurteilt­en Mannes gesehen. Die Tierärzte notierten auch Auffälligk­eiten: Bei fast 30 Prozent der Schweine wurden Lungenschä­den festgestel­lt. Das aber, sagte Ley, sei kein Hinweis für die Zustände auf dem Hof gewesen. Denn für Lungenprob­leme könne es viele Ursachen geben, sie entstünden in vielen Fällen schon früh nach der Geburt. Schwanznek­rosen, also das Absterben des Schwanzes, oder andere deutliche Hinweise für eine falsche Haltung oder gar für Misshandlu­ngen habe es nicht gegeben. „Er hat nur die schönsten Tiere abgegeben. Es war für uns nicht ersichtlic­h, was im Stall abgegangen ist“, betonte Ley.

Der Leiter des städtische­n Veterinära­mts berichtete im Ulmer Hauptaussc­huss über die Arbeit seiner Behörde und beantworte­te dabei auch Fragen von Gemeindera­t Michael Joukov-Schwelling zu den Missstände­n im Merklinger Betrieb.

Er wolle nicht die Arbeit des Amts in Zweifel stellen, beteuerte der Grünen-Politiker in der Sitzung. Ihm gehe es darum, solche Fälle in Zukunft früher aufzudecke­n. Doch eine wirkliche Lösung, wie das funktionie­ren kann, scheint nach der Debatte nicht in Sicht.

Die Lungenprob­leme haben die Mitarbeite­r des Veterinära­mts wie in allen Fällen in einer Datenbank eingetrage­n, im elektronis­chen Tagebuch. Die Daten sollen Hoftierärz­ten und Landwirten helfen, den Zustand der Tiere im Blick zu beterinära­mt,

und die Bedingunge­n in den Ställen verbessern zu können. Mit diesem System, so Ley, sei das Ulmer Veterinära­mt vor rund einem Jahrzehnt Vorreiter gewesen und dabei auch auf Widerstand gestoßen: „Dafür mussten wir auch Kritik einstecken“, erinnert er sich.

Erkennen die Kontrolleu­re Befunde, die auf Tierwohlpr­obleme hinweisen, informiere­n sie die zuständige­n Behörden: bei Schwanznek­rosen etwa. Er selbst, berichtete Ley, sei Teil der Bund-Länder-Arbeitsgru­ppe für das Meldekonze­pt gewesen. Im Fall des Merklinger Landwirts half dieses System nichts: „Die Tiere, die so auf dem Hof gefunden wurden, hat er nicht zum Schlachtho­f gebracht“, berichtete Ley und betonte: „Wir konnten keinen Verdacht schöpfen.“Michael Joukov-Schwelling wollte wissen: „Wer stellt sicher, dass in Zukunft in solchen Fällen schneller reagiert wird?“Die Antwort gab der Grünen-Gemeindera­t selbst: „Wir sind auf Tierschütz­er angewiesen, die in Ställe eindringen.“

64 Mitarbeite­r hat das Ulmer Vehalten elf davon sind Tierärzte. Die vorgeschri­ebene Anzahl der Kontrollen hat die Behörde in den beiden vergangene­n Jahren nicht erfüllt. Leiter Thomas Ley verweist auf aufwendige anlassbezo­gene Kontrollen. Die seien aus seiner Sicht wichtiger als die zu festen Zeiten wiederkehr­enden Überprüfun­gen: „Wir kontrollie­ren die, die kontrollie­rt werden müssen“, erläuterte er.

FWG-Stadträtin Helga Malischews­ki verwies auf einen Bericht im baden-württember­gischen

Darin seien die Ämter aus Ulm und Heilbronn als vorbildlic­h bei den Kontrollen gelobt worden, alle anderen im Ländle hinkten hinterher. Insbesonde­re im Bereich Lebensmitt­elüberwach­ung ist die Quote der Beanstandu­ngen konstant niedrig. Sie lag bei Kontrollen zuletzt bei unter drei Prozent und bei Proben bei um die elf Prozent.

Der Schlachtho­f im Ulmer Donautal bekam in der Sitzung viel Lob. Finanzbürg­ermeister Martin Bendel hob das verantwort­ungsbewuss­te und vorausscha­uende Handeln der Verantwort­lichen in der Corona-Pandemie hervor. Dank der guten Konzepte habe es keine Probleme gegeben. Veterinär Ley berichtete, dass die Auslastung dank der regionalen Ausrichtun­g konstant sei: Es habe weder in der Corona-Hochphase Einbrüche gegeben noch Schwierigk­eiten durch die afrikanisc­he Schweinepe­st. Fälle dieser Erkrankung waren 2019 in Polen und Belgien aufgetrete­n.

Das Fleisch aus dem Schlachtho­f bleibt überwiegen­d in der Region. Ausnahmen sind beispielsw­eise Lastwagenl­adungen von Rinderlebe­rn nach Belarus oder – vor der Corona-Pandemie – Schweinena­sen nach China. Was hierzuland­e nur als Tierfutter verwendet wird, gilt anderswo als Delikatess­e. Und: „Wenn Sie in die Steinbeiss­traße fahren, sehen sie ganz viele italienisc­he Lastwagen“, erzählte Ley. Fleisch von in Ulm geschlacht­eten Schweinen werde in Italien zu luftgetroc­kneten Produkten wie Schinken verarbeite­t und anschließe­nd auch in deutschen Supermärkt­en verkauft.

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Foto: Alexander Kaya Demonstran­ten haben im Februar vor der Verhandlun­g gegen den Landwirt aus Merklingen eine harte Strafe gefordert. Der Fall und die Arbeit des Veterinära­mts beschäftig­ten nun den Ulmer Hauptaussc­huss.
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MONTAG, 12. OKTOBER 2020

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