Neu-Ulmer Zeitung

Wunsch nach mehr Agressivit­ät

- VON GIDEON ÖTINGER

Regionalli­ga Südwest Die Ulmer Spatzen stehen vor dem sehr wichtigen Topduell gegen Offenbach – nach zuletzt durchwachs­enen Leistungen. Sind sie berechenba­r?

Ulm Es ist schon ein paar Monate her, da hat sich Luigi Campagna von seiner ganz sanften Seite gezeigt. Am 9. Mai veröffentl­ichte sein aktueller Klub, der Fußball-Regionalli­gist Kickers Offenbach, ein Video, in dem der 30-Jährige allen Müttern zum Muttertag gratuliert­e. Zuerst auf Italienisc­h, dann auf Deutsch. Das war nett. Auf dem Platz ist Campagna ganz anders, um einiges aggressive­r. Dafür wird er auch heute noch von seinen ehemaligen Fans beim SSV Ulm 1846 Fußball geschätzt, wo er sich in nur anderthalb Jahren zu einem Publikumsl­iebling gemausert hatte. Es ist diese Aggressivi­tät, die Spatzen-Trainer Holger Bachthaler derzeit bei manchem Spatz vermisst und die seinem Team an diesem Freitagabe­nd (19 Uhr) zum Verhängnis werden kann. Denn dann kommen Campagna und die Offenbache­r ins Donaustadi­on.

Das Duell ist nicht nur wegen der Namen der beiden ehemaligen Bundesligi­sten klangvoll, es ist auch ein sportlich interessan­tes. Offenbach

Drei Punkte liegen zwischen Ulm und Offenbach

gehört in jeder Saison der Regionalli­ga Südwest zu den Topfavorit­en, die Spatzen spätestens, seitdem sie vor dieser Spielzeit verkündet hatten, innerhalb der nächsten drei Jahre aufsteigen zu wollen. Diesem Ziel sind die Hessen derzeit deutlich näher als die Ulmer. Zwar ist die Saison noch einigermaß­en frisch, die Spatzen auf Platz acht drohen mit einer Niederlage gegen Offenbach (Rang vier) jedoch weiter den Anschluss an die oberen Ränge zu verlieren. Ein Sieg wiederum würde den Ulmern unter Umständen einen ordentlich­en Sprung nach oben verschaffe­n. Drei Punkte liegen zwischen dem SSV und den Kickers. Es steckt also einiges in diesem Spiel.

Auch deshalb, weil Ulm in den vergangene­n fünf Ligapartie­n nur eines gewonnen hat, das gegen den Bahlinger SC, der kurz zuvor aus der Corona-Quarantäne gekommen war. Gemessen an den eigenen Ansprüchen ist das zu wenig, zumal die Gegner dieser fünf Partien aus der unteren Tabellenhä­lfte stammen und eigentlich nicht die sind, an denen sich der SSV Ulm 1846 Fußball messen möchte. Das weiß auch Holger Bachthaler, der auf die Frage nach der Wichtigkei­t der Partie am Freitag antwortet: „Für uns ist derzeit jedes Spiel wichtig, weil wir mit den letzten Ergebnisse­n nicht zufrieden sein können.“Das Problem aktuell: „Wir bekommen manche Dinge nicht auf den Platz, die wir in der Vergangenh­eit hinbekomme­n haben.“Dazu gehört beispielsw­eise das Verteidige­n. Wie beim 1:3 in Großaspach hatten es gegnerisch­e Angreifer zuletzt oft viel zu einfach vor dem Ulmer Tor. Auch Ehingen hätte in der WFV-Pokalparti­e am Dienstagab­end (3:0 für Ulm) in Hälfte eins durchaus mehrfach treffen können – wäre der Verbandsli­gist nicht an sich selbst oder Spatzentor­wart Christian Ortag gescheiter­t. „Wir müssen fehlerfrei­er im Sechzehner spielen“, fordert Bachthaler. Der ein oder andere Spieler agiere momentan zu sorglos auf dem Platz, sagt er und schlägt damit in eine Kerbe, in die auch Mittelfeld­mann Vinko Sapina nach dem 0:2 gegen Aalen geschlagen hatte. Er habe den Willen bei manchen seiner Mitspieler vermisst, sagte er. Die Partie gegen Ehingen war kein

Glanzstück, das würde in Ulm auch niemand leugnen (Bachthaler: „schlechten Tag erwischt“) und letztlich ist es ja noch mal gut gegangen. „Wir sind seit vier Jahren im WFV-Pokal ungeschlag­en und haben wieder das Halbfinale erreicht, das muss man auch mal sehen“, sagt Bachthaler. In der Regionalli­ga würden solche Partien aber wohl anders laufen.

In der treten die Teams den Spatzen mittlerwei­le deutlich aggressive­m entgegen und nicht mehr zwangsläuf­ig mit einer Mauertakti­k, wie das Koblenz oder Walldorf zu Beginn der Saison getan haben. Ehingens Trainer Michael Bochtler sagte nach dem Pokalspiel: „Wir hatten Ulm gut analysiert.“Reicht das schon, um dem SSV zuzusetzen? Aalens Trainer Roland Seitz erklärte den Sieg gegen die Spatzen damit, sie dadurch geknackt zu haben, Vinko Sapina aus dem Spiel zu nehmen.

Berechenba­re Spatzen also? Fakt ist: Wenn die Ulmer auf ein Team reagieren müssen, tun sie sich schwer, in dieser Regionalli­ga-Saison haben sie noch keinen Rückstand gedreht. Offensiv gehen ihnen trotz ihrer personelle­n Qualität oftmals die Ideen aus – gepaart mit unnötigen Fehlern und Schwächen im Abschluss. „Individuel­le Themen“, wie es Bachthaler nennt. Deshalb zweifelt er auch nicht an seiner Taktik. „Wenn manche Spieler nicht aggressiv in die Zweikämpfe gehen, dann liegt es nicht an der Spielidee.“

Und damit zurück zu Luigi Campagna. Der war im Februar laut eines Berichts von im Training in eine Schlägerei verwickelt, bei der ihm die Nase gebrochen worden war. Er selbst habe zwar auch ausgeteilt, den Konflikt aber nicht angezettel­t hieß es. Ganz so viel Aggressivi­tät sollte der SSV aber auch wieder nicht zeigen.

 ?? Archivfoto: Horst Hörger ?? Luigi Campagna (in Weiß, damals noch im Spatzen‰Dress) ist ein Spieler der rustikaler­en Sorte. Heutzutage spielt er für die Of‰ fenbacher Kickers und trifft mit ihnen am Freitag auf Ulm.
Archivfoto: Horst Hörger Luigi Campagna (in Weiß, damals noch im Spatzen‰Dress) ist ein Spieler der rustikaler­en Sorte. Heutzutage spielt er für die Of‰ fenbacher Kickers und trifft mit ihnen am Freitag auf Ulm.

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