Neu-Ulmer Zeitung

Ein kleiner Raum für große Aktionen

- VON VERONIKA LINTNER

Aktionskun­st Nach zwei Jahren gibt Carolina Pérez Pallares die Leitung der Neu-Ulmer Putte nun

ab. Sie erzählt, wie viel Freiheit sie hier genossen hat – und gibt einen Tipp für ihre Nachfolger

Neu‰Ulm 80 Quadratmet­er, mehr bietet die Neu-Ulmer Putte nicht. Aber für Carolina Pérez Pallares bedeutet diese kleine Fläche ein großes Stück Freiheit. „Jeder Raum ist eine Wundertüte an Möglichkei­ten“, sagt sie. „Und man braucht keinen riesigen Platz, um große Aktionen zu machen.“Zwei Jahre lang leitete sie diesen Kunstort für Experiment­e und Aktionen, für Witz und originelle Ideen. Jetzt endet ihre befristete Amtszeit als Kuratorin. Zum Abschied erzählt sie mit viel Wärme von diesem außerorden­tlichen Ort.

Pérez Pallares entdeckte 2018 eine Projekt-Ausschreib­ung – und die fand sie „bemerkensw­ert“. Die Stadt Neu-Ulm, dort war die Leipzigeri­n bis dahin noch nie gewesen, sucht Kuratoren für einen „Projektrau­m für aktuelle Kunst“. Pérez Pallares hatte bislang nur freischaff­end gearbeitet, in Museen und Galerien und auch als Künstlerin. Aber sie bewarb sich und wurde die neue Kuratorin der Putte.

Alles begann mit Aktion Nummer eins und pechdunkle­n Fenstern: Die Künstlerin Shirin Kretschman­n aus Karlsruhe, Pérez Pallares Studienort, spachtelte mit schwarzem Lederfett die Fenstersch­eiben der Putte zu. „Das sah von außen nicht einladend aus, auf den ersten Schein. Aber das machte neugierig. Viele, die die Putte gar nicht besuchen wollten, hielten spontan an, staunten und blieben für eine Stunde.“Drinnen entfaltete sich im Schwarz ein Muster, wie eine Gebirgslan­dschaft. Typisch Putte: Überraschu­ng.

Auch die historisch­e, konservati­ve Kunst sei bedeutend, beteuert die Kuratorin. Doch die Putte tickt anders: „Hier können wir ein Risiko eingehen. Es ist ein Ort, an dem sich Gedanken freier entfalten können. Ein flexibler Raum der Erfahrung.“Die Lage, an der Donau, kurz vor der Gänstorbrü­cke, findet sie „genial“. Kunst an der Grenze, am Wegrand – auch für Passanten. „Die Offenheit der Neu-Ulmer hat mich dabei erstaunt: Sie waren interessie­rt und so positiv. Das waren intensive Begegnunge­n“, sagt die Kuratorin. Neun Aktionen organisier­te sie, mit diversen Künstlern und komplexen Themen: Gender, Männlichke­it, Freiheit. „Manche sagen: Diese Aktion verstehen wir jetzt nicht. Aber trotzdem unterstütz­en sie die Putte. Volle Kanne. Ich will aber auch immer vermitteln, dass zeitgenöss­ische Kunst nicht unzugängli­ch ist.“

Pérez Pallares hat die Putte im Duo mit Axel Städter geleitet. Beide sollten ihre Projekte eigentlich in Eigenregie gestalten, aber: „Wir haben uns sofort gut verstanden. Und zu zweit sind wir stärker.“Seither planen sie gemeinsam, mit Unterstütz­ung des Kulturamts. „Ich habe hier gelernt, dass mit Kommunikat­ion alles möglich ist“, sagt die Künstlerin. Corona platzte zwar ins Jahr 2020. „Trotzdem konnte ich da eines der tollsten Projekte, die ich je kuratiert habe, umsetzen.“„Care to be“drehte sich um Gemeinscha­ft und Nähe. Doris Dziersk hüllte den Raum in Regenbogen­farben – mit Stoffen, die Neu-Ulmer gespendet hatten.

Den Draht zum Publikum pflegt der Putte-Verein mit Facebook, Instagram und vor allem sichtbaren Aktionen. Eine Künstlergr­uppe umkreiste 2019 mit einem Kreidestri­ch einmal Neu-Ulm – ein Zeichen, mitten im Stadtbild. Doch nun zieht die Kuratorin einen Schlussstr­ich und widmet sich neuen Aufgaben. Axel Städter hat vor dem Kulturauss­chuss der Stadt erklärt, dass er sich wieder um die Stelle bewirbt – für den Übergang. Mit 25000 Euro im Jahr fördert die Stadt die Putte und sucht bald nach einer Nachfolge. „Natürlich ist da noch viel Luft nach oben“, sagt Pérez Pallares. Den öffentlich­en Raum noch stärker nutzen, mehr Publikum anlocken. Aber am Ende hat sie nur einen Rat für ihre Nachfolger: Diesen besonderen Freiraum gut zu nutzen und zu genießen.

 ?? Foto: Putte, facebook.com/DiePutte ?? Ein Blick durchs Fenster in einen Freiraum: In der Putte in Neu‰Ulm findet aktuelle Kunst, mit Aktionen und Performanc­e einen Platz. Seit 2018 pflegt Carolina Pérez Pallares mit Axel Städter diesen Ort der Kunst.
Foto: Putte, facebook.com/DiePutte Ein Blick durchs Fenster in einen Freiraum: In der Putte in Neu‰Ulm findet aktuelle Kunst, mit Aktionen und Performanc­e einen Platz. Seit 2018 pflegt Carolina Pérez Pallares mit Axel Städter diesen Ort der Kunst.
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C. Pérez Pallares

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