Die Schauspielerei hat er schon ererbt
Porträt Moritz Bleibtreu kann von cool-komisch bis skrupellos-kriminell alle Rollen. Jetzt bringt der Publikumsliebling selbst einen Film ins Kino und gibt sich mysteriös
Einen kleinen, rotzigen Debütfilm wollte Moritz Bleibtreu machen. Mehr nicht. Aber einer der erfolgreichsten deutschen Schauspieler hat mehr im Kopf, wenn er selbst ein Leinwandwerk entwirft. So knüpft „Cortex“, der heute Kinostart hat (Besprechung im Feuilleton), viele Fäden und verwischt halluzinatorisch die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Wahn. Bleibtreu liebt das Abgründige, Mysteriöse. Krimis bezeichnet er als sein Lieblingsgenre und bekennt in einem Interview: „Ich mag dieses Kopfspiel, das bei Krimis entsteht.“
Der 49-Jährige hat vor der Kamera seit 1993 so ziemlich alle Charaktere durchgespielt. In dem frühen Erfolg „Knockin’ on Heaven’s Door“ging er als trotteliger Gangster mit dem Spruch „Soll isch dir dein Hirn pusten?“in die deutsche Filmgeschichte ein, für Franka Potente
gab er den chaotischen Manni in „Lola rennt“. Aber er kann mehr als Clown: Man nimmt ihm den skrupellosen Gangster ebenso ab wie den zarten Jungen auf der Suche nach dem bisschen Glück, den sexbesessenen Außenseiter („Agnes und seine Brüder“, „Elementarteilchen“) wie den undurchsichtigen Mann ohne Eigenschaften. Als studentischer Taxifahrer lässt er sich auf „Das Experiment“ein. In „Der Baader-Meinhof-Komplex“spielt er den RAFAnführer und in „Jud Süß“gibt er Hitlers Propagandaminister Goebbels als prolligen Mafioso. In „Soul Kitchen“ist er wieder der spielsüchtige
Gangster.
Moritz Bleibtreu, am 13. August 1971 in München geboren und dann in Hamburg aufgewachsen, wusste schon als Kind, dass er Schauspieler werden wollte. „Das war wie Schicksal“, sagt er. Er ist mit dem Theater groß geworden: Seine alleinerziehende Mutter Monica und sein Vater, Hans Brenner, den er nur dreimal in seinem Leben gesehen hat, waren große Theaterschauspieler. Nach der 11. Klasse schmiss er die Schule, ging als Au-pair nach Paris, danach nach Rom und schließlich nach New York. Das dort gelehrte Method Acting war nicht sein Ding. Eher spielte er seine Rollen aus dem Bauch heraus.
Sein intensives Spiel führt Bleibtreu auf seine Mutter zurück. „Sie hat immer gesagt, man muss sich die Hände dreckig machen oder ,bar zahlen‘. Als Schauspieler muss ich ab und zu mal da hingehen, wo es wehtut, wo ich ungefiltert etwas von meinem Innersten gebe. Wenn ich in einem Film nichts zu geben habe, dann mache ich ihn nicht.“
Nie kam Moritz Bleibtreu vom Komödienfach ab, wenn auch dunkel abgetönt wie in „Es war einmal in Deutschland“als jüdischer Holocaust-Überlebender, der Hausfrauen an der Tür Tisch- und Bettwäsche andreht. Oder in „Lommbock“als kiffender Kumpel Kai. Der bekennende Rapper machte aber auch munter im Musicalfilm „Ich war noch niemals in New York“mit.
Privat sei er „absolut bieder“. Er kocht gern nach österreichischer Art und sorgt sich mit seiner schwedischen Partnerin Annika um den elfjährigen Sohn David. Alois Knoller