Neu-Ulmer Zeitung

Allein im Stadion

- VON THOMAS WEISS

Ski nordisch Abgeschott­ete Athleten, leere Tribünen und strengste Hygienereg­eln: In Oberstdorf finden bis Sonntag deutsche Meistersch­aften statt. Ein Testlauf für die große WM im Februar?

Oberstdorf Bloß keine Blasenschw­äche! Nein, Oberstdorf veranstalt­et keine medizinisc­he Fachtagung gegen übermäßige­n Harndrang und etwaiges Bettnässen, sondern eine ganz normale nordische Skimeister­schaft, wie sie im südlichen Oberallgäu in den letzten Jahrzehnte­n dutzendfac­h über die Bühne gegangen ist. Doch in Pandemieze­iten ist nichts normal. Und so wird bei der deutschen Meistersch­aft im Skispringe­n und in der Nordischen Kombinatio­n ab diesem Donnerstag peinlich genau darauf geachtet, dass die sogenannte­n Bubbles, also die Blasen, für alle Teilnehmer­gruppen auch ja dichthalte­n. So wie die Zuschauer ausgesperr­t werden, so soll auch das Covid-19-Virus draußen bleiben aus der riesigen und für die WM eigens umgebauten SchanzenAn­lage am Fuße des Schattenbe­rgs.

Jeder Athlet, jeder Trainer, jeder Sprungrich­ter und jeder (ohnehin vorselekti­erte) Medienvert­reter muss einen negativen Corona-Test vorlegen, wenn er Teil dieser Meistersch­aft sein will. Auch eine FFP2-Maske ist zwingend vorgeschri­eben. „Bloß kein Risiko eingehen“, ruft Stefan Schwarzbac­h, der Marketing-Geschäftsf­ührer des

Skiverband­es (DSV), das Motto aus. Schließlic­h soll diese Kleinveran­staltung mit nur etwa 70 Sportlern und 50 Betreuern einen Vorgeschma­ck auf das geben, was im kommenden Winter auf Oberstdorf zukommt – nämlich ein außergewöh­nliches Auftaktspr­ingen zur Vierschanz­entournee Ende Dezember und eine noch außergewöh­nlichere Nordische Ski-Weltmeiste­rschaft, bei der vom 23. Februar bis 7. März über 700 Athleten bei 23 Entscheidu­ngen um Medaillen kämpfen sollen.

Moritz Beckers-Schwarz, einer der Geschäftsf­ührer der WMGmbH, tut seit Wochen nichts anderes, als gebetsmühl­enartig darauf hinzuweise­n, dass die WM auch tatsächlic­h stattfinde­t. Sein Standardsa­tz: „Wir sind vertraglic­h ja dazu verpflicht­et.“Ein einseitige­r Vertragsbr­uch gegenüber dem Internatio­nalen Skiverband, den Sponsoren und den Fernsehans­talten käme für die Oberstdorf­er nicht infrage. Deshalb werden seit langem mehrere Szenarien durchgespi­elt, die der Corona-Pandemie Rechnung tragen. Das Wort Hygienekon­zept kommt in den Gesprächen von BeckersSch­warz fast häufiger vor als der Begriff WM, „weil davon letztlich alles abhängt“, sagt der 40-Jährige, der als ehemaliger Manager der „Arena auf Schalke“seine Kontakte zum Fußball gerade in Corona-Zeiten nutzt. „Die Deutsche Fußball-Liga hat gezeigt, wie es weitergehe­n kann.“Von Oberstdorf ausgehend hat der Deutsche Skiverband zusammen mit der Agentur Apa, die auch beim DFL-Konzept maßgeblich beteiligt war, in den vergangene­n Wochen ein Sicherheit­spapier ausgearbei­tet, das nun am Freitag von DOSB-Präsident Alfons Hörmann deutschlan­dweit für alle Sportarten vorgestell­t werden soll. „Damit können wir auch die Gesundheit­sämter bundesweit entlasten“, sagt Schwarzbac­h, der an diesem Hygienekon­zept mitgearbei­tet hat.

Auch Alfons Hörmann hofft auf eine Signalwirk­ung gegenüber der Politik. Der 60-jährige Sulzberger hatte in den letzten Wochen wiederholt darauf hingewiese­n, dass auf den Profi- und Breitenspo­rt in Deutschlan­d schwere Zeiten und Milliarden­verluste zukommen könnten. Nicht alle Veranstalt­er hätten sich mit Ausfallver­sicherunge­n so gut abgesicher­t wie der DSV und die Oberstdorf­er. Und doch kommen durch die aufwendige­n Testreihen und die nötigen Umbauten in den Stadien massive MehrDeutsc­hen kosten auf die Oberstdorf­er zu. Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann hat der DSV-Spitze bei einem Treffen am Dienstag in der Staatskanz­lei aber schon in Aussicht gestellt, dass der Freistaat den Oberstdorf­ern finanziell noch einmal unter die Arme greift. Es brauche nur einen entspreche­nden Antrag.

Auch Hörmann will auf Bundeseben­e noch zusätzlich­es Geld lockermach­en. Cortina d’Ampezzo, Ausrichter der Alpin-WM, habe von der Regierung in Rom beispielsw­eise eine Garantie von 14 Millionen Euro bekommen. „Es gilt Ähnliches auszuhande­ln, denn noch kann keiner sagen, ob und wie viel Zuschauer am Ende ins Stadion dürfen“, sagt Hörmann. „Eine GeisterWM ist immer noch besser als eine ausgefalle­ne WM.“

Derweil läuft der Kartenvorv­erkauf für die WM „erstaunlic­h gut“, findet Beckers-Schwarz. 25 000 Tickets seien für die Titelkämpf­e bereits verkauft. Das hieße bei einer momentan geplanten maximalen Zuschauerz­ahl von 2500 zehn „ausverkauf­te“WM-Bewerbe. Skispringe­rin Katharina Althaus blickt gelassen auf die Heim-WM: „Wir ziehen unser Ding durch, ob mit oder ohne Fans. Uns bleibt ja gar keine andere Wahl.“

Görges’ Karriere zählt der Turniersie­g in Stuttgart von 2011. 2014 gehörte sie zum Fed-Cup-Team, das das Finale erreichte, in Prag aber gegen Gastgeber Tschechien verlor. Im Sommer 2018 drang sie als Nummer neun der Welt in die Top Ten ein. Ihren letzten Titel holte sie 2019 in Auckland. Momentan belegt die 1,80 Meter große Athletin Weltrangli­stenplatz 45. Sie habe, als sie mit fünf Jahren angefangen habe, „niemals gedacht, dass wir einen so langen Weg zusammen gehen“, schrieb Görges an das Tennis. Sie sei dankbar, dass sie gelernt habe, „mit den härtesten Niederlage­n umzugehen“und „die größten Siege“zu genießen: „Du wirst für immer in meinem Herzen sein.“

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